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sagten, auch Pauls Vater: ›Halt dich bloß von dem fern.‹ Die Eltern spürten instinktiv, dass von mir Ärger zu erwarten war. Im Gymnasium war ich ein echter Versager. Deshalb legte mir der Schulleiter nahe, an die Kunstschule zu wechseln. Er beteuerte: ›Wenn John da nicht hingeht, kann er gleich einpacken.‹ Er arrangierte es, dass ich auf die Kunstschule kam. Fünf Jahre war ich dort und habe wieder versagt. Aber ich habe einen ausgeprägten Sinn für Humor entwickelt, habe einige starke Leute kennengelernt und hatte viel zu lachen.«

      »Ich bin hier, um allen das Licht zu zeigen«

      Selbstfindung zwischen Ehrgeiz, Zweifel und Größenwahn

      Glücklich all diejenigen, die mit ihm lachen dürfen. Dazu gehören ab 1957 seine spätere Frau Cynthia und ab 1960 sein Freund Klaus Voormann. Yoko Ono trifft erst 1966 erstmals mit John zusammen, aber niemand beschreibt so einfühlsam wie die verliebte Japanerin die Wirkung seiner Präsenz: »Er war ein viel attraktiverer Mann als derjenige, den man von Fotos oder von Filmen her kennt. Seine Haut war sehr glatt, zart und weich, sein Haar seidig und rötlich-blond: Wenn das Licht auf bestimmte Art darauf fiel, schimmerte es wirklich rot. Ich neckte ihn und sagte: ›Du bist ein Rotschopf!‹ Er erwiderte: ›Niemals!‹ Aber die Art, wie er lachte, machte deutlich, dass er das nicht zum ersten Mal hörte. Als er sich den Bart wachsen ließ, war er unübersehbar vorwiegend rot. John hatte drei kleine, aber deutliche Muttermale in der Mitte seiner breiten Stirn. Das erste war oben am Haaransatz, das letzte gut sichtbar da, wo sich ›das dritte Auge‹ befindet.

      Von Buddha sagt man, er habe ein Muttermal in der Mitte der Stirn gehabt. In der orientalischen Lehre gilt das als ein Zeichen großer Weisheit. Ich sah in Johns wohlgeformtem, länglichem und klar konturiertem Gesicht Ähnlichkeiten mit einer Kabuki-Maske. Es war ein Gesicht, wie man es in Shakespeare-Stücken erwarten könnte. John bewegte seinen Körper mit einer bestimmten Leichtigkeit, die seinen Gesten etwas Würdevolles verlieh. Er war noch keine dreißig Jahre alt, als ich ihn traf. Ich war acht Jahre älter. Aber ich empfand ihn nie als jünger. Wenn man in seiner Nähe war, spürte man eine starke geistige Präsenz, die von ihm ausging, die zu gewichtig für einen jungen Menschen zu sein schien. Manche Menschen werden alt geboren. Das war John«, schreibt Yoko Ono 1998 in der Einleitung des Begleitbuches zur vier CDs umfassenden »John Lennon Anthology«, auf der bis dahin unveröffentlichte Aufnahmen zu hören sind.

      Die mit John Lennon lachen dürfen, strahlen ihrerseits Besonderheiten aus. Meine Begegnungen mit Cynthia Lennon, May Pang, Yoko Ono und Klaus Voormann sind geprägt von einmaligen Auftakt-Impressionen. Bei Cynthia bleibt die sich augenblicklich einstellende umsorgende und mütterliche Art nachhaltig in Erinnerung. Das hat mit ihren sanften Gesichtszügen, der entsprechend nachfragenden und fürsorglichen Mimik und ihrer weichen Stimme zu tun. Bei May ist es eine überwältigende Herzlichkeit: Beim Foto schmiegt sie sich an mich. Und Yoko schreibt mir nach einer Podiumsdiskussion, in die ich mich vom Publikum aus einschaltete in ihr Buch »Grapefruit«: Saw you much in love. Ich war tatsächlich gerade frisch verliebt und zugleich begeistert von Yokos Auftritt. Bei Klaus ist es die Unkompliziertheit und die ad hoc hergestellte Nähe schon beim allerersten Willkommensgruß, als er an einem heißen Sommertag den Kopf aus seinem Atelierfenster streckt und »Komm rauf!« ruft.

      For goodness sake, I’ve got the hippy hippy shakes! Als der junge Berliner im so nicht mehr existierenden Hamburger Kellerloch namens »Kaiserkeller« die Liverpooler zum ersten Mal sieht, fällt er beinahe vom Hocker. Er ist sofort infiziert, diese Musik, diese Band und diese Menschen sind fortan sein Leben. Betrunken macht er mit dem Bandleader die Reeperbahn unsicher, oder sie ihn. Die beiden trinken in einer Samstagnacht bis zum Umfallen, bleiben aber dank Preludin-Tabletten aufgedreht und torkeln noch weiter in den Sonntagmittag hinein durch St.-Pauli. Als sie sich in einem Pornoclub vor Lachen kugeln, statt den Ladenbesitzer zu bereichern, schmeißt er sie hinaus, woraufhin John auf der Straße liegend Klaus prustend zu erklären versucht, warum sein deutscher Kumpel so weich liegt. »Meine sanfte Landung war kein Wunder, sondern der fette Hintern einer Prostituierten. Seit dieser Hamburger Nacht war klar, dass ich Johns Freund sein würde bis zum bitteren Ende.« Klaus Voormann entwickelt zu allen vier Beatles tiefe und gute Beziehungen, die zu Paul McCartney und Ringo Starr bestehen bis heute weiter. Aber die Verbindung zu John Lennon ist besonders eng, was auch durch die intensive musikalische Zusammenarbeit nach dem Ende der Beatles gefördert wird, wie Voormann in seinem Buch »Warum spielst du ›Imagine‹ nicht auf dem weißen Klavier, John?« betont. »John wird oft als Rebell beschrieben, als ein Mensch, der gern provozierte und sich mit Sarkasmus wehrte. In der Tat genoss er dieses Image, aber es war auch eine Fassade. John war ein hochsensibler, leicht verletzbarer Mensch. Sein Sinn fürs Groteske, seine Ironie, seine Angriffslust waren Ausdruck seiner aufschreienden Seele. Seine Hilflosigkeit veranlasste ihn zu diesen scheinbaren Ausrutschern, zum Nachäffen von Behinderten. Böse gemeint war das nie. Je berühmter John wurde, umso mehr verschwand dieses ohnmächtige Gefühl in ihm, und er wandelte sich vom sarkastischen Rebell zum Friedensbotschafter.«

      Ähnlich empfindet Cynthia Lennon: »Als ich John zum ersten Mal traf, dachte ich – ein grässlicher Kerl. Seine Arbeiten auf der Kunstschule waren innovativ – total anders als die der anderen. Ich war eine Kunststudentin, die sich an die Regeln hielt. John dagegen wollte mit allen Regeln brechen. Deshalb war er so eigenwillig und unausstehlich. John verbreitete Angst um sich. Durch sein Benehmen schüchterte er Leute ein, anfangs auch mich. Er war ein Schläger und überhaupt nicht der Typ, mit dem ich anbandeln wollte. Aber er hatte etwas Geheimnisvolles an sich, dem man nicht widerstehen konnte. Er lief damals immer ohne Brille rum, weil es in Liverpool von Schlägern nur so wimmelte. Die hatten es besonders auf Brillenträger abgesehen. Und weil er nichts sehen konnte, dachte er, er wird angegriffen. Deshalb war er immer im Laufschritt unterwegs.«

      Cynthia Lennon kommt 2005 anlässlich des Erscheinens ihrer Biografie »John« nach München. Wir treffen uns in einem ruhigen Restaurant zum Lunch. Die Pressedame setzt sich weit weg und lässt uns reden. Cynthia Lennon ist mollig, weich und zart und hat eine sanfte Stimme. Sie strahlt etwas Gequältes aus und wirkt doch so, als wüsste sie sehr wohl, wie man das Leben genießt. Wir trinken einen Wein zum Essen, sie lacht viel und versucht mir, über das Buch hinaus, ihren John näherzubringen. Nie bin ich einer mütterlicher wirkenden Frau begegnet. Mit dieser herzlichen Aura muss sie schon ihren Exmann in Watte gebettet haben; mit dieser Geduld und Empathie hat sie versucht, seine vielen Wunden zu heilen. Cynthia und John – Gegensätze, die sich anziehen.

      »Obwohl er aus der Mittelschicht kam, zog er sich wie ein Halbstarker an: die Haare mit Pomade zurückgekämmt, keine Brille, eine Gitarre über der Schulter, und ein Blick, der sagte: ›Töten.‹ Ich glaube, als er seine Mutter verlor – sie starb ein Jahr, bevor ich ihn kennenlernte –, brach für ihn eine Welt zusammen, und damit hatte er zu kämpfen. Er war eine Mischung aus Krieg und Frieden. Es gab viele Kämpfe. Aber schließlich setzte sich der Frieden durch«, beteuert Cynthia in unserem Gespräch im Dezember 2005 im Restaurant des Hotels Le Méridien in München. In der Tat: Der Entwicklungsbogen reicht von den Schlägen, die John als Schüler in Liverpool von seinen Lehrern bekommt, über die Schläge, die er als Jugendlicher austeilt, dem Hin- und Hergerissensein zwischen Frieden und Gewalt im vieldiskutierten Song »Revolution« (you can count me out/in) bis hin zum Bekenntnis zur Gewaltfreiheit beim Kampf für den Frieden, beginnend mit dem Bed-in in Amsterdam. Beim gemeinsamen Espresso denke ich, dass Cynthia für John ein Glücksfall war, sie hat ihn in die richtige Richtung gelenkt. Und Yoko hat Johns Einsatz für den Frieden mit ihren Mitteln weitergezogen.

      Im Sommer 1957 kommt der Film »The Girl Can’t Help It« in die Liverpooler Kinos. John Lennons Rock’n’Roll-Idole sorgen für den Soundtrack: Little Richard, Eddie Cochran, Gene Vincent – er sieht sie jetzt nicht mehr als weit entfernte Sterne am Künstlerhimmel, sondern als Wegbereiter für seine künftige Karriere, denn sein Selbstbewusstsein steigt mit jedem Gig. Nicht mehr unerreichbar erscheinen ihm auch die Everly Brothers und sogar Elvis, obwohl er die Tendenz des Kings zu Schnulzen skeptisch beobachtet. Der Beatle pickt sich aus der Masse an Hitproduzenten die Musiker als Vorbilder und Inspirationsquellen heraus, die heute noch durch besondere Originalität in Erinnerung bleiben. Zu ihnen gehören auch die unterschätzten Larry Williams (»Short Fat Fannie«, »Bony Moronie«, »Dizzy Miss Lizzy«), Lloyd Price (»Just

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