Скачать книгу

      Der Abend wurde bombastisch. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Die modernen Lieder kamen gut an und die Predigt war ein ganz persönlicher Erlebnisbericht, worin der junge Mann von seinen Erfahrungen mit der Liebe Gottes sprach.

      Bisher war für mich der Glaube immer abgedeckt durch das Lesen der Bibel, dem sonntäglichen Besuch des Gottesdienstes und der Mitgliedschaft im Kirchenchor. Aber etwas Persönliches konnte ich darin bis dahin nicht entdecken. Mir war klar, dass man nicht stehlen oder jemanden bewusst beleidigen sollte, keinen verprügeln oder sogar umbringen durfte. Aber das verband ich nicht unbedingt mit meinem Glauben. Die zehn Gebote gaben diese Richtlinien vor. Das war in meinem kleinen Dorf im Schwarzwald doch völlig normal. Da war die Welt noch in Ordnung. Oder war ich einfach zu naiv und hatte damals noch zu wenig Erfahrung?

      Jetzt sollte Gott etwas ganz Persönliches sein, durch Jesus in die Welt gekommen, um alle Menschen von Sünden zu befreien!

      Als der Prediger schließlich fragte, ob hier im Saal jemand heute mit Gott einen neuen Anfang in seinem Leben machen möchte, standen viele auf und gingen nach vorne. Nach kurzem Zögern stand auch ich auf. Plötzlich wurde der Glaube an Gott etwas persönliches, etwas, was mich in meinem Inneren betraf.

      In den nächsten Wochen kam völlig neuer Schwung in das Leben unserer Gemeinde. Es gründete sich ein Bibelstudienkreis. Es war für mich interessant, die einzelnen Ausgaben der Bibel zu vergleichen. Die normale Lutherbibel hatte oft ganz andere Aussagen, als diverse Ausgaben der anderen Glaubensrichtungen. Meine Bibel sah bald aus, wie ein Studienbuch. Verschiedene Notizen, mehrfarbige Anmerkungen, rot gekennzeichnete Bibelverse. Das Studium machte mir richtig Spaß und bereicherte mein Leben enorm.

      In der Schule machte ich in der großen Pause meinen Rundgang um die Kirche, welche auf dem Gelände nebenan stand und las in einem kleinen, roten Büchlein, welches wichtige Bibelsprüche enthielt. Bald hatte ich in der Schule den Ruf, ein Kommunist zu sein. Andere betitelten mich als religiösen Spinner, da ich auf meiner Schultasche Aufkleber mit Sprüchen angebracht hatte: Jesus lebt! Jesus liebt Dich!

      Das war mir alles egal. Ich war glücklich und hatte in meinem Leben einen ganz neuen Sinn entdeckt. Mit den Lehrern meiner Schule führte ich heiße Diskussionen.

      Als ich am Turnunterricht nicht teilnehmen konnte, weil ich mir den Arm angebrochen hatte, (ein Mitschüler stellte mir ein Bein und erklärte mir anschließend, dass mein Gott nichts taugen könne, da er mich sonst aufgefangen hätte), musste ich mich trotzdem am Rande der Turnhalle auf einen Stuhl setzen und im Unterricht anwesend sein. Während meine Mitschüler ihre Runden liefen, wollte der Turnlehrer wissen, was ich für ein „Durchgeknallter“ sei. So einen religiösen Spinner hätte er selten auf dieser Schule erlebt. Ein Wort gab das andere. Die Mitschüler amüsierten sich köstlich, ich fand die Diskussion toll. Nach der Stunde kam der Turnlehrer zu mir, reichte mir die Hand und meinte: Mach weiter so, ist schon in Ordnung. Wollte nur mal sehen, wie du reagierst. Kann jeder glauben, was er will.“

      Härter ging ich mit unserem Religionslehrer ins Gericht. Ihn fragte ich, wann er uns endlich etwas über oder aus der Bibel erzählen wolle. Abtreibung, Krieg und Frieden seien Themen für andere Fächer. Religionsunterricht sei für mich ein Fach von Glauben und Kirche. Er reagierte echt cool.

      „Die nächste Stunde gehört dir. Zeig uns, was du unter einer richtigen Religionsstunde verstehst.“ Eine Woche konnte ich mich darauf intensiv vorbereiten. Ich suchte mir ein Thema aus, studierte dazu die Bibel und betete um die Führung des Heiligen Geistes. Die Stunde verlief ganz toll. Ich bekam viel Applaus und der Lehrer brachte ab diesem Zeitpunkt viel öfters Themen, die in Richtung Religion gingen.

      Berufswahl

      Das folgende Kapitel stammt aus dem Buch: Der Fisch in der Heizung - Geschichten eines Pflegers, (Anmerkung des Autors).

      Mit siebzehn Jahren machte ich den Realabschluss. Welchen Beruf sollte ich nun ergreifen? Mit dieser Frage hatte ich mich nie groß auseinandergesetzt. Nur eines war mir klar: Mein Beruf sollte mit Menschen zu tun haben. Büroarbeit oder Maschinen – nein danke!!! Helfen wollte ich, täglich mit recht vielen Menschen in Kontakt kommen.

      Welche Möglichkeiten boten sich da? Lehrer oder Pfarrer? Beides wäre ein Beruf nach meiner Vorstellung gewesen, aber dazu hätte ich das Abitur und anschließend ein Studium benötigt. So lange wollte ich wirklich nicht mehr die Schulbank mit meinem Hosenboden blank wetzen. Also ging ich zum Beratungstermin beim Arbeitsamt. Und da fand ich ein Berufsbild, das mir sofort zusagte: Diplom-Pädagoge! Behinderte oder schwererziehbare Kinder und Jugendliche betreuen, das konnte ich mir gut vorstellen. Je mehr ich mich mit dieser Idee auseinandersetzte, desto faszinierender erschien mir dieser Beruf. Allerdings musste ich dazu das Fachabitur nachholen und dann in Freiburg studieren. Das fand ich durchaus akzeptabel, zumal ich das Fachabitur innerhalb eines Jahres an der gleichen Schule machen konnte, an der ich dann das Studium zum Pädagogen absolvieren sollte. Das Studium selbst würde nochmals drei Jahre in Anspruch nehmen. Begeistert schwärmte ich meinen Eltern vor: „Pädagogen werden immer gebraucht. Davon wird es nie zu viele geben …“ Damals traf dies noch zu, heute sieht die Lage anders aus.

      Mein Vater, der zu Hause immer das entscheidende Wort zu sagen hatte, stimmte meinen Plänen tatsächlich zu. Ich war happy. So machte ich einen Termin mit dem Leiter der Fachhochschule aus und fuhr in der folgenden Woche nach Freiburg. Das Gespräch mit dem freundlichen Herrn bestärkte mich in meinem Entschluss, die richtige Berufswahl getroffen zu haben. Aufnahmeantrag, Studienleitlinien, Lehrgangsgebührenordnung – er gab mir einen Packen Papiere mit, die ich von meinem Vater unterschrieben, baldigst an ihn zurücksenden sollte. Mündlich hatten wir soweit alles besprochen. Da ich schon mal in Freiburg war, besuchte ich ein älteres Ehepaar, das ich von der Jugendarbeit in ihrer Kirchengemeinde her kannte. Sie freuten sich mit mir, dass ich mich für diesen Beruf entschieden hatte.

      Nach einem ausgiebigen Mittagessen, das meinen immer hungrigen Magen beruhigte, hatten sie für mich noch eine Riesenüberraschung parat: Sie boten mir in ihrem Haus ein möbliertes Zimmer mit Dusche und Kochnische an, und das mietfrei! Mein Glück war vollkommen. Ich sah die Zukunft in den herrlichsten Farben. Voll innerer Freude fuhr ich am Abend mit dem Zug nach Hause und berichtete meinen Eltern sehr ausführlich von der tollen Schule, dem mietfreien Zimmer und dem schönen Freiburg. Zum Schluss gab ich meinem Vater die ganzen Unterlagen zum Unterschreiben, mit denen ich mich vor lauter Zukunftsgedanken gar nicht mehr beschäftigt hatte. Ich bat ihn, sie möglichst bald zu unterschreiben, damit mir niemand diesen Studienplatz wegschnappen konnte.

      Die kalte Dusche kam am nächsten Abend. Mein Vater bat mich ins Wohnzimmer. Schon das allein war für mich ein Warnsignal, denn ins Wohnzimmer zu kommen bedeutete immer, dass etwas Außergewöhnliches passiert war. Es war mir bewusst, dass Vater in den Formularen etwas gefunden haben musste, was er nicht akzeptieren konnte. Verflixt, warum hatte ich mir den ganzen Formularsalat nicht durchgelesen, oder wenigstens oberflächlich angesehen. Nun war es zu spät.

      Und es kam dicke, ohne Schonung, ohne Alternative. Mein Vater sprach meist wenig, aber wenn, dann direkt und ohne großes Drumherum.

      „Diese Schule kannst du dir aus dem Kopf schlagen. Du wirst nicht erwarten, dass wir zu Hause Pellkartoffel und Quark essen, nur um dir dein Studium finanzieren zu können. Such dir einen anderen Beruf. Das Studium ist zu teuer.“

      Das saß! Es gab für ihn nichts weiter zu erklären. Ich brachte kein Wort heraus. Den Tränen nahe, ging ich auf mein Zimmer und handelte treu meiner Devise: Erst eine Nacht darüber schlafen, morgen sieht die Welt anders aus. Doch Vaters Meinung änderte sich über Nacht nicht. Trotzdem hegte ich noch Hoffnung. Um nämlich den Studienplatz belegen zu können, war ein Praktikum von mindestens sechs Monaten Dauer in einer sozialen Einrichtung vorgeschrieben. Diese Zeit erschien mir lange genug, um meinen Vater irgendwie doch noch von der Richtigkeit meiner Pläne zu überzeugen. Außerdem gab es für dieses Praktikum Geld. Ich wusste zwar nicht, wieviel, aber vielleicht…Wenn das selbstverdiente Geld… und von meinen Eltern dann der Rest?

      Eine Praktikantenstelle war schnell gefunden. In einem Alten- und Pflegeheim in Offenburg bekam ich, nach persönlicher Vorstellung, sofort eine Zusage. Am nächsten Ersten konnte ich anfangen. Bis dahin kämpfte

Скачать книгу