Скачать книгу

Schutzschirme, aber ...

      Der Blitz einer Explosion riss sie aus ihren Gedanken.

      Ihr Beiboot ging in einem Feuerball unter – der Moment der größten Ablenkung und zugleich das Ende ihres Täuschungsmanövers. Die Bordatmosphäre jagte ins All, gefror und verlor sich.

      Erst als Giuna die Luft knapp wurde, merkte sie, dass sie den Atem angehalten hatte.

      Ein Schutzschirm flammte auf – die Ausweglose Straße hüllte sich in diesen zusätzlichen Schutz.

      Aber sie waren bereits so nah, dass sich der Schirm hinter ihnen aufbaute.

      Giuna landete auf der Ringaußenseite. Doktor Spand folgte. Die NDE-Agenten hatten ihn in ihre Mitte genommen, die massige Gestalt des Barniters verbarg den Blick auf ihn. Die Medokapsel traf ebenso ein, genau wie die beiden Kampfroboter.

      Die Deflektorschirme liefen in Parallelschaltung, sodass sich die Teammitglieder gegenseitig sehen konnten, obwohl sie von außen her unsichtbar blieben.

      »Gut«, sagte Cyprian, auf einer bestens abgeschirmten Funkfrequenz. »Weiter. Gehen wir rein.«

      *

      Giuna fühlte eine eigentümliche Ruhe, während sie im SERUN dicht vor der metallenen Außenseite der Ausweglosen Straße schwebte.

      Alles kam ihr klarer vor als in den letzten Tagen, die sie überwiegend an der Seite ihres komatösen Mannes verbracht hatte. Auf eine unbestimmbare Weise, die sie sich selbst nicht erklären konnte, ergaben die Dinge einen Sinn; als wäre die Welt an den richtigen Ort gerückt. Es erschien ihr wie ein logisches Ganzes.

      Ich bin genau da, wo ich hingehöre, dachte sie.

      Der Atem ging ruhig und konstant.

      Das Herz schlug sanft.

      Es war gut.

      »Ich spüre nichts.« Doktor Spands Stimme drang aus dem kleinen Helmempfänger, und ein Symbol an der Unterseite der Sichtscheibe ihres Helms zeigte, dass er nur sie ansprach und die beiden NDE-Agenten aus der Kommunikation ausschloss.

      »Wie meinst du das?«

      »Der Vital-Suppressor wirkt nicht auf mich, obwohl wir so nahe sind.«

      Das war ihr nicht aufgefallen. Vielleicht fühlte sich alles nur deshalb richtig an, weil sie unbewusst mit der Mattheit durch den Entzug der Vitalenergie gerechnet hatte. »Offenbar beschränken die Cairaner die Wirkung auf die Innenseite des Rings. Glaub mir, du wirst es früh genug spüren.«

      Das Symbol der Sprechverbindung wechselte – Cyprian Okri meldete sich, und er sprach alle gleichzeitig an. »Erfolgsmeldung. Haltet euch bereit!«

      Er zog die rechte Hand vom Eingabefeld zurück, das das Schloss der Schleuse steuerte. Dort hatte er eine flache Scheibe angesetzt, die ihre Arbeit offenbar zuverlässig erledigte – Giuna kannte die korrekte Bezeichnung des Geräts nicht, nannte es für sich einfach Codeknacker. Lanko, der von derlei Dingen ungleich mehr verstand, würde sie für das simple Wort wahrscheinlich auslachen, aber es funktionierte, und nur das zählte.

      Das Außenschott öffnete sich, indem es sich zur Seite schob. Es spielte sich im Vakuum völlig lautlos ab.

      Zwei, drei bange Sekunden vergingen.

      »Glück gehabt«, kommentierte Kondayk-A1. Er musste sich nicht näher erklären – sie hatten mit allem gerechnet und sich auf Strahlerschüsse oder cairanische Kampfroboter eingestellt, die den unbefugten Zugriff ahndeten.

      Doch es blieb still.

      Der Barniter drang zuerst in die Schleuse ein und gab nach etwa einer Minute Entwarnung. Giuna und die anderen folgten. Während sich die beiden NDE-Agenten völlig natürlich bewegten, merkte Giuna schmerzlich, dass ihr die Erfahrung mit Weltraumeinsätzen fehlte. Die plötzlich einsetzende Schwerkraft, die sie im Verhältnis zu vorher nun zur Seite zog, machte sie schwindlig. Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich daran gewöhnte. Doktor Spand schien es allerdings genauso zu gehen.

      Der Raum bot auch der Autonomen Medokapsel Platz. Erst als die beiden Doppelwürfel-Kampfroboter einflogen, wurde es wirklich eng.

      Aus dem Innenraum ließ sich die Schleusenmechanik frei bedienen.

      Das Außenschott schloss sich, die Kammer wurde mit Atmosphäre geflutet, die Innenseite öffnete sich.

      Wieder ging Kondayk-A1 vor, diesmal Seite an Seite mit den Kampfrobotern.

      Sie betraten einen Korridor, der schnurgerade nach vorne führte – auf direktem Weg durch die Ringwand. Die Ortung ergab eine Länge von 104 Metern. Eine bedeutungslose Zahl, die Giuna beiläufig in der Projektion wahrnahm.

      Als etwa die Hälfte des Wegs hinter ihr lag, fühlte sie mit einem Mal eine durchdringende Müdigkeit. Eine Erschöpfung, als hätte sie eine stundenlange Wanderung zurückgelegt, und es wurde von Schritt zu Schritt schlimmer. Natürlich könnte sie die Flugfunktion des SERUNS nutzen, doch das das dürfte nicht helfen – die Ursache lag nicht in tatsächlicher körperlicher Leistung, sondern in der Wirkung des Vital-Suppressors, die nun ungehindert zuschlug.

      Giuna kannte das Gefühl, hatte es vor wenigen Wochen am eigenen Leib erlebt, doch das machte es keinen Deut besser.

      »Ich weiß, was du meinst«, sagte Doktor Spand. Seine Stimme hörte sich leicht zittrig an, und Giuna fiel zum ersten Mal auf, wie selbstsicher er sonst immer klang. »Genau wie du es angekündigt hast. Interessant.«

      »Findest du? Mir fällt ein anderes Wort ein.«

      Das Ende des Korridors lag direkt vor ihnen – und nach wie vor regte sich kein Widerstand. Weder tauchte ein Roboter auf, der sie angriff, noch zeigte sich ein Cairaner. Allerdings schoben aus naheliegenden Gründen ohnehin wenige Cairaner persönlich auf der Ausweglosen Straße Dienst ... soweit Giuna wusste, wirkte der Vital-Suppressor auch auf sie, weil es keinen effektiven Schutz gegen die Wirkung gab. Und wer würde sich dem freiwillig auszusetzen?

      Das Schott am Ende des Korridors ließ sich über ein ähnliches Steuerfeld öffnen, wie sie es von der Außenseite der Schleuse kannten. Erneut trat Cyprians Codeknacker in Aktion.

      »Ich fädle mich ins System ein«, teilte der NDE-Agent mit. »Bin verbunden. Nun heißt es, den ...«

      Was er sagen wollte, erfuhr Giuna nie, denn nun schlugen die Abwehrsysteme zu.

      In der Decke glomm etwas auf. Ein Energieschuss jagte auf Cyprian zu. Dessen SERUN schaltete automatisch und mit positronischer Geschwindigkeit einen Schutzschirm, in dem die Energie des Strahls verpuffte.

      Im nächsten Augenblick brach die Hölle aus.

      Weitere Schüsse, von überallher.

      Der Korridor verwandelte sich in ein energetisches Chaos. Schutzschirme glühten auf, leiteten die Gewalten ab. Es flackerte, irrlichterte.

      Giuna stand so dicht bei Kondayk-A1, dass sich ihre Schirme berührten und zu einer gemeinsamen Blase vereinigten, auf die eine ganze Salve einschlug.

      Die Kampfroboter reagierten mit gezielten Schüssen, die die Abstrahlmündungen der Verteidigungsanlagen außer Gefecht setzten. Eine Serie von Explosionen donnerte durch den Korridor. Metall schmolz und rann in zähen Bahnen über die Wände. In schwarzem Rauch blitzten Feuerzungen.

      »Warnung«, hörte Giuna die Automatenstimme der SERUN-Positronik. »Schutzschirmbelastung bei 130 Prozent.«

      »Nun wissen sie, dass wir da sind«, stellte Kondayk-A1 trocken fest. Er zog einen Desintegrator-Strahler und feuerte auf das Schott.

      Sie tat es ihm gleich, und das Material hielt dem gemeinsamen Beschuss nicht stand.

      Irgendwo in dem Chaos aus Rauch, Energie und Feuer blitzte eine weitere Explosion.

      »Belastung bei 160 Prozent. Höchste Gefahr.«

      Vom Schott blieb nur ein Rand, voller gezackter, scharfkantiger Metallfetzen.

      »Durch!«,

Скачать книгу