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ergötzte sich daran, wenn sie als seine Stellvertreter ausschwärmten, um sich ans Werk zu machen. Einer seiner Anhänger – er war wegen Mordes angeklagt – wurde im Gefängnis offenbar vom Grand Chingon von Santa Cruz besucht, der ihn zu der hervorragenden Arbeit beglückwünschte, die er geleistet hatte, als er ein Opfer ins Jenseits beförderte. Der Angeklagte behauptete, auf Befehl hin gehandelt zu haben: »Man hat mir gesagt, ich muss Kriegspillen, also Speed, schlucken und dass die Frau geopfert werden müsse.« Bei den Opferritualen im Freien, so erklärte er, stellte die Gruppe einen Holzaltar mit »tausend Drachen« auf – offenbar meinte er damit einen holzgeschnitzten Schrein mit Tiermotiven. Außerdem hatte die Gruppe einen tragbaren »hölzernen, mit einer Mulde versehenen Autopsietisch«, auf den man das Opfer legte und festschnallte.

      Das Hinrichtungswerkzeug bestand aus einem Set von sechs Messern, die an einer footballförmigen Halterung angebracht waren. Die Messer waren verschieden lang: wenn der Todesball sich auf den Altar herabsenkte, drangen zuerst die längeren Messer auf der einen Seite des Werkzeugs in die Magengrube ein und dann die beiden kürzeren Messer auf der anderen Seite des Instruments in das Herz – so verrichteten die Verehrer des Bösen das Böse. Anschließend wurde das Herz von ihnen verzehrt.

      Weiter erklärte er, dass die Sekte ein transportables Krematorium besaß, in dem die »Beute« verbrannt wurde – offenbar um die Überreste zu beseitigen.

      Der Zeuge berichtete, er habe Opferungen beigewohnt, bei denen zwei Gruppen zugegen gewesen seien: eine Gruppe von ungefähr vierzig jüngeren Leuten und eine andere Gruppe von etwa fünfzehn älteren Leuten.

      Erstaunlicherweise soll bei diesen vom Oberteufel/Chingon in den Bergen von Santa Cruz geleiteten Todesritualen zumindest eines der Opfer aus freiem Willen seine Rolle eingenommen haben, eine junge Frau, die in der ersten Novemberwoche 1968 in der Nähe des Boulder Creek, im Süden der Stadt, umgebracht wurde.

      Der Zeuge erklärte, die Rituale seien später in der Gegend des O'Neil-Park, in den Santa-Ana-Mountains, abgehalten worden. Eines der Opfer habe dort einen schrecklichen Kampf gekämpft, bevor es vom Oberteufel ins Jenseits befördert wurde.

      Zu den Ritualen des Grand-Chingon-Kults gehörte auch das Töten von Hunden, eine Aktivität, die laut Susan Atkins auch von den programmierten Anhängern jenes anderen »Chingon« , Charlie Manson vollzogen wurde.

      Vom Juni 1968 an fanden Beamte in der Gegend von San Jose, Santa Cruz und Los Gatos immer wieder Überreste von ausgebluteten und oftmals enthäuteten Hunden. Der Leiter des Tierheims von Santa Gruz erklärte: »Wer immer das getan hat, muss ein Meister im Umgang mit dem Messer sein. Die Haut wurde abgelöst, ohne dem Fleisch auch nur einen Kratzer zuzufügen. Das Sonderbare aber ist, dass man diese Hunde völlig hat ausbluten lassen.«

      Als später Sheriffbeamte aus Los Angeles auf einem abgelegenen, von der Family benutzten Zeltplatz auf dem Gelände der Spahn-Ranch nach der Leiche des Stuntmans Shorty Shea gruben, stießen sie auf Berge von Tierknochen, darunter viele Hühnerknochen – ein ziemlich sonderbarer Fund, wenn man bedenkt, dass die Mitglieder der Family Vegetarier waren.

      Ein anderes Mitglied einer dieser Satanistengruppen, der von der Polizei in der Nähe von Big Sur aufgegriffen wurde, tat vor dem Untersuchungsrichter folgenden klassischen Ausspruch: »Ich hab ein Problem, ich bin Kannibale.« Er war von der Sekte in der Nähe eines Campus' in Wyoming angeworben worden; dort hatte er an einem zeremoniellen Blutgelage teilgenommen, die ersten Unterweisungen erhalten und war dann in die kalifornischen Aktivitäten dieser Horde eingeweiht worden.

      Nach der Festnahme zog er aus seinem Lederbeutel einen Menschenfingerknochen und sagte dem Polizeibeamten, wo die dazugehörige Leiche zu finden sei; es handelte sich um sein letztes Opfer, das erst vor drei Tagen getötet worden war. Das Herz war entfernt und verzehrt worden.

      In der Zeit des späteren Tate-LaBianca-Prozesses ereignete sich eine schrecklicher Mehrfachmord in Kalifornien, von dem ein Augenzeuge berichtete, er habe gesehen, wie sich mit Umhängen und Kapuzen bekleidete Menschen in einer Prozession singend einen Strandhügel hinunter auf die Opfer zu bewegt hätten. In der Prozesspause hörte man ein Mädchen der Manson-Family aufgeregt über diesen Fall sprechen; sie sagte, das sei das Werk von »Maxwell's Silver Hammer«. Umpf.

      Wie kann so etwas geschehen und warum werden solche Leute nicht festgenommen, fragte ich mich während der Recherchen zu diesem Buch. Die Polizeibehörden, denen aus juristischen Gründen und infolge strenger Verfahrensvorschriften die Hände gebunden sind, hatten Schwierigkeiten, präzise Informationen über die Kult-Killer einzuholen. Ein echter Satanist, verschlagen, erfahren und ohne moralische oder ethische Skrupel – ist nicht so leicht dingfest zu machen.

      Im 19. Jahrhundert brauchte Sir William Sleeman, der Leiter einer Kommission zur Untersuchung des Bandenwesens der Kali-verehrenden Thugs in Indien, viele Jahre, um diese Organisation zu zerschlagen. In der Öffentlichkeit herrschte damals große Apathie. Die Geheimhaltungsschwüre der Thugs, ihre geheimen Raubmorde, ihre religiösen Zeremonien für die blutdürstige Göttin Kali – das alles überforderte die Menschen damals.

      Das Volk, niedergedrückt von Katastrophen, in Abhängigkeit gehalten von gewinnsüchtigen Herrschern, wollte einfach nicht glauben, dass eine Gruppe einzelner auf Grund seltsamer Rituale und als Teil eines religiösen Kults, der in diesem Fall der Göttin Kali geweiht war, gewissenlos töten, rauben und foltern konnte.

       16. Abigail Folger und Wojtek Frykowski

      Wojtek Frykowski und Roman Polanski lernten sich in Lodz kennen, wo Roman die Filmschule besuchte. Frykowski hatte Chemie studiert. Er arbeitete als Regieassistent bei mehreren Polanski-Produktionen und half, dessen Kurzfilm Säugetiere zu finanzieren.

      Er war zweimal verheiratet gewesen, einmal mit der bekannten Schriftstellerin Agnieszka Osiecka. Er hatte einen Sohn, Bartek Frykowski, der etwa dreizehn Jahre alt war, als sein Vater starb. Frykowski war ein gebildeter, intelligenter Mann, der einem aktiven Kreis von Künstlern und Intellektuellen angehörte, von denen sich einige in den Westen absetzten.

      Irgendwann in der zweiten Hälfte des Jahres 1967 verließ Frykowski Polen und ging nach Paris, wo er Roman Polanski traf, der sich um ihn kümmerte und ihm auch finanziell half.

      Polnische Schriftsteller und Intellektuelle, die im Exil lebten, pflegten einander im Ausland zu unterstützen. Sie hielten Verbindung untereinander, halfen einander beruflich weiter und begingen sogar gemeinsam die polnischen Feiertage.

      Anfang 1968 war Wojtek Frykowski in die Vereinigten Staaten gekommen. Er lernte eifrig Englisch und hatte immer ein Notizbuch bei sich, um sich mit den Nuancen der amerikanischen Umgangssprache vertraut zu machen. Er interessierte sich sehr für Lyrik und schrieb, als er in Amerika lebte, offenbar selbst Gedichte. Seine Schriftstellerfreunde, darunter Romancier Jerzy Kosinski, hielten ihn für einen verständigen Kritiker ihrer Arbeiten.

      Im Januar 1968 lernte Frykowski auf einer Party in New York Abigail Folger kennen. Miss Folger war 1943 geboren und in den engen Traditionen der Gesellschaft von San Francisco aufgewachsen. Sie war eine begabte Pianistin und interessierte sich für Kunst und Malerei. Sie besuchte die Catalina School for Girls im kalifornischen Carmel und später das Radcliffe College. Nachdem sie das Radcliffe College absolviert hatte, arbeitete sie für ihren Abschluss an der Universität von Harvard.

      Ihr Vater war Aufsichtsratsvorsitzender der Folger Coffee Company, die später eine Tochtergesellschaft von Procter & Gamble wurde. Miss Folger verfügte über ein erhebliches eigenes Vermögen. Ein guter Freund schätzte ihr jährliches privates Nettoeinkommen auf 130.000 Dollar.

      1967 war sie am University of California Art Museum in Berkeley angestellt. Im Herbst 1967 zog sie nach New York City. Nachdem sie zuerst für eine Zeitschrift gearbeitet hatte, führte sie einen der besten avantgardistischen Buchläden der Welt, den Gotham Book Mart in der 47ten Straße.

      Zu dieser Zeit lernte sie auf einer Party Jerzy Kosinski kennen, der sie später mit Wojtek Frykowski bekanntmachte. Beide sprachen fließend Französisch, und er war eifrig bestrebt, die amerikanische Sprache zu erlernen.

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