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dass sich sein Freund in Bewegung setzte.

      Matthias Weigand zögerte. Sah hinüber zu Daniel. Wenn möglich, war er noch blasser, die Ringe um seine Augen waren noch tiefer geworden. Langsam kam er zur Tür. Vor Daniel blieb er noch einmal stehen. Suchte nach Worten. Vergeblich.

      »Wenn dir das nicht gelingt, werden sich unsere Wege trennen.« Dieser Satz fiel Dr. Norden nicht leicht. Aber er musste sein. »Zumindest die beruflichen«, fügte er hinzu, um seinen Worten ein wenig ihrer Schärfe zu nehmen.

      Vergeblich. Wie unter einem Peitschenhieb zuckte Matthias Weigand zusammen. Ohne ein weiteres Wort lief er aus dem Zimmer.

      Ganz so, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.

      *

      Im Bauch der Klinik rumorte es schon eine Weile, als Milan Aydin aus bleischwerem Schlaf erwachte. Im Zimmer war es stockfinster. Nur durch den Spalt in der Tür fiel ein Streifen Licht. Er setzte sich im Bett auf und prallte zurück. Im nächsten Moment sah er Sternchen.

      »Verdammter Mist!«, fluchte er und presste die Hand an die Stirn. »Welcher Idiot hat Stockbetten erfunden?« Erst jetzt kam er auf die Idee, auf den Lichtschalter zu drücken. Die Deckenlampe flammte auf. Es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen an das gleißende Licht gewöhnt hatten.

      Schließlich schwang er die Beine über die Bettkante und angelte sich den Rollstuhl. Ein Schwung, eine Drehung und schon landete er auf dem Sitzpolster. »Und jetzt erst einmal ein schönes Frühstück im ›Allerlei‹.«

      Der Kiosk in der Ladenzeile der Klinik war nicht nur ein Anziehungspunkt für Patienten, Pflegepersonal und Ärzte. Auch kerngesunde Menschen, die nichts mit der Klinik zu tun hatten, kamen vorbei, um Kaffee- und Teespezialitäten und den besten Kuchen der ganzen Stadt zu genießen. Oder lag die Beliebtheit des Kiosks in seiner Lage begründet? Schließlich gab es sonst keine Gelegenheit in der Stadt, seinen Kaffee unter Palmen in der Nähe eines Wasserfalls zu genießen.

      Auch Milan schätzte diese besondere Atmosphäre. Und war selbst an diesem frühen Morgen nicht allein mit dieser Leidenschaft, wie er feststellen musste. Schon von Weitem hörte er das Summen der Stimmen. Vor dem Kiosk ging es zu wie einem Bienenstock. Es herrschte ein Kommen und Gehen. Stühle wurden gerückt, Geschirr klapperte. Über allem lag ein Duft nach Vanille und Kaffee. Milan sah sich um. Es war zum Haareraufen. Alle Tisch waren besetzt. Seine Laune näherte sich dem Nullpunkt, als er eine Stimme hörte, die sein Herz höher schlagen ließ. Egal, wie sehr er sich auch dagegen wehrte. Mit einer geschickten Bewegung brachte er den Rollstuhl dazu, sich umzudrehen.

      »Hier ist noch Platz.« Nicht weit entfernt von ihm saß Muriel an einem Tisch und lachte zu ihm herüber. »Einen Stuhl brauchst du ja nicht.«

      »Es geht doch nichts über einen Happen Ecstasy zum Frühstück«, entfuhr es Milan, nachdem er sich einen Weg durch die Stühle gebahnt hatte.

      Das Lachen blieb Muriel im Hals stecken.

      »Du meine Güte. Hast du auf einer Boxerzeitung geschlafen?« Sie deutete auf den roten Fleck auf seiner Stirn.

      Milan überging diese Frage geflissentlich.

      »Was zum Teufel machst du hier? Du gehörst ins Bett.«

      »Herumliegen und Löcher in die Luft zu starren, das ist nicht mein Ding«, erwiderte Muriel und schob ihm ihren Teller hin. »Ein Croissant? Die sind wirklich lecker.«

      »Das, was ich jetzt brauche, ist ein dreifacher Espresso.« Er hob die Hand und rief die Kellnerin herbei, die seine Bestellung aufnahm. »Und danach bringe ich dich in die Radiologie«, verkündete er, als sie wieder allein waren.

      Er sah Muriel dabei zu, wie sie ein Stück Croissant abriss und im Milchkaffee badete, ehe sie es in den Mund schob. Er war versucht, ihr den Brösel aus dem Mundwinkel zu küssen. Zum Glück war sein Verstand hellwach.

      Muriel lachte.

      »Tut mir leid, wenn ich dich enttäusche. Aber ich habe hier nichts mehr zu tun. Nach dem Frühstück packe ich meine Sachen und verschwinde von hier.«

      Gut, dass Aydin in seinem Rollstuhl saß. Andernfalls wäre er vermutlich umgefallen vor Schreck.

      »Was denn? Du willst dich aus dem Staub machen? Einfach so?«

      Muriel streckte die Hand aus und strich über Milans stoppelige Wange.

      »Verlieb dich nicht in mich!« Mit diesen Worten schob sie den Teller von sich und stand auf.

      Als Milan sich nach ihr umdrehte, war sie zwischen den anderen Besuchern untergetaucht.

      *

      Schon auf dem Flur hörte Dr. Weigand Stimmen. Weibliche Simmen. Eine davon gehörte zweifellos Sophie. Das erkannte sein Herz eher als sein Verstand. Wie auf Kommando begann es schneller zu schlagen. Ein kurzes Klopfen, und er trat ein. Schlagartig verstummten die Stimmen.

      »Guten Morgen, die Damen«, begrüßte er Nina und Sophie, die ihre Tochter Lea auf dem Arm hatte.

      Als die Kleine den Mann sah, der ein paar Monate lang ihr Stiefvater gewesen war, lachte sie übers ganze Gesicht und streckte die Ärmchen nach ihm aus.

      Tränen stiegen ihm in die Augen.

      »Hallo, du kleiner Spatz. Wie geht es dir?« Matthias konnte nicht widerstehen und nahm sie auf den Arm. Ein Duft nach Milch und Babycreme stieg ihm in die Nase.

      »Grrrrdadadabababa«, brabbelte Lea und patschte auf Matthias’ Wangen.

      Sophie wollte zerfließen vor Rührung. Warum nur waren sie so dumm, dass sie ihr Glück nicht mit beiden Händen festhielten, statt sich um des Kaisers Bart zu streiten?

      »Bababababa«, plapperte Lea.

      Matthias’ Miene wurde abweisend.

      »Nein, mein Schatz. Ich bin nicht dein Papa.« Schnell drückte er einen Kuss auf die Babywange und gab das Kind seiner Mutter zurück.

      Sophie nahm allen Mut zusammen.

      »War die Nacht anstrengend?«, fragte sie mitfühlend. Die Verwunderung in Matthias’ Augen blieb ihr nicht verborgen. Kein Vorwurf? Er konnte es kaum glauben.

      »Könnte man so sagen«, erwiderte er.

      »Du solltest dich ausruhen.«

      Fürsorge? Von ihr?

      »Später. Zuhause wartet ja niemand auf mich. Ich kann mehr schlafen, als mir lieb ist.« Er hatte das nicht sagen wollen. Doch offenbar machte sich der Schlafmangel nun doch bemerkbar. Ehe Sophie Gelegenheit hatte, etwas zu erwidern, wandte er sich schnell an Nina. Schließlich war sie der Grund seines Besuchs.

      »Wir denken, dass hinter deinen Beschwerden ein Insulinom steckt. Dabei handelt es sich um einen gutartigen Tumor der Bauchspeicheldrüse. Sicher sind wir aber noch nicht.«

      Im Augenblick war Nina mit den Gedanken woanders. Nur selten hatte sie ein Paar gesehen, das schon rein optisch besser zusammenpasste als Sophie und Matthias. Und das so offensichtlich noch Gefühle füreinander hatte. Aber war es gut, sich in die Beziehung einzumischen? Nach kurzem Zögern entschied sie sich dagegen und konzentrierte sich auf das Naheliegende.

      »›Tumor‹ klingt nicht gerade optimal«, bemerkte sie. »›Gutartig‹ schon besser. Wie willst du herausfinden, ob du richtig liegst?«

      »Wir haben verschiedene Möglichkeiten.«

      »Die gebräuchlichste Methode ist der sogenannte Hungerversuch.« Sophie nahm ihrem Ex-Freund das Wort aus dem Mund. »Bei diesem Verfahren muss der Patient 72 Stunden fasten. Da dieser Tumor für die vermehrte Produktion von Insulin verantwortlich ist, zeigt er sich durch einen erniedrigten Blutzuckerspiegel«, ratterte sie die Erklärung herunter.

      Von Anfang an hatte sich die Assistenzärztin Sophie Petzold durch ihre neunmalkluge Art bei den Vorgesetzten nicht gerade beliebt gemacht. Matthias wusste nicht mehr, wie oft er deswegen mit ihr aneinandergeraten war. Doch an diesem Morgen schenkte er ihr ein anerkennendes

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