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      Daß Verleger froh sind, auf ein Thema gestoßen zu sein, das eine Menge Geld einbringt, steht außer Frage. Mir hat die Beschäftigung mit Pornographie aber obendrein Spaß gemacht, und man konnte sie als Instrument gegen den Muff handhaben. Außerdem funktionierte literarische Pornographie – ganz im Sinne des Postmodernepostulats von Leslie Fiedler – als Agitation gegen den Kanon der Moderne. Heute schreit wieder alles nach dem Kanon, obwohl dabei vorrangig ist, welche und wie viele Kanonkassetten man verkaufen kann. Z. B. die März-Kassette. Fiedlers Thesen, Stichwort »Cross the border, close the gap«, trafen sich gut mit einer neuen, offenen Literatur, die man Pop nennen könnte, einer Literatur mit Einsprengseln von Pornographie, Comics, Journalismus, so, wie es Brinkmann und Rygulla in ACID dokumentiert haben. Die Pornographie wurde mir nach zwei Jahren allerdings zu langweilig, weil sie sich viel zu stark kommerzialisierte. Kommerzialisierte Sexualität ist etwas sehr Fades. Mir hat das die Lust am Vögeln verdorben. Das ist die ganze Kohle nicht wert. Und als sog. Pornokönig war ich nur noch ein Mediensubstrat, überall als solches wahrgenommen. Du kannst unter diesem Druck gar keine persönlichen Beziehungen mehr eingehen.

      Du warst eine »Rollenhure« geworden. Das ist die Selbsttitulierung im Siegfried.

      Ja.

       Du hast in dem Zuge die wunderbare Bismarc Media gegründet – als Einrichtung zur Leistungs- und Rollenverweigerung.

      Das ist mit zuviel Aplomb gesagt. Bismarc Media war eine Agentur ohne Auftrag und Ziel. Reine Business-Art. Nichts, aber Schein, und das in ausgesuchtester Form. Eine Weile haben wir die Leute richtig verrückt gemacht. Wir haben richtig rumgeschwafelt.

       Eine Art Medienguerillakonzept?

      Medienkunst. Ich hab’ das eigentlich als die einzig mögliche Form betrachtet, auch gegen den eigenen Blödsinn, den man ständig in seinem Verlag betreibt, Stellung zu beziehen.

      Im Siegfried findet sich die bedenkenswerte Formulierung vom »staatlich geförderten Kälbergehorsam« und der Satz: »Jede Gesellschaft war zu jeder Zeit katastrophal.« Dann war sie das auch in den sechziger und siebziger Jahren, und trotz allem Gerede über Befreiung und Emanzipation waren Hörigkeit und Autoritätsfixierung unvermindert vorherrschend.

      Natürlich. Rückschauend betrachtet, muten die Katastrophen der 68er jedoch eher paradiesisch an. Wir hätten niemals geglaubt, daß sich der Imperialismus derart massiv potenziert und derart unverfroren präsentiert, wie er das heute tut. Wir haben es nicht ernsthaft für möglich gehalten, daß die apokalyptischen Szenarien über Big Business und Krieg tatsächlich Wirklichkeit und dabei noch weit übertroffen werden.

       D. h., wir leben in der Apokalypse?

      Ja. Ich will die damaligen Bedrohungen, etwa die Nuklearminengürtel in Europa, nicht herunterspielen. Aber was jetzt läuft, ist wirklich katastrophal.

      Zurück von der großen in die kleine Welt der Verlagswandlungen und -verwicklungen. Wir müssen über das hervorragende Interview reden, das Joachim Unseld mit dem stern über seinen Vater, seine Schwiegermutter, die »Verlegerdarstellerin« Ulla Berkéwicz-Unseld, und Martin Walser geführt hat.

      Hör mal, wenn Walser den Eindruck hat, er wird bei Suhrkamp nicht mehr gut vertreten, ist es sein gutes Recht zu gehen.

       Joachim Unseld sagt: »Walsers Entscheidung ist fürchterlich. [...] Sein Weggang trifft den Verlag in seiner Substanz.« Eine Katastrophe also.

      Ganz unrecht hat er da nicht. Im Gegensatz etwa zu Handke ist Walser ein Bestsellerautor, mein lieber Freund.

       Davon abgesehen ist das Interview ein grandioser Seelenstrip vom Allerpeinlichsten. Wie er auf die Stiefmutter losgeht und sich in den schillerndsten Paradoxien verstrickt – von solchen Semiskandalen oder Schmarrereien hätte ich gerne mehr.

      Aber bitte! Das ist ein postmodernes Interview, inkl. Grimms Märchen, Psychogefasel und Stories über Intrigen. So was möchte man lesen. Diese Hamlet-Pose, in die er sich da begibt – wunderbar! Daß er auch noch denkt, Berkéwicz und Konsorten könnten seinen Alten um die Ecke gebracht haben – phantastisch!

       Und diese Widersprüche! Ulla Berkéwicz »hat ihm«, seinem Vater, »eine Liebe produziert, die es nicht gab. Aber dadurch, daß sie diese Liebe jahrelang produziert hat, gab es sie doch.«

      Ein erstklassiger Satz. Über diesen Seelenkwulst und -kwalst sollte man trotzdem nicht reden, sonst gerät man in die Nähe eines solchen Boulevardkokolores. Aber daß Siegfried Unseld den Verlag nicht seinem Sohn übermacht hat, war sicher schofel. Der hatte seinen Joachim ja zum Verleger und Nachfolger erzogen und bestimmt. Das hab’ ich mit eigenen Augen gesehen. Mit seinem fünfzehn- oder sechzehnjährigen Sohn ist der auf die Tagung einer evangelischen Akademie marschiert. Da hielt er einen Vortrag, thronte da als Schwabenliteraturkönig, und der Dauphin saß rum und verstand nur Bahnhof. Er sollte aber sowieso bloß hergezeigt und eingeführt werden in die Gesellschaft. Der ist überall hingeschleppt worden. Der wurde regelrecht getrimmt nach schwäbischer Art, nach dem Motto: Ich bin Schuster. Du wirst Schuster! Ende! Feierabend! Später war er bei Suhrkamp ja auch wirklich gut.

       War Siegfried Unseld also doch ein höchst zweifelhafter Charakter?

      Nein. Mensch, die Berkéwicz hat sich den Laden einfach unter den Nagel gerissen, zum Kuckuck! Was brauchen wir da lange rumzureden! Diese Lamentos überall in den blöden Feuilletons! Berkéwicz hin, Berkéwicz her! Und Verteidigungsreden hin und her! Mein Gott, müssen wir die jetzt auch noch bedauern, weil sie sich den Verlag unter den Nagel gerissen hat, oder was? Es hat doch geklappt! Ist doch normal! Und mir ist das egal. Auch wenn es moralisch inferior sein mag, daß der Alte seinem Sohn nach dreißig Jahren die lange Nase gezeigt hat. Als der Mohn noch tacko war und nicht als alter Schnarchsack in den Fängen dieser Liz hing, da – also, labile, alte Säcke werden natürlich von solchen Hyänen völlig plattgemacht, da hat der Sohn Unseld völlig recht. Ich sage dir, ich habe diese Liz Mohn einmal in der Glotze gesehen, bei B. trifft ..., diese Böttinger hat unglaublich gesülzt, wahrscheinlich, weil der Mohn der Sender gehört, keine Ahnung – der WDR ist das? Na, dann eben nicht –, also, weißt du, was die da gemacht haben? Die haben drei unterschiedlich angezogene Schauspielerinnen hingestellt, und dann tauchte Frau Mohn auf mit ihrem Truthahnhals und sollte entscheiden, welche der drei sie einstellen würde. Und da hat sie ein original BDM-Mädchen ausgewählt und erklärt, daß Frauen heute so auszusehen haben. Das ist die Chefin des zweitgrößten Medienkonzerns der Welt! Und nicht einfach ’ne Pißnelke!

       Siegfried Unseld soll sinngemäß zu seinem Sohn gesagt haben: »Jetzt spiele ich deinen Hitler und enttäusche dich! Ich bin dein Vater, ich enttäusche dich! So wie Hitler mein Vater war, der mich enttäuschte. Und ich enttäusche dich.«

      Das könnte auch von Ulla Berkéwicz stammen. Solche Sachen schreibt die auch. Kein Verleger ist im übrigen verpflichtet, ein guter Autor zu sein, noch muß er intelligente Interviews geben. Ich glaube dem Joachim, daß sein Alter solche Klöpse gesagt hat. Ob man post mortem derart deutlich äußern muß, daß der alte Unseld so ein Idiot war, ist eine andere Frage. Aber wenn das ein Skandal sein soll, dann muß man zu dem gegenwärtigen Skandalmurks doch noch mal deutlich sagen, daß das Schreckliche an diesen Skandalen ist, daß sie überhaupt keine sind. Wären es welche, würden sie nicht durchgeritten.

      Wir haben Thor Kunkel völlig aus den Augen verloren. Sein Roman Endstufe ist ein echter Skandal. Zumindest meint das die Süddeutsche Zeitung. Man könnte da auch an die allgemeine Hitlerei von Guido Knopp bis zu den jährlich dreizehn Führer-Titelblättern des Spiegel denken.

      Das ist symptomatisch. Das ist die gedämpfte braune Soße. Angefangen hat das mit Joachim Fests Hitler-Buch, obwohl das nicht schlecht ist. Es war dennoch eine Zäsur und der Startschuß für die Hitlerei. Diese historischen Medienevents sind Weichmacher. Dagegen sind die Glatzen unverhältnismäßig viel harmloser, wirkungsloser als die Pseudoobjektivierungen und -historisierungen. Das sind die Landserhefte unserer Tage.

      Im Zusammenhang mit Kunkel macht die Süddeutsche

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