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hat den jungen Prinzen ziemlich irritiert. Ich hab’ die Tolle dann rausgeschmissen. Na ja, jedenfalls, der Mosebach kann so einen Mist nicht geschrieben haben, wahrscheinlich hat er halt redigiert. Vielleicht hat auch Hans Magnus noch ’n bißchen mitgequakt. Einige Passagen riechen sehr nach Enzensberger. Aber im Grunde ist die ganze Aufregung um die Wossen-Arie nur Dorfklatsch.

      Ernst Herhaus, der Co-Autor des Siegfried, war ein richtiger Hochstapler. Seine Alkoholikerbiographie ist erstunken und erlogen gewesen. Das hat Mosebach, der wohl eine Zeitlang so etwas wie eine Art Sekretär von Herhaus war, mal erzählt.

      Herhaus hat mehrere Leben gelebt. Als Co-Autor, der die von mir besprochenen Tonbänder abgeschrieben hat, hat er in meine Erzählung nicht eingegriffen. Das war eine große Leistung. Heute bearbeite ich meine Texte zusammen mit Barbara sehr viel eingehender. Herhaus’ Säufergeschichte, Kapitulation, ist ganz und gar stilisiert. Vieles ist schlicht gelogen. Ich weiß das aus eigener Anschauung sehr genau. Die echte Geschichte des damaligen Herhaus wäre jene gewesen, die mir er und seine Frau Lore über ihre Ehe erzählt haben. Das wäre eins der komischsten Bücher geworden, aber Herhaus hat ein riesiges Gezeter veranstaltet und mit Einstweiligen Verfügungen gedroht, weshalb das Buch nie erschienen ist. Vorher verantwortet er den Siegfried mit – und dann das.

      Gerade ist im relativ jungen area Verlag die dreizehnbändige März-Kassette erschienen, auch mit Peter Kupers Hamlet, einem herausragenden Beispiel für die von dir begründete protokollarische Literatur. Hast du die Biographien, die sich so eindrücklich erzählt haben, bzw. das Leben deiner Co-Autoren weiterverfolgt?

      Herhaus hat sich in seinem Literatenkopf schließlich zurechtgelegt und herumerzählt, der Siegfried sei sein Buch, seine Erfindung. Das ging mir irgendwann auf den Wecker. Diesen Sabberkopf, bei allem Verdienst, mußte ich mir ja nicht dauernd antun. Inzwischen sitzt er am Bodensee als hochangesehener deutscher Dichter in einem Schweizer Dorf, das sei ihm gegönnt, und macht in regelrecht sektiererischem Christentum. Der ist jetzt eine richtig penetrante Betschwester. Das muß ich ja nicht haben. Was Kuper angeht: Der hat immer gerne gemalt, und in der Frankfurter Halbwelt gibt es etliche Kunden, die seine Bilder sehr schätzen. Auf einem der Bilder stand hinten drauf: »Ich male jetzt im Photorealismus.« Ich möchte das nicht weiter kommentieren. Auf jeden Fall geht es dem Kuper wohl gar nicht schlecht. Neulich hat er mich angerufen und mich mal wieder haltlos beschimpft. Weil das früher auch so war, hab’ ich den Kontakt schon vor längerer Zeit abgebrochen. Der Hamlet bleibt davon selbstverständlich unberührt – ein durch und durch gelungenes, simplicissimushaftes Buch, denn der Kuper ist im besten Sinne ein tumber Tor, der einen besonderen Blick hat und tolle Geschichten erzählt, wenn er nicht gerade am Telephon rumblökt und behauptet, er würde ein neues Buch schreiben. Da vergißt er, daß er gut erzählen, aber gar nicht schreiben und redigieren kann.

       Wie ist die Auswahl für die März-Kassette zustande gekommen?

      Ich muß vorausschicken, daß der area Verlag sein Geld im Bereich modernes Antiquariat verdient. Man druckt große Auflagen und zahlt ein relativ niedriges Autorenhonorar. Deswegen sind die Bücher so billig. Die März-Kassette umfaßt über 6.000 Seiten und kostet 49,95 Euro. Bruno Hof, der Chef von area, wollte das im Rahmen des sonstigen Kraut-und-Rüben-Programms unbedingt machen. Wir haben aus rund zweihundertachtzig März-Originalausgaben einundzwanzig Titel ausgewählt.

      Warum fehlt skandalöserweise Cosmic?

      Weil Siegfried drin ist. Da paßt nur ein Schröder-Buch rein.

      Cosmic ist unverzichtbar.

      Weil es von mir ist, widerspreche ich da nicht. Aber man muß sich bescheiden. Außerdem hatte Bruno Hof auch seine Favoriten. Die verschiedenen März-Abteilungen sollten abgedeckt werden. Von Cohen konnten wir nur eins nehmen, Blumen für Hitler, dann, keine Frage, eins der wichtigsten März-Bücher, Amendts Sexfront, mit dem Buch – Auflage 350.000 im Laufe der Jahre – ist wirklich plötzlich die sexuelle Repression in der erweiterten Bewegung weggedampft, und Craig Kee Stretes Jim-Morrison-Roman sowie der Erotik-Reader usf. – bis hin zu Uve Schmidts und Fee Zschockes Beziehungsbüchern, Joe Brainards total verkifften Literaturcomics und zwei großen Romanen von Upton Sinclair, Der Dschungel und Am Fließband. Und, als Beispiel für die Weltliteratur bei März, Jules Vallès Kommune-Roman, eins der besten Bücher der französischen Literaturgeschichte, ein Vorbild, der Erzählweise wegen, auch für mich.

       Der area Verlag vermeldet ein »offizielles März-Revival« und kündigt die Wiederkehr einer Zeit an, »als Bücher noch echte Skandale auslösten«. Das klingt euphorisch.

      Das sind Blumen deutscher Werbelyrik. Das interessiert mich überhaupt nicht. Die können erzählen, was sie wollen.

      Du glaubst nicht, daß du dich mit der März-Kassette und auch mit der Wiederauflage von ACID, dem einstigen März-Pilotbuch, in den Reigen der Klatsch- und sonstigen Skandale einreihen und vom Getöse profitieren wirst?

      Da sind wir mit der Serie Schröder erzählt doch schon viel länger dran und dabei. Nur: Die Skandale, von denen ich erzähle, sollen ja gar nicht diskutiert werden. Nimm den Fall Bertelsmann. Jetzt, da der Mohn kaum mehr Piep sagen kann, erscheint ein Buch über die braune Vorgeschichte des Konzerns und die furchtbare Beziehungskiste zwischen Reinhard und Liz Mohn. Das war in Schröder erzählt bereits vor acht Jahren nachzulesen, in der Folge »Brot und Spiele«, die junge Welt hat’s auch gedruckt. Das ist nur ein Beispiel. Du mußt andererseits nicht denken, daß die vielen Skandale, von denen wir erzählen, ohne daß sie in der großen Öffentlichkeit Beachtung finden, wegen der kleinen Auflage von Schröder erzählt nicht zur Kenntnis genommen werden. Unter den Subskribenten sind eine Menge Multiplikatoren und Medienfritzen, die unsere Sachen z. T. wie Tresorpublikationen lesen. Ich bin ja kein Rutengänger, ich rede von Fakten – du weißt ja auch vieles aus gutunterrichteten Frankfurter Kreisen –, weil ich Insider bin. Im Feuilleton breitet das selbstverständlich niemand aus. Wenn ich noch irgendwas hätte mit Mohn zu tun haben wollen, hätte ich das nie erzählen dürfen. Das kommt bei denen sofort an. Die haben, ob bei Bertelsmann oder Holtzbrinck oder sonstwo, spezielle Abteilungen, die solche Publikationen wie Schröder erzählt genau checken.

      Wenn dich die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, wie im Vorfeld des Erscheinens der März-Kassette geschehen, auf einer ganzen Seite, übrigens zusammen mit Reich-Ranickis Kolumne und einer Anzeige für Helmut Kohls Autobiographie, u. a. als ehemaligen »Pornokönig Schröder«, wie dich der stern Anfang der siebziger Jahre genannt hat, porträtiert, dann bist du doch wieder im Feuilleton angekommen.

      Barbara hat sofort gesagt: Ich muß mich spalten. Als Geschäftsfrau begrüße ich einen solchen Riesenartikel, als Frau dieses widerlichen Typen Schröder, der da, eingerahmt von zwei nackten Weibern, vor seinem Herrenhaus und seinem Jaguar posiert, möchte ich damit nichts zu tun haben. Mir geht es ähnlich. Eigentlich möchte man die Figur nicht sein, über die geschrieben wird: ein großer Verleger und ein Arschloch. Nur Masochisten möchten ein Arschloch sein oder freuen sich darüber, wenn sie ein Arschloch genannt werden.

      Besagtes Image hast du ja schon im Siegfried selbstdistanzierend zurechtgerückt. Davon war in der FAS nichts zu lesen. Die stern-Geschichte hast du als »ungeheure Scheiße« bezeichnet.

      Das wird nicht zur Kenntnis genommen, weil die von nichts eine Ahnung haben. Als wir z. B. endlich den Prozeß gegen die VG Wort gewonnen hatten – die VG Wort wollte Schröder erzählt nicht als Sachliteratur anerkennen und hat deshalb die Ausschüttung der uns zustehenden Gelder verweigert –, war die Biller-Sache im ersten Durchgang gerade abgeflacht, und es mußte eine neue Sau von der Leine gelassen werden. Was in den Feuilletons über das Urteil zu lesen war, war ausnahmslos vollkommen ahnungsloser Mist. Die können allesamt nicht mehr recherchieren – oder wollen nicht mehr. Die sind halt strukturell dumm.

      Ich will versuchen, eine Brücke zu schlagen zwischen deinen früheren, halb emanzipatorischen, halb rein ökonomischen Erwägungen folgenden pornographischen Unternehmungen mit Olympia Press und dem Zirkus, der um die Sachsenwaldfilme und Thor Kunkels Nazipornoroman veranstaltet wird. In der Debatte

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