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sich in der Praxis bestimmt gut machen!«

      *

      Til Tilsner betrat die Anmeldung der Praxis Doktor Seefeld mit gemischten Gefühlen. Er erwartete nichts von diesem Landdoktor, was nicht zahllose andere Ärzte auch schon gesagt hatten. Eigentlich war er Ellis wegen hier, ihre Sorge und ihr Mitdenken rührten ihn.

      Die kompetente Sprechstundenhilfe hatte ihm einen Termin am Ende der Vormittagssprechstunde gegeben, sodass er vor neugierigen Blicken oder Fragen anderer Wartender sicher war. Inzwischen war er in Bergmoosbach bekannt wie ein bunter Hund.

      »Guten Abend, Herr Tilsner«, begrüßte ihn Doktor Seefeld freundlich. »Bitte, nehmen Sie Platz.«

      Der Schriftsteller setzte sich in einen der bequemen Stühle vor dem Schreibtisch, und er und der Landdoktor begannen ihr Gespräch. Til schilderte seine Irrfahrt von einem Arzt zum nächsten, seine unklaren Beschwerden, die Schmerzen in den Gelenken, Beschwerden mit Magen oder Lunge, er erwähnte die Erschöpfungszustände, Schlafstörungen, Kopfschmerzen und zunehmende Reizbarkeit.

      Doktor Seefeld hörte sehr aufmerksam zu, machte sich Notizen und stellte Zwischenfragen wie: »Bemerken Sie etwas an Ihren Händen, wenn Sie bei kalter Witterung draußen sind?«

      »Ja. Meine Finger werden ganz weiß, obwohl wir hier nicht von extremen Temperaturen sprechen. Dazu reicht schon unsere normale Witterung«, antwortete er.

      Der Arzt nickte und machte sich weitere Notizen. Schließlich schaute er den Autor ruhig an.

      »Herr Tilsner, ich fand unser Gespräch sehr aufschlussreich. Natürlich muss ich Sie noch eingehend untersuchen, und wir müssen viele Tests machen, um die Ursache Ihrer Beschwerden abzuklären. Wenn Sie einverstanden sind, möchte ich die Untersuchungsergebnisse der Kollegen, bei denen Sie waren, einsehen. Je mehr Informationen wir haben, desto besser.«

      »Sie glauben also, dass da etwas ist? Dass ich es mir nicht nur einbilde oder dass es ein nervöses Leiden ist, das mit meiner angeknacksten Psyche zu tun hat?«, fragte Til hoffnungsvoll.

      »Ohne genaue Untersuchungen kann ich nichts sagen«, bremste der Landdoktor, »aber eines steht für mich fest: Sie bilden sich ihre Beschwerden nicht ein, dafür gibt es eine körperliche Ursache.«

      Der Mann atmete erleichtert aus. »Sie wissen ja nicht, was mir Ihre Worte bedeuten!«, sagte er leise. »Der Druck, unter dem ich meine Bücher schreibe, wird immer größer! Wenn man krank ist, aber es gibt ›eigentlich‹ gar keine Krankheit, dann …« Er verstummte.

      »Ich kann mir vorstellen, wie aufreibend das Leben dann wird«, antwortete Sebastian Seefeld ernst. »Und ich will Ihnen auch keine trügerischen Hoffnungen machen, die sich dann als falsch erweisen! Aber – ich sehe einen Ansatzpunkt.

      Möglicherweise leiden Sie an Vaskulitis, einer seltenen Autoimmunerkrankung, bei der sich die Gefäße entzünden. Davon können die Organe, Gliedmaßen, Rückenmark und das Gehirn betroffen sein. Das kann dann zu den geschilderten Beschwerden führen, wir werden Sie sehr gründlich dahingehend untersuchen.«

      »Wie kommen Sie darauf? Bisher wurde diese Krankheit nicht erwähnt.«

      »Sie ist selten und nicht leicht zu diagnostizieren. Viele Ihrer Beschwerden könnten auch durch ganz andere Störungen verursacht worden sein. Wie gesagt: es ist nur ein Ansatz, von dem wir hier sprechen«, antwortete Doktor Seefeld aufrichtig.

      Til musterte den Arzt eindringlich. »Und wieso haben Sie ausgerechnet diesen Gedanken?«

      »Ich habe in Kanada studiert und gearbeitet«, erklärte Sebastian, »und dort meine Doktorarbeit über die Erforschung der Vaskulitis geschrieben.«

      Til saß da wie vom Donner gerührt. »Die Welt ist ein Dorf!«, murmelte er. »Da gehe ich zu einem Landdoktor im Allgäu, und der hat die Krankheit erforscht, an der ich leide.«

      »Vorsicht!« Sebastian Seefeld hob warnend die Hände. »Wir sprechen hier nur von der Möglichkeit! Ich habe noch keine Diagnose gestellt, das müssen Sie immer im Auge behalten!«

      »Ich weiß; aber ich bin so erleichtert, dass Sie überhaupt einen Ansatz gefunden haben! Jetzt ist doch alles möglich, auch, dass es mir wieder besser gehen wird!«

      Doktor Seefeld schaute den anderen Mann an und wünschte von Herzen, dass er ihm würde helfen können. Er wusste, dass diese Krankheit nicht heilbar war, aber man konnte sie stoppen und das Leben der Patienten wieder leichter und erträglicher machen.

      »Herr Tilsner, ich schlage Folgendes vor«, sagte der Landdoktor freundlich. »Wir besprechen jetzt, welche Untersuchungen durchgeführt werden müssen, wann und wo. Einiges kann ich hier in der Praxis tun, für anderes brauchen wir die Uniklinik. Falls Sie jetzt abreisen wollen, würde ich Ihrem behandelndem Arzt einen Bericht schicken und ihn auf meinen Verdacht hinweisen. Der Kollege wird dann alles Weitere veranlassen.«

      »Ich bleibe auf jeden Fall hier!«, antwortete Til entschieden. »Ich möchte, dass Sie mich behandeln!«

      »Das freut mich, Herr Tilsner, und ich werde alles tun, was ich kann. Aber Sie sollten sich auf einen längeren Zeitraum einstellen, die Untersuchungen sind nicht in ein, zwei Tagen abgehakt. Falls es dringende Termine mit Ihrem Verlag gibt, sollten Sie die besser verschieben«, riet der erfahrene Arzt.

      Der Schriftsteller schaute ihn mit neuem Lebensmut an. »Im Augenblick ist nichts wichtiger als meine Gesundheit; es ist längst überfällig, dass ich etwas kürzer trete«, sagte er bestimmt. Dann umspielte ein vorsichtiges Lächeln seine Mundwinkel. »Außerdem hat mich Ihr Bergmoosbach gelehrt, meinen Blickwinkel zu ändern. Ich dachte, es sei nur ein langweiliges Provinznest, aber es ist so viel mehr!«

      »Ja, das ist es«, stimmte Sebastian zu, »und ich bin froh, dass Sie es langsam für sich entdecken.«

      Nachdem der Landdoktor und sein Patient das weitere medizinische Vorgehen besprochen hatten, ging Til hinüber zu Ellis Buchhandlung. Die junge Frau hatte zur Zeit keine Kundschaft und saß lesend mit Dante im Schoß auf der Bank vor ihrem Schaufenster.

      Til setzte sich neben sie in den Sonnenschein. »Ich habe deinen Rat befolgt und bin zu eurem Doktor gegangen. Ich muss schon sagen, das ist ein erstaunlicher Mann.«

      Eli klappte ihr Buch zu und schaute ihn gespannt an. »Und was hat er gesagt?«

      Til erzählte in Ruhe alles, was sie besprochen hatten und welche Untersuchungen auf ihn zukamen.

      »Das heißt, dass du noch länger hier bleibst, weil du dich von ihm behandeln lässt?«

      Til schaute auf das Sonnenlicht, das goldene Reflexe in Ellis rote Haarpracht zauberte. »Nicht nur deswegen. Ich muss etwas in meinem Leben ändern, das hat mich Bergmoosbach gelehrt. Ich werde länger bleiben, vielleicht für Monate. Kennst du zufällig jemanden, der eine kleine Wohnung vermietet?«

      »Leider nicht, aber das ist kein Problem. Du findest bestimmt etwas, das geht hier alles von Mund zu Mund. Wenn du willst, höre ich mich auch für dich um.« Elli schaute ihn an, und aus ihrer übermütigen guten Laune wurde liebevoller Ernst. Sie legte freundschaftlich ihre Hand auf seinen Arm. »Ich bin froh, dass du neuen Lebensmut gewonnen hast, Til! Was immer jetzt auch auf dich zukommt, du kannst auf mich zählen.«

      Er drückte ihre Hand. »Das weiß ich, Elli, und ich danke dir! Ohne dich wäre nicht so viel Neues in meinem Kopf angestoßen worden.«

      »Oh!« Die junge Buchhändlerin spitzte die Ohren. »Denkst du dabei an einen neuen Krimi?«

      Der Autor schüttelte den Kopf. »Nein, nicht an einen Krimi.«

      So sehr Elli es auch versuchte, sie konnte ihm keine weiteren Einzelheiten entlocken.

      *

      Die Zeit ging ins Land, und Bergmoosbach gewöhnte sich daran, einen prominenten Mitbürger zu haben. Til Tilsner mietete eine hübsche Ferienwohnung etwas außerhalb des Ortes auf dem Ebereschenhof; der Zimmermann Benjamin Lauterbach und seine Frau Marie waren dabei, ihren Hof für Gäste umzubauen. Der Schriftsteller genoss, dass er dort einerseits Ruhe hatte und

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