Скачать книгу

wir unseren Vater, auch so eine Seifenkiste mit uns zu bauen. Der hatte allerdings Wichtigeres zu tun.

      „Das könnt ihr auch alleine. Ist doch alles da, was man dazu braucht. Wo Hammer und Nägel sind, wisst ihr.“ Das Thema war für ihn erledigt und für uns begann der Spaß.

      Wir sägten Bretter, was für uns nicht ganz einfach war. Mit der Laubsäge umzugehen, war etwas Anderes. Aber es klappte ganz gut. Der Vorrat an Vaters Baunägeln nahm bedenklich ab. Für den Lenker sägten wir kurzerhand den Stallbesen ab, befestigten das kleine Rad einer alten Schubkarre daran und verlegten die Schnüre zur noch nicht vorhandenen vorderen Radachse. Ein weitaus größeres Problem hatten wir mit dem Auffinden der vier Räder. Wir durchstöberten das Haus vom Keller bis zum Dach. Auf dem Dachboden wurden wir fündig. Der Kinderwagen, in welchem wir vier Kinder in zartem Alter durch die Gegend kutschiert wurden, sollte uns jetzt seine Räder für unsere Seifenkiste liefern.

      „Lass uns aber erst Papa fragen“, äußerte mein kleiner Bruder etwas ängstlich.

      „Wozu das denn, er hat doch gesagt wir sollen uns die Sachen selbst zusammensuchen?“ Ich hatte da keine Bedenken, dass das Zerlegen des Kinderwagens völlig in Ordnung war. Wir schraubten die Räder inklusive der Achsen ab und deckten den verbliebenen Rest des Kinderwagens wieder fein säuberlich zu. Musste nicht gleich jeder unsere Schandtat erkennen.

      Wir konnten unser Glück nicht fassen. Einige Krummnägel befestigten die Achsen fachmännisch mit der fertigen Sitzplatte. Jetzt sah unsere Seifenkiste richtig toll aus. Wir schoben uns gegenseitig einmal quer durch den Hof - und die vordere Achse löste sich. Die Krampen waren zu kurz. Als wir dafür richtige Baunägel verwendeten, hielt die Achse bombenfest.

      Das Seifenkistenrennen konnte beginnen.

      Der Ärger kam am Abend, als wir mit der Seifenkiste nach Hause kamen und Mutter die Räder an unserm Prachtfahrzeug sah. Irgendwie kamen sie ihr bekannt vor und es schwante ihr böses.

      „Wo habt ihr die Räder her?“ Sie schaute meinen Bruder und mich böse an.

      „Ich habe es dir gleich gesagt, dass es Ärger gibt.“ Mein Bruder verbündete sich umgehend mit „dem Feind“.

      „Papa hat gesagt, wir sollen uns alles nehmen, was wir brauchen. So haben wir uns am alten Kinderwagen bedient, den wir doch ohnedies nicht mehr brauchen.“ Siegessicher sah ich meine Mutter an. „Rotzlöffel!“ Zack, hatte ich eine Ohrfeige. Meine Mutter, erschrocken über ihre vorschnelle Reaktion, zog mich an sich und entschuldigte sich.

      „Vielleicht brauchen wir den Kinderwagen doch noch mal, irgendwann“, versuchte sie mir zu erklären.

      „Dann bauen wir sie einfach von unserem Rennwagen ab und reparieren den blöden Kinderwagen wieder.“ Damit war für mich das Thema erledigt. Als mein Vater in den Tagen danach unsere Seifenkiste sah, war er ganz stolz auf uns.

      „Habe ich doch gleich gewusst, dass ihr das alleine schafft.“ Woher die Räder kamen, war für ihn uninteressant.

      Auch lernen will gelernt sein

      Irgendwann ging es dann darum welche weiterbildende Schule ich besuchen sollte.

      „Wenn der Bengel nicht so faul zum Lernen wäre, würde ich ihnen das Gymnasium empfehlen.“ Die Empfehlung der Klassenlehrerin fand ich gut. Also wurde ich am Gymnasium in der Stadt angemeldet. Schließlich wollte ich mal Lehrer werden, die hatten immer so viel Ferien. Wenn das nicht klappt, dann vielleicht Pfarrer, die brauchten nur sonntags einen Gottesdienst zu halten und dazwischen mal eine Beerdigung oder eine Trauung. Die hatten auch viel freie Zeit und Verdienten bestimmt auch nicht schlecht. Ansonsten konnte ich mir auch noch Bürgermeister oder Doktor vorstellen. Dass der Weg bis dahin noch steinig und schwer werden würde, war mir damals nicht so richtig bewusst.

      Doch schon die ersten Monate auf dem Gymnasium machten mir klar, dass der Weg an die Spitze der höheren Gesellschaft für mich nicht zu erreichen war. Schon das Erlernen der englischen und französischen Sprache war unmöglich.

      Zuhause zu lernen, war in meinen Augen nicht unbedingt notwendig. Schließlich gab es da wichtigere Dinge zu erledigen. Im Unterricht rasselte ich dann beim Abfragen der Vokabeln regelmäßig durch. Die drei Formen für „fahren“? Die Frage des Englischlehrers konnte ich nur mit „to far“ beantworten. „Du lernst es nie. Setzen – sechs“. Und die Betonung der französischen Sprache war noch schlimmer. Mussten die denn alle so komisch sprechen. Es wäre doch viel einfacher, wenn die ganze Welt Deutsch, noch besser unseren badischen Dialekt, sprechen würde. Doch dieser Wunsch wurde mir nicht erfüllt. So hatte ich bereits im ersten Zeugnis zwei Sechsen und drei Fünfer. Wo sollte das nur hinführen? Ich konnte tun und lassen was ich wollte, es ging einfach nicht in mein Gehirn. Es kam, wie es kommen musste: Ich blieb gleich im ersten Jahr hängen. Selbst nach der Wiederholung des Schuljahres wurden die Noten nur unwesentlich besser, da der ganze Stoff einfach nicht haften blieb. Dass es „nur“ an meiner Faulheit lag, wollte ich nicht einsehen.

      Eines meiner liebsten Fächer war „Musik“. Seit Jahren war ich im Kirchenchor unserer Pfarrgemeinde. Da durfte ich im Halleluja von Händel ein Solo singen, da ich im Sopran höher kam, als jedes andere Chormitglied. Allerdings fand diese Karriere mit dem Stimmbruch ein schnelles Ende. Das Erlernen der Kirchenorgel war dagegen schon nach einem knappen Jahr beendet, da ich viel zu wenig übte und der Kantor mir recht bald nahelegte, ein anderes Instrument zu erlernen.

      Als ich dann vom Gymnasium auf die Realschule wechseln musste, ging mir endlich ein Licht auf. Entweder, ich tat etwas, oder der Weg nach oben blieb mir auf Dauer versperrt. Ich fing an zu lernen und es ging steil aufwärts.

      Schließlich schaffte ich den Abschluss der Mittleren Reife noch recht gut, in Englisch sogar als Klassenbester.

      Und noch etwas lernte ich in der Zeit der Realschule: Ich verliebte mich zum ersten Mal. Klar, ich schwärmte schon vorher für das ein oder andere Mädchen in unserer Jugendgruppe, aber so richtig klappte das nie. Dieses Mal hatte ich richtig Schmetterlinge im Bauch. Das kaum verständliche für mich: Es war ein Klassenkamerad. Ein Junge verliebt sich in einen anderen Jungen??? Das kam mir doch sehr komisch vor und ich erzählte niemandem davon. Ich liebte einfach still vor mich hin und behielt es für mich. Auch er merkte nichts davon. Dabei war er so süß. So war für alle die Welt in Ordnung. Selbst mit meinem Bruder konnte und wollte ich darüber nicht reden.

      Gott, Kirche und der Glaube

      Mit 15 Jahren wurde ich konfirmiert. Wir waren eine recht große Gruppe, da es in unserer Gemeinde viele Kinder gab. Außerdem wurden aus den Nachbargemeinden die Kinder mit in unserer Gemeinde konfirmiert, da diese zu unserer Kirchengemeinde gehörten. Es war mal wieder ein großes Familienfest. Zudem gab es viele Geschenke, was mir damals auch wichtig war. Wozu gab es denn sonst die Konfirmation? Für mich war sie ein Grundstock des „Endlich–Reich–Werdens“. Und tatsächlich hatte ich nach diesem ereignisreichen Tag so viel Geld, wie nie zuvor in meinem jungen Leben. Ich wusste auch schon, was ich mir damit kaufen wollte: Ein flottes Fahrrad. Nach langen Diskussionen mit meinem Vater gab dieser endlich die Erlaubnis, mir ein Rad beim Dorfschmied zu bestellen. Der Schmied hatte, neben einer Tankstelle (es gab immer mehr Autos im Dorf und auch die modern gewordenen Traktoren fuhren nicht ohne Sprit) und seiner Werkstatt einen kleinen Laden für Fahrradzubehör und neue Räder. Toll, was der für Räder im Katalog hatte. Vom einfachen Rad, welches natürlich in meinen Augen für alte Leute war, bis hin zum Rennrad. Da mein Vater mir aber nur die Erlaubnis für ein einfaches Rad, ohne großen Schnick Schnack gegeben hatte, kämpften zwei Seelen in meiner Brust. Schließlich gab ich mir einen Ruck und bestellte: Ein tolles, buntes Rad mit Gangschaltung und Gesundheitslenker. Schließlich war es mein Geld! Die Hälfte meines „Reichtums“ war damit bereits wieder weg und mein Vater bekam einen Tobsuchtsanfall, als ich drei Wochen später mit dem Rad nach Hause kam. Dieser Anfall dauerte aber nur kurz und lieferte meinem Vater einen Grund, sich in die Dorfkneipe zu verziehen. Ich hatte viele Jahre Spaß an meinem Rad, bis es mir irgendwann geklaut wurde.

      Und dann kam etwas, was die kommenden Jahre meines Lebens völlig auf den Kopf stellte. In unserem Dorf hatte der Pfarrer zu einem Gemeindeabend eingeladen. Ein Evangelisten Team sollte mit modernen Liedern

Скачать книгу