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den Kopf über die beiden.

      »Du hast es also auch bemerkt.« Jonah schien nicht sonderlich überrascht, eher belustigt.

      »Es war schließlich nicht zu übersehen. Außerdem handeln all seine für dich geschriebenen Songs von ihr«, meinte ich schulterzuckend und lächelte. Es war offensichtlich, dass Mark total in Beth verschossen war. Und das nicht erst seit gestern.

      Jonah stutzte und runzelte die Stirn. »Das ist mir ehrlich gesagt bisher noch gar nicht aufgefallen«, bemerkte er nachdenklich und starrte hinaus in die Wildnis.

      »Wieso schreibst du keine eigenen Lieder mehr, Reeves? Früher konntest du das doch ganz gut.«

      Jonah lachte überrascht auf. »Konnte ich das?«

      »Das, was ich gelesen und gehört habe, war zumindest nicht schlecht«, erwiderte ich schulterzuckend, versuchte bewusste jedoch nicht allzu beeindruckt zu klingen. Ich wollte sein ohnehin schon großes Ego nicht zusätzlich pushen.

      »Nicht schlecht?« Er grinste schief und versuchte gekränkt zu wirken. Es gelang ihm jedoch nicht.

      »Es war…« Ich seufzte nachdenklich und versuchte das richtige Worte dafür zu finden. »Ehrlich.«

      Jonahs Grinsen verschwand augenblicklich. »Tja! Vermutlich ist genau das der Grund, warum ich nichts mehr schreibe.«

      Ich runzelte die Stirn. »Weil du sonst hättest lügen müssen?«

      Jonah schüttelte den Kopf. »Weil ich sonst über etwas geschrieben hätte, wovon ich keine Ahnung habe.«

      »Du meinst, so etwas wie Liebe?«, neckte ich ihn und versuchte mir das Lächeln zu verkneifen.

      »Dünnes Eis, Schneewittchen. Sehr dünnes Eis«, knurrte Jonah rau und durchbohrte mich mit seinen moosgrünen Augen.

      »Wieso? Weil es die bittere Wahrheit ist?«, fragte ich dennoch nicht ganz ernst gemeint, traf damit jedoch offensichtlich und unbewusst ins Schwarze.

      Jonahs Blick wurde hart. »Du weißt überhaupt nichts von meiner Wahrheit.« Bereits als die Worte seine Lippen verließen, bereute er sie auch schon wieder. Und noch ehe ich fragen konnte, was er damit meinte, mied er meinen Blick und starrte angespannt zu Boden. »Ich muss jetzt zum Crew-Meeting. Wenn du willst, kannst du mitkommen. Oder aber du schaust dir ein wenig die Gegend an. Ganz wie du willst. Ich vertraue dir, dass du keinen Blödsinn anstellst.«

      Jonah verschwand, ohne mich auch nur einmal anzusehen oder mir zu erklären, was auf einmal mit ihm los war. Es war offensichtlich, dass ich mit meiner Vermutung irgendeinen Nerv bei ihm getroffen hatte. Einen scheinbar noch tief schmerzenden Nerv, über den er nicht reden wollte – nicht mit mir und ich fürchtete, auch nicht mit anderen. Daher ließ ich ihn gehen, ohne ihm zu folgen oder ihn zu einer Antwort zu zwingen. Ich hatte nicht das Recht, ihn dazu aufzufordern, mir die Wahrheit zu sagen. Nicht wenn ich ihm ständig weiszumachen versuchte, wir wären keine Freunde und würden es auch nicht mehr so schnell wieder werden.

      Aus diesem Grund tauchte ich diesmal auch nicht beim Crew-Meeting auf. Stattdessen tat ich tatsächlich das, was Jonah vorschlug – ich schaute mir die Gegend an. Mit ordentlichen Wanderschuhen und einer dicken Winterjacke ausgestattet, zog ich durch die Kleinstadt in den tiefen Wäldern Alaskas und genoss die eisige Kälte, die meine Lungen füllte. Ich musste unbedingt den Kopf freibekommen und eine Weile allein sein. Das Konzert später am Abend würde ich mir daher ebenfalls nicht anschauen. Ich brauchte Abstand zu all dem Lärm und den vielen Menschen, die meinen ehemaligen besten Freund so sehr verehrten, dass sie sich stundenlang in Eiseskälte anstellten, nur um ihn einmal live zu erleben. Das alles war noch immer schrecklich unwirklich für mich. Wahnsinn! Ben hätte es geliebt. Mich jedoch schreckte es nach wie vor ab, genauso wie es mich gleichzeitig faszinierte. Vielleicht machte es mir deswegen so sehr Angst…

      Als ich nach Stunden zurückkam, wartete Jonah bereits auf mich in unserem Hotelzimmer. Das Konzert musste erst vor wenigen Minuten zu Ende gegangen sein, daher wunderte es mich, dass er schon zurück war. Normalerweise nahm er sich danach noch etwas Zeit für seine Fans. Heute scheinbar weniger als sonst.

      »Willst du immer noch an meiner Wahrheit teilhaben, auch wenn es nur ein kleiner Teil davon ist, Schneewittchen?«, empfing Jonah mich mit ernster Miene und bedrücktem Ton in seiner Stimme, noch ehe ich meine Wintersachen ausziehen und erklären konnte, wo ich die ganze Zeit gesteckt hatte. Es schien ihn nicht einmal zu interessieren. Oder aber er wusste ganz genau, dass ich draußen war und die Kälte genoss. So gut kannte er mich schließlich noch immer.

      Was mich allerdings beunruhigte, war die Tatsache, dass er rastlos wirkte. Etwas, das ich von Jonah nicht kannte. »Zieh dich an, ich zeig dir etwas«, sagte ich daher auffordernd, statt ihm seine Frage zu beantworten.

      Jonah runzelte die Stirn und musterte mich einige Sekunden, bevor er zu Jacke und Boots griff und sich schließlich anzog.

      »Also? Wo gehen wir hin?«, fragte er irgendwann, als wir nach einer Weile etwas außerhalb der Stadt einen kleinen Hügel hinauf liefen.

      »Sei nicht so ungeduldig, Reeves. Du wirst es gleich sehen.« Ich verkniff mir ein Lächeln und warf ihm einen kurzen Blick zu.

      »Mach es doch nicht so spannend, Schneewittchen«, erwiderte er breit grinsend und sah dabei wie immer umwerfend aus. Genau wie früher einst. Mit dem kleinen Unterschied, dass er keine 19 mehr war und weitaus erwachsener wirkte. Vor allem der fein getrimmte Dreitagebart ließ sein Gesicht kantiger und deutlich männlicher wirken. Jonah sah wahnsinnig gut aus. Heiß war vermutlich das richtige Wort, um ihn zu beschreiben. Doch daran wollte ich lieber nicht denken. Ich war nur froh, dass die beunruhigende Rastlosigkeit aus seinem Gesichtsausdruck verschwand.

      »Wieso nennst du mich eigentlich immer so?«, fragte ich neugierig, um meinen Gedanken zu entfliehen.

      Jonah grinste erneut. »Sagte ich das nicht bereits? Du erinnerst mich an sie.«

      »Schneewittchen hatte aber sicherlich keine Sommersprossen«, widersprach ich kopfschüttelnd und musste lachen.

      »Nein. Dafür aber dunkle, lange Haare und das makellose, hübsche Gesicht mit den großen, wunderschönen Augen.«

      Ich seufzte. »Sag bitte so etwas nicht.«

      Jonah wirkte ehrlich verwundert. »Wieso? Ich habe dir schließlich auch früher immer gesagt, wie schön du bist. Daran hat sich nichts geändert, Sommersprosse. Ganz im Gegenteil sogar.«

      Ich schluckte schwer und blieb stehen. Es stimmte. Jonah hatte es mir früher immer wieder gesagt, hatte nie einen Hehl daraus gemacht oder es abgestritten. Er war immer ehrlich zu mir. Nun ja… zumindest was dieses Thema betraf, war er das.

      »Wir sind da«, sagte ich atemlos, ohne weiter auf seine Erklärung einzugehen.

      Jonah sah sich um und blieb ebenfalls stehen. Wir waren auf dem höchsten Punkt der kleinen Stadt angelangt, inmitten von dichten, riesigen Kiefern und Fichten, die Lichter des Städtchens direkt unter uns, der gigantische Mond über uns. »Warst du vorhin etwa die ganze Zeit hier, als ich auf der Bühne stand?«, fragte Jonah flüsternd, beinahe andächtig und ließ mich erneut lächeln.

      »Es ist schön, nicht wahr?«

      »Das ist unglaublich schön.« Jonah ließ sich auf den eiskalten Waldboden fallen und zog die Knie an seinen Körper, um sich aufrecht hinzusetzen. Ich tat es ihm gleich.

      »Ich dachte, du brauchst das auch mal. Ein bisschen Abstand«, gestand ich leise und legte mein Kinn auf einem meiner Knie ab, während wir beide hinunter zur Stadt und ihren Lichtern starrten.

      Eine ganze Weile war es so still um uns und niemand sagte ein Wort. Es war nicht nötig. Doch irgendwann hörte ich Jonah tief Luft holen, ehe er die Worte sprach, die scheinbar seit einer halben Ewigkeit seine Kehle zuschnürten: »Emilia hat mich hintergangen.«

      Zuerst dachte ich wirklich, ich hätte mich verhört oder es mir nur eingebildet. Doch als ich Jonah ansah, begriff ich, dass er das gerade tatsächlich

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