Скачать книгу

      Perry Rhodan spürte kalte Wut in sich hochsteigen.

      »Ich mag mir nicht vorstellen, welche technischen Kapazitäten es brauchte, um einen solchen Posizid herbeizuführen«, sagte Dorksteiger. »Vor allem in so kurzer Zeit, keine Jahrtausende, sondern eine Handvoll Jahrhunderte.«

      »Es können doch nicht alle Positroniken betroffen sein.«

      Für einen Moment herrschte Schweigen. Sichu Dorksteiger zog den erschütternden Schluss: »Wenn aber doch ... dann wäre die RAS TSCHUBAI das letzte Gedächtnis der Menschheit. Nach all den Jahrhunderten.«

      Rhodan schluckte. Er konnte sich nach wie vor nicht vorstellen, was in der Milchstraße vorgefallen war. Aber es musste einschneidend gewesen sein. In Gedanken schüttelte er ungläubig den Kopf.

      »Mein Extrasinn hat unseren Überlegungen einen Kommentar hinzugefügt«, sagte Atlan.

      »Der da lautet?«

      »Wir gehen unbesehen davon aus, dass dieser Posizid und die Korrumpierung unserer Geschichtsschreibung eine Art Angriff darstellt, eine Attacke von außen. Mein Logiksektor weist darauf hin, dass uns für eine solche Annahme jeder Beweis fehlt.«

      Rhodan musterte ihn neugierig. »Und weiter?«

      »Was, wenn der Posizid und diese Legendenbildung nicht von außen initiiert worden ist, sondern von den Terranern selbst? Oder von einer Fraktion der Terraner?«

      »Wozu sollten wir das tun?«

      »Nicht wir, Perry«, sagte Atlan. »Die Terraner dieser Zeit oder einer nahen Vergangenheit, die wir nicht miterlebt haben. Es kann tausend Gründe geben: eine Art Irreführung eines Aggressors, zum Beispiel. Oder...«

      »... oder Umstände, die unserem Bild von der Menschheit, und wie sie sein sollte, widersprechen könnten, meinst du?«

      »... meint mein Extrasinn.«

      Rhodan rieb sich nachdenklich die kleine Narbe am rechten Nasenflügel. »Wir müssen endlich wissen, was Sache ist«, sagte er. »Wir brechen so bald wie möglich auf.«

      Sie einigten sich darauf, die BJO BREISKOLL zu nehmen. Farye würde mitfliegen und das Schiff kommandieren. Nötigenfalls würde sie es selbst pilotieren. Der Kreuzer und sein Mutterschiff würden sich trennen, so lange jedenfalls, wie man kein Mittel entdeckt hatte, um sich vor den cairanischen Sonden zu tarnen.

      Atlan drängte darauf, dass auch Zemina Paath die RAS TSCHUBAI verlassen sollte, »und zwar mit ihrem Handgepäck und mit ihrem Nashadaan.«

      Rhodan war einverstanden. Eine Rückfrage bei Paath ergab, dass sich ihr Sternenschiff an den Kreuzer anhängen ließ. Rhodan forderte sie auf, das dazu eingesetzte Verfahren mit ANANSI durchzusprechen und einen Probelauf zu starten.

      *

      Kurz bevor Perry Rhodan zur BJO BREISKOLL aufbrach, kontaktierte Atlan ihn noch einmal. Sie trafen sich in Rhodans Kabine. Rhodan hielt den Holowürfel mit dem Porträt seiner Kinder in der Hand, überlegte, ob er ihn mitnehmen sollte oder nicht, stellte ihn wieder ab.

      Atlan nahm Platz. Rhodan seufzte.

      Sie diskutierten die bevorstehende Mission. Noch einmal wägten sie das Für und Wider ab, ohne weitere Verzögerung mit der RAS TSCHUBAI zum Solsystem vorzustoßen. Immerhin waren wesentliche Elemente des Omniträgerschiffs in den geheimen Werften von Neo-Ganymed gebaut worden.

      ANANSI aber hatte davon abgeraten: Aus den abgehörten Hyperfunkgesprächen gehe hervor, dass das Solsystem sogar in diesen Tagen noch ein Brennpunkt der galaktischen Aufmerksamkeit war – wenn auch nicht als Heimat der Terraner.

      »Das Risiko ist der Semitronik zu groß«, resümierte der Arkonide. »Ich fliege also nach Culsu. Und bringe die RAS in die Werkstatt.«

      »Hat ANANSI irgendeinen Hinweis auf Culsu im galaktischen Funkverkehr gefunden?«

      Atlan schüttelte den Kopf. Culsu – die Welt aus Eisen, wie manche den Planeten auch nannten – war eine der Dunkelwelten der Posbi-Zivilisation im Leerraum. Dunkel in jeder Hinsicht. Die Posbis hatten die Existenz dieses Planeten selbst vor dem Galaktikum, sogar vor ihren engsten Verbündeten, den Terranern, geheim gehalten.

      Nicht einmal an Bord der RAS TSCHUBAI verfügten alle Bordrechner über die Koordinaten. Von den MARS-Kreuzern war lediglich die BJO BREISKOLL mit den Lagedaten versorgt worden; ansonsten behielt ANANSI die Informationen für sich – so, wie es mit den Posbis vereinbart worden war.

      Immerhin: Sichu Dorksteiger und Shalva Galaktion Shengelaia hatten diese Welt bereits einmal besucht, damals, im Jahr 1516 NGZ, als sich die RAS TSCHUBAI dort und anderswo im Bau befunden hatte.

      Deshalb sollte die Ator an Bord der RAS TSCHUBAI bleiben.

      »Wie lange wird die Reparatur dauern, ANANSIS aktueller Schätzung nach?«, fragte Rhodan.

      »Die Semitronik geht immer noch von vier bis sechs Wochen aus – vorausgesetzt, die Werften auf Culsu arbeiten ungestört und vorausgesetzt, die neu legierte Hülle des Schiffes bereitet den Posbi-Ingenieuren und Materialwissenschaftlern keine allzu großen Probleme.«

      Rhodan nickte nachdenklich. »Wo und wann sollen wir uns treffen?«

      »Ich habe ANANSI gebeten, mit OXFORD einen Treffpunkt auszumachen – einen Ort jenseits aller Wahrscheinlichkeit.«

      Rhodan grinste. Oxford – so hatte Farye die Bordpositronik der BJO BREISKOLL getauft, in Erinnerung an einen alten Freund, einen genoptimierten Dodo.

      »Der Ort jenseits aller Wahrscheinlichkeit – gefällt mir.«

      »Du weißt, was gemeint ist: einen Treffpunkt, den weder du noch ich noch einer unserer engsten Mitarbeiter wählen würden, einen Ort, den niemand kalkulieren kann. Also durch das Zusammenspiel mehrerer Zufallsgeneratoren festgelegt. Übrigens haben ANANSI und OXFORD drei solcher Orte bestimmt.«

      »Lass uns zudem noch einen Treffpunkt verabreden, von dem ANANSI und OXFORD nichts wissen.«

      Atlan zog die Augenbrauen um einen Millimeter nach oben. »So misstrauisch, Terraner?«

      »Vorläufig können wir niemandem und nichts trauen. Ich habe, was Zemina Paath angeht, kein ungutes Gefühl. Aber die Umstände ihres Erscheinens, ihre Unsicherheit in eigener Sache – es wäre mir lieber, wir behielten eine Hintertür im Auge.«

      »Hellgate«, schlug Atlan vor.

      Perry Rhodan lachte auf. »Hellgate? Willst du Revanche?«

      Auf Hellgate hatten er und der Arkonide eine Auseinandersetzung ausgetragen, vor langer Zeit, als sie noch keine Freunde gewesen waren. Der Planet umkreiste als einziger Trabant eine namenlose Sonne, etwa 12.000 Lichtjahre vom Solsystem entfernt. Was seine Umweltbedingungen anging, hielt der Planet, was sein Name versprach: Sie waren infernalisch.

      »Eine Revanche?« Atlan grinste. »Dir ist schon klar, dass ich dich damals habe gewinnen lassen, oder?«

      »Ein von dir bislang gut gehütetes Geheimnis«, antwortete Rhodan mit mildem Spott und in Erinnerung an ihren Kampf. Der war von beiden Seiten erbittert geführt worden und hatte ihn wie kaum etwas sonst an die Grenze seiner physischen und psychischen Möglichkeiten gebracht. »Wir haben den 9. September 2045 NGZ. Wir treffen uns in acht Wochen, am 4. November, an dem Ort, den ANANSI und OXFORD vereinbart haben. Der eine wartet gegebenenfalls dort maximal einen Tag auf den anderen, also bis zum 5. November 24 Uhr Terra-Standard. Sollte es zu keinem Rendezvous kommen, sind wir beide am 15. November 2045 auf Hellgate.«

      Atlan nickte. »Eines noch«, sagte er. »Du wirst zum Ephelegonsystem fliegen und herausfinden, was es mit dieser Zentralgalaktischen Festung auf sich hat. Du wirst mit dem Festungskommandanten reden. Grüß Reginald von mir.«

      »Sicher«, sagte Rhodan.

      »Denk aber daran: Wir wissen nicht, ob in dieser Zentralgalaktischen Festung wirklich ein Freund sitzt. 500 Jahre sind eine lange Zeit. Auch für einen Aktivatorträger. Du hast doch nicht vergessen,

Скачать книгу