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denn ich erkannte die leichte Ähnlichkeit zu Gracey, die auf meinem Schoß plötzlich zu zappeln begann, als sie ihre Mutter entdeckte.

      »Du musst Annie sein«, sagte Emilia mich abschätzig musternd, was mich schrecklich nervös machte. Nicht nur, weil ich nicht wusste, was sie über mich denken musste. Sondern besonders deswegen, weil ich wusste, wie wichtig sie Jonah einmal war. Oder noch immer ist, sicher war ich mir da nämlich nicht. Gefühle verschwanden schließlich nicht einfach so von heute auf morgen. Das wusste ich wohl am allerbesten. Und so wie mich Emilia in diesem Moment ansah, wusste ich ebenso, sie musste Jonah noch immer lieben. Genau wie ich.

      »Ich wollte mich nur noch einmal von ihr verabschieden«, rechtfertigte sich Graceys Mutter mit bitterem Lächeln. Dabei sollte ich eigentlich diejenige sein, die sich ihr gegenüber rechtfertigen sollte. Ich war der Eindringling in diesem Haus, in dieser Familie. Ich war diejenige, die nicht hier sein und ihre Tochter im Arm halten sollte.

      Ich versuchte zu lächeln und stand auf, um ihr Gracey zu reichen. »Natürlich. Es ist schließlich deine Tochter«, sagte ich mit leicht bebender Stimme und wollte am liebsten im Erdboden versinken, so sehr schämte ich mich dafür, hier zu sein, während Jonah Emilia, die Mutter seiner Tochter, regelrecht aus seinem Haus warf. Die Situation war mir so unangenehm, wie es eine Situation nur sein konnte und ich hasste Jonah in diesem Moment dafür. Dafür, dass er mich mit Emilia allein ließ und auch dafür, dass er ihr das antat. Dieser seltsame Deal, den sie miteinander hatten, war völlig absurd und ihr gegenüber nicht fair. Emilia tat mir leid, so von ihm behandelt zu werden und das bewies mir nur wieder einmal, dass er sich in dieser Hinsicht zumindest kein bisschen geändert hatte.

      Emilia drückte ihre Tochter an sich und küsste sie liebevoll auf die Stirn, während sie mich mit einem merkwürdigen Blick musterte. Einem Blick, den ich nur allzu gut kannte. Denn genau mit diesem Blick sah ich immer all die Mädchen an, die Jonah mit nach Hause nahm. Ich beneidete sie um die Zeit, die sie mit ihm verbrachten und um alles, was er mit ihnen anstellte. Egal, ob er sie nur küsste oder weitaus mehr. Ich beneidete sie um jede seiner Berührungen, jeden seiner Blicke, mit denen er sie ansah. Doch weshalb sollte mich ausgerechnet Emilia beneiden? Es gab keinen Grund dafür. Keinen, außer dem, dass ich bleiben durfte, während sie gehen und ihre Tochter hier lassen musste.

      »Ich wusste schon immer, dass du der Grund warst. Auch wenn er es nie zugeben wollte«, wisperte sie so leise, dass ich es beinahe nicht verstanden hätte. »Pass gut auf ihn auf, Annie. Jonah hat ein Happy End verdient.« Mit diesen Worten hauchte sie Gracey einen letzten Kuss auf die Wange und gab sie an mich weiter, bevor sie sich mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen umdrehte und verschwand.

      Ich blieb mit Gracey auf meinem Arm zurück und starrte ihr noch eine Weile hinterher, auch wenn sie schon lange nicht mehr zu sehen war. Was zum Teufel meinte sie, ich war der Grund? Für was oder wen? Ich verstand nicht, was sie mir damit sagen wollte. Oder ich wollte es einfach nicht verstehen, weil ich Angst hatte, dass es die Wahrheit sein könnte. Doch das war unmöglich. Es musste unmöglich sein!

      »War sie etwa hier draußen?«, hörte ich Jonah fragen, als er aus dem Haus raus in den Garten zu Grace und mir ging und mich besorgt musterte. Er schien zu merken, dass ich aufgewühlt war und legte daher den Kopf leicht schief, um mich so besser betrachten zu können. »Was hat sie zu dir gesagt?«

      »Nichts. Sie hat nichts gesagt.« Ich schluckte all meine wirren Gedanken hinunter und gab ihm Gracey.

      Jonah glaubte mir kein Wort. »Sicher? Du wirkst nämlich ein wenig verstört.« Vermutlich war ich das tatsächlich. Doch das würde ich niemals vor ihm zugeben. Nicht, wenn ich mir nicht sicher war, was Emilia mir mit ihren Worten hatte sagen wollen. War es wirklich das, was ich dachte, was es war?

      Verunsichert sah ich zu Grace und ihrem Vater. »Ich finde es falsch, was du mit Emilia machst. Das ist alles.«

      Jonah hob eine Augenbraue. »Falsch? Du weißt doch überhaupt nichts darüber, Schneewittchen. Wie willst du das also beurteilen können?«

      »Beth hat mir von eurem seltsamen Deal erzählt. Ich weiß, dass sie jedes Mal gehen muss, sobald du zuhause bei Gracey bist.«

      Jonah lachte amüsiert auf. »Und du glaubst dadurch zu wissen, was falsch und was richtig ist?«

      Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie wollte nicht gehen, Jonah. Ich hab es ihr angesehen. Emilia wollte Gracey nicht allein lassen.«

      »Gracey ist nicht allein. Ich bin hier. Ich, ihr Vater«, erwiderte Jonah barsch und wirkte mit einem Mal ziemlich verärgert. Was war bloß los zwischen ihm und seiner Ex? Was war damals passiert und weswegen hatten sie sich wirklich getrennt? Mittlerweile glaubte ich nicht mehr an Beths Theorie, es hätte einfach nicht gepasst mit den beiden. Da schien mehr gelaufen zu sein. Die Frage war nur, was.

      »Ich finde, es ist ihr gegenüber nicht fair. Sie ist schließlich ihre Mutter.«

      Jonah lachte erneut auf. Doch diesmal klang er weniger amüsiert als verbittert. Vielleicht sogar ein wenig enttäuscht. Weswegen, verstand ich jedoch nicht. »Du bist noch immer manchmal ganz schön naiv, Schneewittchen. Ist dir das bewusst?«, fragte Jonah, ohne eine Antwort zu verlangen, die ich ihm ohnehin nicht liefern konnte. Denn seine Worte taten unerwartet weh. Nach all den Jahren schaffte er es wieder mit Leichtigkeit, mich vor den Kopf zu stoßen und mich dumm fühlen zu lassen. So dumm wie damals. Als ich dachte, er würde mich genauso lieben wie ich ihn, nachdem er in unserer letzten gemeinsamen Nacht mit mir geschlafen hatte.

      In dieser Hinsicht hatte Jonah scheinbar Recht. Ich war naiv. Naiv zu glauben, er würde seine Versprechen halten können…

      Sieben Jahre zuvor

      »Annie, hör endlich auf zu schmollen. Mir fällt das alles doch auch nicht leicht.« Ben versuchte mich seit Tagen auf andere Gedanken zu bringen und mich zu trösten, nachdem wir aus Underwood weggezogen waren und nun bei Tante Claire lebten. Dabei hatte er keine Ahnung, was mich zurzeit wirklich belastete. Es war nicht der Umzug selbst oder die mir noch fremde Umgebung, in der ich plötzlich lebte. Es war etwas vollkommen anderes.

      »Hat Jonah sich schon bei dir gemeldet?«, fragte ich meinen Bruder vorsichtig und hoffte, mich dadurch nicht zu verraten.

      »Wir haben vorhin miteinander telefoniert. Wieso fragst du?« Ben schmunzelte, als würde er es längst ahnen. Dabei hatte ich nie mit ihm über meine Gefühle für Jonah gesprochen. Bis heute nicht.

      »Nur so«, erwiderte ich daher schulterzuckend und wollte hinaus in den Garten gehen, damit Ben meine aufsteigenden Tränen nicht sah. Es tat weh zu wissen, dass Jonah mit meinem Bruder Kontakt hatte, sogar mit ihm telefonierte, während er mir nicht einmal eine beschissene Nachricht geschickt hatte, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Es tat unbeschreiblich weh!

      »Annie?« Ben hielt mich auf und sah mich prüfend an. »Ist wirklich alles in Ordnung?«

      »Sicher«, beschwichtigte ich und starrte gebannt auf meine Schuhspitzen, um Ben nicht in die Augen sehen zu müssen. Ich wusste, darin konnte er mehr lesen als mir lieb war.

      »Du verschweigst mir doch irgendetwas«, meinte er dennoch skeptisch und hob mein Kinn sanft nach oben, damit ich ihn anschaute. »Ist irgendwas passiert, von dem ich nichts weiß?«

      Ich log. »Nein. Nichts.«

      »Wieso bist du dann so seltsam, seitdem wir in Greenfield sind?«, wollte Ben wissen und versuchte mich zu durchschauen.

      »Das alles ist nur so ungewohnt. Die neue Stadt, neue Menschen. Und dieses Haus von Tante Claire. Das ist so anders als…«

      »Du vermisst Jonah, nicht wahr?«, unterbrach Ben mich, ehe ich meine Ausrede vollenden konnte.

      Hart schluckend zuckte ich mit den Schultern, nickte dann aber sachte. »Du etwa nicht?«

      Ben lächelte verstehend. »Natürlich fehlt er mir auch.«

      Seufzend ließ ich

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