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Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
Читать онлайн.Название Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme
Год выпуска 0
isbn 9783843804387
Автор произведения Galileio Galilei
Жанр Математика
Издательство Bookwire
Salv. Und gleichwohl sollt und müsst Ihr es begreifen. Sagt mir doch: Findet bei diesen Bewegungen nicht eine fortwährende Beschleunigung statt?
Sagr. Ja; aber eine größere Beschleunigung in der senkrechten als in der schiefen Richtung.
Salv. Ist nun aber jene Beschleunigung in der senkrechten Richtung so groß im Vergleich zu der in schräger Richtung stattfindenden, dass, an welcher Stelle auch immer auf den beiden Linien gleiche Stücke angenommen werden, die Bewegung längs des senkrechten Stücks rascher sein muss als längs des schiefen?
Sagr. O nein. Ich kann vielmehr auf der schrägen Linie eine Strecke annehmen, auf welcher die Geschwindigkeit sehr viel größer ist als auf einer anderen ebenso großen Strecke der senkrechten Linie. Ich brauche nur die Strecke auf der senkrechten Linie in der Nähe des Endpunktes C, die Strecke auf der schiefen Linie hingegen recht weit davon entfernt anzunehmen.
Salv. Die Behauptung also, die Bewegung längs der Senkrechten sei schneller als längs der schiefen Linie, erweist sich nicht als allgemein richtig, wie Ihr seht. Sie gilt nur bei Bewegungen, die vom Anfangspunkte, also von der Ruhelage, ihren Ausgang nehmen. Ohne diese Klausel wäre die Behauptung dermaßen falsch, dass ihr Gegenteil ebenso gut wahr sein könnte, nämlich dass die Bewegung auf der schiefen Ebene schneller ist als in senkrechter Richtung: Denn man kann auf der schiefen Linie eine Strecke annehmen, die in kürzerer Zeit durchlaufen wird als eine ebenso große Strecke auf der Senkrechten. Da also die Bewegung auf der schiefen Ebene an einigen Stellen schneller, an anderen weniger schnell ist als auf der Senkrechten, so wird an gewissen Stellen der schiefen Ebene die Zeit der Bewegung des Körpers zu der Zeit der Bewegung des Körpers an gewissen Stellen der Senkrechten ein größeres Verhältnis haben als die entsprechenden zurückgelegten Wege; an anderen Stellen hingegen wird das Verhältnis der Zeiten kleiner sein als das der zugehörigen Wege. Es mögen z. B. von der Ruhelage, also vom Punkte C aus, zwei bewegliche Körper sich in Bewegung setzen, der eine längs der Senkrechten C B, der andere längs der schiefen Linie C A. In der Zeit, wo der eine Körper die ganze Strecke C B zurückgelegt hat, wird der andere das kleinere Stück C T zurückgelegt haben. Die Dauer der Bewegung auf C T wird also zur Dauer der Bewegung auf C B – weil diese beiden Zeiten gleich sind – ein größeres Verhältnis haben als die Linie C T zu C B, da ein und dieselbe Größe zu einer kleineren ein größeres Verhältnis hat als zu einer größeren.29 Wenn man umgekehrt auf der nötigenfalls zu verlängernden Linie C A eine Strecke gleich C B annimmt, die aber in kürzerer Frist passiert wird, so würde die Zeit für Durchmessung der schiefen Strecke zu der für Zurücklegung der senkrechten ein kleineres Verhältnis haben als jene Strecke zu dieser. Da wir uns also auf den beiden Linien Strecken nebst den entsprechenden Geschwindigkeiten denken können derart, dass die Verhältnisse der Strecken zueinander teils kleiner teils größer sind als die Verhältnisse der entsprechenden Zeiten, so können wir wohl vernünftigerweise zugeben, dass auch Strecken vorhanden sind, auf welchen die zur Bewegung erforderlichen Zeiten dasselbe Verhältnis bewahren wie die Strecken selbst.
Sagr. Mein größtes Bedenken ist jetzt gehoben und ich begreife nicht bloß die Möglichkeit, sondern geradezu die Notwendigkeit dessen, was mir vorher ein Widerspruch schien. Ich verstehe aber einstweilen noch nicht, dass zu diesen möglichen oder notwendigen Fällen der hier vorliegende gehört. Es müsste sich herausstellen, dass die Fallzeit längs C A zur Zeit des freien Falls längs C B sich ebenso verhält wie die Linie C A zu C B, damit man ohne Widerspruch soll sagen können, die Geschwindigkeiten längs der schiefen Linie C A und längs der senkrechten C B seien gleich.
Salv. Seid einstweilen zufrieden, dass ich Euch den Unglauben benommen habe; die volle Erkenntnis erwartet ein anderes Mal, wenn Euch die Untersuchungen unseres Akademikers über die räumlichen Bewegungen vorliegen.30 Ihr werdet dort bewiesen finden, dass, wenn der eine Körper die ganze Linie C B durchfallen hat, der andere am Fußpunkte T des von B auf C A gefällten Perpendikels angelangt ist. Um andererseits den Ort des nämlichen senkrecht fallenden Körpers zu finden in dem Augenblicke, wo der andere in A ankommt, errichtet bloß im Punkte A ein Perpendikel auf C A und verlängert es bis zum Schnitt mit C B; dort wird der gesuchte Punkt liegen. Inzwischen werdet Ihr bemerken, dass es völlig richtig ist, die Bewegung längs C B als rascher zu betrachten wie die längs der schiefen Linie C A – die zu vergleichenden Bewegungen immer vom Ausgangspunkte C an gerechnet –, denn die Linie C B ist größer als C T, und ebenso ist die Linie von C bis zum Schnitt mit dem im Punkte A auf C A errichteten Perpendikel größer als C A: Darum ist also die Bewegung auf jener rascher als längs C A. Vergleichen wir aber die über die ganze Linie C A erstreckte Bewegung nicht mit der ganzen gleichzeitig stattfindenden Bewegung längs der verlängerten Senkrechten, sondern bloß mit dem schon in kürzerer Zeit zurückgelegten Teile C B, so ist es sehr wohl angängig, dass der längs C A über T hinaus weiter fallende Körper nach einer solchen Frist in A ankommt, dass, wie C A zu C B, so auch die eine Zeit zur anderen sich verhält.
Die Kreisbewegung kann niemals auf natürliche Weise ohne vorangehende geradlinige Bewegung zustande kommen.
Kreisbewegung ist in Ewigkeit gleichförmig.
Die Größe der Bahnen und die Geschwindigkeit der Planetenbewegung haben dasjenige Verhältnis, welches einer Abwärtsbewegung von gemeinsamem Ausgangspunkt entspricht.
Wir wollen nun wieder unser erstes Ziel ins Auge fassen und beweisen, dass ein schwerer Körper, der von der Ruhelage ausgeht, bei seinem Falle durch alle die Stufen der Langsamkeit hindurchgehen muss, welche einer später von ihm erreichten Stufe der Geschwindigkeit vorangehen. Wir nehmen dieselbe Figur wiederum vor und erinnern uns, dass nach beiderseitigem Zugeständnis der senkrecht längs C B fallende Körper und der schief längs C A fallende in den Endpunkten B und A mit gleichen Stufen der Geschwindigkeit eintreffen. Wir gehen nun weiter, und ich glaube, Ihr werdet ohne jedes Bedenken zugeben, dass auf einer Ebene, die weniger steil ist als A C, etwa auf A D, die Abwärtsbewegung noch langsamer als auf der Ebene A C stattfinden wird. Daher lassen sich, wie nicht im Mindesten zu bezweifeln ist, Ebenen von so geringer Neigung gegen den Horizont angeben, dass der bewegte Körper, also die von Anfang an betrachtete Kanonenkugel, erst nach einer vorgegebenen beliebig großen Zeit den Weg bis zum Endpunkte A zurücklegen würde. Um nämlich längs B A dorthin zu kommen, reicht auch unendliche Zeit nicht aus, und die Bewegung wird umso langsamer, je geringer die Steilheit ist. Man muss also unbedingt zugeben, es lasse sich über dem Punkte B ein Punkt in solcher Nähe annehmen, dass die durch ihn und den Punkt A gelegte Ebene von der Kugel auch nicht in einem Jahre zurückgelegt würde. – Nun müsst Ihr noch Folgendes wissen. Der Antrieb, mithin der Grad der Geschwindigkeit, welchen die Kugel bei ihrem Eintreffen im Punkte A erreicht hat, ist ein solcher, dass, wenn sie von nun ab mit diesem Grade von Geschwindigkeit sich weiter bewegte, d. h. ohne eine Beschleunigung oder eine Verzögerung zu erfahren, sie die doppelte Länge dieser Ebene in einer Zeit zurücklegen würde, die gleich ist der auf der schiefen Ebene verbrachten.30) Wenn nämlich die Kugel etwa in einer Stunde die Ebene passiert hätte und sodann mit dem im Endpunkte A erreichten Grad von Geschwindigkeit fortführe sich zu bewegen, so würde sie in einer weiteren Stunde eine Strecke zurücklegen gleich dem doppelten von D A. Nun sind aber, wie wir festgestellt haben, die von den Körpern in B und A erreichten Geschwindigkeitsgrade stets gleich, vorausgesetzt, dass diese von einem beliebigen auf C B angenommenen Punkte ausgehen und sich abwärts bewegen, der eine längs der schiefen Ebene, der andere längs der Senkrechten. Der senkrecht fallende Körper kann also von einem so nahe bei B gelegenen Punkte ausgehen, dass die in B erreichte Geschwindigkeitsstufe nicht ausreichend wäre – wenn sie von nun an beibehalten würde –, um den Körper über eine Strecke von der doppelten Länge der schiefen