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Madeleine.«

      »Oh, das werde ich auch, mein lieber Loup. Pass gut auf dich auf.«

      Jakob schlüpfte hinaus. Er hasste Abschiede. Von ihnen gab es zu viele in seinem langen Leben, obwohl er mittlerweile darauf zu achten versuchte, sie auf ein Mindestmaß zu beschränken. Aber für jemanden, der prinzipiell ewig leben konnte, ließen sie sich einfach nicht vermeiden.

      Er lenkte seine Schritte in südliche Richtung. Langsam lichtete sich der Betrieb auf den Gassen. Die Häuser standen nicht mehr dicht an dicht und der Staub in der Luft, aufgewirbelt durch unzählige Füße, Hufe und Wagenräder, senkte sich auf den Boden.

      Als Jakob Lyon zurückließ, beschäftigte eine Frage sein Denken. Wohin brachte ihn der Findungszauber? Er wühlte in seinem Gedächtnis nach den Städten im Süden, von denen er bereits gehört hatte. Marseille fiel ihm zuerst ein. Es war für seine Felder voller Blumen und Kräuter unter den Apothekern bekannt. Ob er so weit reisen würde?

       Zu schade, dass der Zauber so ungenau mit seinen Angaben ist. Es wäre deutlich leichter, erschienen mir einfach der Name meines Opfers und der Ort, wo es sich aufhält, vor Augen. So werde ich an jeder Abzweigung nachspüren müssen, ob sich mein Weg nicht geändert hat.

      Obwohl dies eine Unbequemlichkeit darstellte, die zudem Zeit kosten konnte, fand er diesen Ablauf auch spannend. Nicht zu wissen, wohin es ging, und sich darauf einzulassen, glich einem Abenteuer. Doch zunächst zupfte das unsichtbare Band des Zaubers ihn weiterhin nach Süden und er folgte ihm.

      Der Nachmittag brach an. Jakob war gut vorangekommen, was er dem Umstand zuschrieb, dass er sich in Gedanken von seinem Weg abgelenkt hatte. Mittlerweile fiel es ihm mit jedem weiteren Schritt schwerer, sich auf seine Theorien zu konzentrieren. Seine Füße erinnerten ihn an glühende Kohlen, kribbelten, wenn sie von seinem Körpergewicht entlastet wurden, und schmerzten, sobald er sie wieder belastete. Es war ein untrügliches Zeichen für ihn, dass er zu lange in seinem gemütlichen Zimmer bei Madeleine gewohnt hatte, und er sehnte sich nach einer Pause. Außerdem knurrte ihm der Magen, da er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte.

      Als er einen Bauern mit seinem Handkarren einholte, nutzte er seine Chance. »Liegt in der Nähe eine Herberge?«

      Der Mann wandte ihm misstrauisch das Gesicht zu und Jakob sah die gebräunte Haut eines Menschen, der viel im Freien arbeitete. Nach einem Moment des gegenseitigen Musterns blieb der Bauer schnaufend stehen und stellte seinen Karren ab. Er hob den Zeigefinger und deutete voraus.

      »Die Straße entlang kommst du nach Vienne. Da wird sich schon was finden«, erklärte er kurz angebunden, wobei er die Endungen der Worte so stark verschluckte, dass Jakob ihn nur mit viel Fantasie zu verstehen vermochte.

      Auf einen mürrischen Weggefährten wie diesen verspürte Jakob keine Lust. »Danke«, meinte er und beeilte sich, den Mann zurückzulassen.

      Weit kann es nicht sein, dachte er. Ich werde meine Augen offenhalten.

      Seine optimistische Stimmung trübte sich mit jedem Augenblick, als die Sonne sich anschickte, unterzugehen. Der Bauer hatte ihm nicht den Eindruck vermittelt, dass es sich bis Vienne dermaßen zog. Sollte er diese Nacht unter freiem Himmel nächtigen? Es wäre nicht das erste Mal, doch er verspürte keine Lust, auf dem harten Boden zu schlafen.

      Er biss auf die Zähne und ignorierte den schmerzhaften Protest seiner Füße. Irgendwann musste er einen Ort finden, an dem er übernachten konnte. In Gedanken versprach er sich selbst eine kühlende Salbe für seine malträtierten Fußsohlen. Zum Glück lag der Tiegel in seinem Tornister!

      Schließlich wurde seine Geduld belohnt. In der Ferne entdeckte er Fackelschein, der sich aus der Nähe betrachtet als Beleuchtung für den Hof einer Herberge herausstellte. Jakob seufzte erleichtert auf. Er freute sich auf eine herzhafte Mahlzeit, Linderung für seine Füße und vor allem ein Bett.

      Kapitel 2

      

      Am nächsten Morgen saß er ausgeruht und mit eingecremten Fußsohlen beim Frühstück. Er hatte länger als üblich geschlafen und war einer der letzten Gäste. Das Schaben der Löffel in den Näpfen mit einem nicht zu bestimmenden, faden Getreidebrei durchdrang die Stille. Dadurch lenkte sich Jakobs Aufmerksamkeit auf zwei Stimmen. Es schien sich um das Ehepaar zu handeln, das die Herberge führte und das im angrenzenden Raum diskutierte.

      »Ich fasse es nicht! Wie konntest du nur?«, hörte Jakob den Vorwurf einer Frau hinter dem Vorhang, der den Gastraum vom Hinterzimmer trennte.

      »Sollte ich sie abweisen?«, kam es von dem Mann zurück und seine Stimme wirkte unterwürfig und verzweifelt.

      »Du weißt, dass ich solches Pack nicht dulde!«

      »Es waren Soldaten Napoleons. Ich hätte sie beleidigt, wenn ich sie wegen ihres Gefangenen weggeschickt hätte.«

      »Das ist mir gleich. Ich will keine Kriminellen hier haben. Die sollen ihre Verbrecher woanders unterbringen. Hättest sie ja zur nächsten Herberge schicken können!«

      »Aber Sophie, sie waren müde und hungrig.«

      »Das ist nicht unser Problem. Soll Napoleon doch ein Gefängnis in der Nähe Lyons bauen. Dann schleppen mir seine Soldaten dieses Lumpenpack nicht mehr in die Stube.«

      Jakob horchte auf. In der Nähe liegt ein Gefängnis? Ist es möglich, dass der Findungszauber mich dorthin führt? Garantiert gibt es dort genug Menschen, die den Tod verdienen.

      Die Stimmen entfernten sich, sodass Jakob nichts Weiteres erfuhr. Nachdenklich löffelte er den Rest des Breis aus.

      Wenn der Zauber auf einen Häftling hinweist, muss ich einen Weg in das Gefängnis finden. Ich eigne mich nicht zum Wärter. Das sieht man von weitem. Ob ich dort als Arzt eine Anstellung bekomme?

      Als er beim Herbergsvater Unterkunft und Verpflegung bezahlte, nutzte er die Gelegenheit, beiläufig nachzufragen. »Ich hörte, dass es in dieser Gegend ein Gefängnis gibt.« Sein Gegenüber begann zu husten, als habe er sich verschluckt. Jakob empfand kein Mitleid. Er bohrte weiter und übertrieb dabei maßlos. »Wo befindet es sich? Ich möchte auf meiner Reise lieber einen Bogen um diesen Ort machen. Nicht auszudenken, was passieren könnte, sollte dort jemand fliehen.«

      Mit hochrotem Kopf räusperte sich der Mann ein letztes Mal und nickte. »Du musst dich nicht sorgen. Das Gefängnis liegt hinter Valence, über zwei Tagesmärsche von hier entfernt. Da läufst du keinem so schnell in die Arme.«

      In Jakob breitete sich ein Hochgefühl aus. Den Wegweisern nach zu urteilen, die er am vergangenen Tag immer wieder studiert hatte, lag Valence in südlicher Richtung. Das musste es also sein. Er hatte das Rätsel um sein Ziel gelüftet. Der Rest würde sich ergeben.

      Er nahm das Wechselgeld entgegen, dankte und wünschte dem Herbergsvater einen schönen Tag. Für ihn gestaltete sich bereits dieser Morgen als wunderbar, obwohl er nun wusste, dass seine Reise noch mindestens zwei Tage dauerte.

      Tatsächlich zeigte sich Gott barmherzig mit Jakob und schickte ihm ein Fuhrwerk, das einem Händler gehörte, der Waren in Valence verkaufen wollte. Er ließ Jakob mitfahren und stellte sich als Pierre vor.

      »Wohin soll es denn gehen?«, fragte er.

      »Ebenfalls nach Valence.«

      »Geschäfte?«

      »Nicht direkt. Ich hoffe, dort oder in der umliegenden Gegend einen Bekannten zu finden. Ich benötige seine Hilfe«, erklärte Jakob.

      Pierre nickte verstehend. »Ein großer Bekanntenkreis ist viel wert«, meinte dieser tiefsinnig und Jakob stimmte ihm zu. »Was soll er denn für dich tun, Loup?«

      »Ach«, antwortete Jakob und schüttelte bedauernd den Kopf. »Er soll für mich Fürsprechen. Ich bin Arzt.« Er überließ es Pierre, sich darauf einen Reim zu machen.

      »Ein guter Arzt findet überall Arbeit. Sorge dich nicht.«

      »Da

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