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sei­ner Lage noch hun­dert­fach ver­mehrt hat­te.

      Im Lau­fe des Jah­res ward Clay­ton mehr­mals von großen Af­fen an­ge­fal­len. Die­se schie­nen jetzt fort­ge­setzt die Nähe der Hüt­te auf­zu­su­chen. Da er sich aber nie wie­der ohne Ge­wehr und Re­vol­ver hin­aus­wag­te, brauch­te er sich vor den rie­si­gen Tie­ren nicht mehr so zu fürch­ten.

      Da er be­stän­dig für Nah­rung sor­gen muss­te, ging er häu­fig auf die Jagd und auf die Su­che nach Früch­ten. Da­mit nun nicht ein Tier in sei­ne Hüt­te ein­bre­chen könn­te, brach­te er an der Tür einen Holz­ver­schluss an und ver­stärk­te auch den Schutz an den Fens­tern.

      An­fangs konn­te er viel Wild von sei­nem Fens­ter aus schie­ßen, aber all­mäh­lich wur­den die Tie­re scheu und ka­men nicht mehr so häu­fig in die Nähe sei­ner Hüt­te.

      In sei­nen Mu­ße­stun­den las Clay­ton sei­ner Frau oft aus den Bü­chern vor, die er mit­ge­bracht hat­te. Es wa­ren dar­un­ter auch Bü­cher für klei­ne Kin­der, Bil­der­bü­cher, Abc-Bü­cher und Le­se­bü­cher, denn, da er da­mit ge­rech­net hat­te, dass er erst nach ei­ner Rei­he von Jah­ren nach Eng­land zu­rück­keh­ren kön­ne, hat­te er schon dies­be­züg­lich vor­ge­sorgt.

      Zu­wei­len schrieb Clay­ton an sei­nem Ta­ge­buch, das er in fran­zö­si­scher Spra­che führ­te und in das er alle Ein­zel­hei­ten sei­nes selt­sa­men Le­bens ein­trug. Die­ses Buch be­wahr­te er sorg­fäl­tig in ei­nem Me­tall­käst­chen auf.

      Ein Jahr nach der Ge­burt ih­res Soh­nes starb Lady Ali­ce. Sie schied so fried­lich hin­über, dass Stun­den ver­gin­gen, ehe Clay­ton es fas­sen konn­te, dass sei­ne Frau tot war.

      Sei­ne schreck­li­che Lage kam ihm erst lang­sam zum Be­wusst­sein, und es ist zwei­fel­haft, ob er die gan­ze Grö­ße sei­ner Sor­gen und die schreck­li­che Verant­wor­tung, die ihm jetzt für den klei­nen Sohn zu­fiel, voll er­kann­te.

      Die letz­te Ein­tra­gung in sein Ta­ge­buch mach­te er am Mor­gen nach dem Tode sei­ner Frau. Er er­zählt dar­in die trau­ri­gen Tat­sa­chen in ei­nem so schlich­ten Tone, dass da­durch de­ren Wir­kung nur noch er­höht wird. Es liegt dar­über eine müde Stumpf­heit, er­zeugt durch lan­ge Sor­ge und Hoff­nungs­lo­sig­keit, und selbst der letz­te schmerz­li­che Schlag konn­te kaum sein Leid ver­grö­ßern.

      [Brief]

      Mein klei­ner Sohn weint vor Hun­ger. — O Ali­ce, Ali­ce, was soll ich an­fan­gen?

      [/Brief]

      Als Clay­ton die­se letz­ten Wor­te ge­schrie­ben hat­te, soll­te sei­ne Hand nie wie­der die Fe­der er­grei­fen.

      Er leg­te sein mü­des Haupt auf sei­ne aus­ge­streck­ten Arme auf den Tisch, den er für sie an­ge­fer­tigt, die jetzt still und kalt im Bet­te ne­ben ihm lag.

      Im Dschun­gel herrsch­te eine Gra­bes­s­til­le, und sie wur­de nur durch das Wim­mern des klei­nen Kna­ben un­ter­bro­chen …

      Im Wal­de des Ta­fel­lan­des, eine Mei­le vom Ozean, tob­te der alte Affe Ker­schak vol­ler Wut un­ter sei­nem Vol­ke. Die jün­ge­ren und leich­teren Mit­glie­der sei­nes Stam­mes klet­ter­ten auf die hö­he­ren Äste der großen Bäu­me hin­auf, um sei­nem Grimm zu ent­flie­hen. Sie setz­ten lie­ber ihr Le­ben aufs Spiel, in­dem sie sich den schwa­chen Äs­ten an­ver­trau­ten, als dass sie im Be­reich des zor­ni­gen al­ten Ker­schak ge­blie­ben wä­ren.

      Die an­de­ren Männ­chen sto­ben nach al­len Rich­tun­gen aus­ein­an­der, wenn das wut­schäu­men­de Tier ei­nem von ih­nen das Rück­grat zwi­schen sei­nen Zäh­nen zer­bro­chen hat­te.

      Ein un­glück­li­ches jun­ges Weib­chen glitt von dem un­si­che­ren Halt ei­nes ho­hen As­tes her­un­ter und fiel ge­ra­de vor Ker­schaks Füße.

      Mit ei­nem wil­den Schrei stürz­te der Alte sich dar­auf, riss ihm mit sei­nem ge­wal­ti­gen Ge­biss ein großes Stück aus der Sei­te und schlug das arme We­sen mit ei­nem zer­bro­che­nen Ast nie­der.

      Und dann er­späh­te er Kala, die mit ih­rem Säug­ling von der Fut­ter­su­che kam. Sie wuss­te nicht von der Wut des ge­wal­ti­gen Männ­chens, bis sie schließ­lich durch die schril­len Rufe ih­rer Ka­me­ra­den ge­warnt wur­de und nun auch ihr Heil in wahn­sin­ni­ger Flucht such­te.

      Aber Ker­schak war ihr so nahe auf den Fer­sen, dass er sie bei­na­he beim Fuß er­wi­scht hät­te, wenn sie nicht von ei­nem Baum auf einen an­de­ren weit da­v­on­ste­hen­den ge­sprun­gen wäre, — ein Wa­g­nis, das Af­fen nur in der größ­ten Ge­fahr, in der es kei­nen an­de­ren Aus­weg mehr gibt, un­ter­neh­men. Der Sprung ge­lang ihr, aber als sie den Ast des Bau­mes er­fass­te, lo­cker­te sich durch die plötz­li­che Er­schüt­te­rung der Halt des klei­nen Säug­lings, und sie sah, wie die­ser drei­ßig Fuß tief hin­un­ter­fiel.

      Mit lau­tem Brül­len klet­ter­te Kala schleu­nigst hin­un­ter, der Ge­fahr, die ihr von Ker­schak droh­te, jetzt nicht mehr ach­tend, aber als sie das win­zi­ge ver­stüm­mel­te Ding auf­hob, war es schon tot.

      Stöh­nend leg­te sie den Leich­nam ne­ben sich. Ker­schak be­läs­tig­te sie nicht mehr. Mit dem Tode des Klei­nen war der An­fall von teuf­li­scher Wut so schnell ver­raucht, wie er über ihn ge­kom­men war.

      Ker­schak war ein rie­si­ger Kö­nig un­ter den Af­fen; er wog wohl an die drei­hun­dert­und­fünf­zig Pfund. Sei­ne Stirn war au­ßer­or­dent­lich nied­rig und zu­rück­tre­tend, sei­ne Au­gen wa­ren blut­un­ter­lau­fen, schmal und nahe über sei­ner gro­ben fla­chen Nase lie­gend; sei­ne Ohren wa­ren groß und dünn, aber schmä­ler als die sei­ner Art.

      Sein schreck­li­cher Zorn und sei­ne ge­wal­ti­gen Kräf­te hat­ten ihm die Herr­schaft über sei­nen Stamm ver­schafft, dem er vor etwa zwan­zig Jah­ren ent­spros­sen war.

      Da er jetzt im bes­ten Al­ter stand, hät­te kei­ner sei­nes­glei­chen im großen Wal­de, den er durch­streif­te, es ge­wagt, ihm sein Herr­scher­recht strei­tig zu ma­chen. Er wur­de nicht ein­mal von den an­de­ren grö­ße­ren Tie­ren be­läs­tigt.

      Nur der alte Tan­tor, der Ele­fant, fürch­te­te ihn nicht, und vor ihm al­lein hat­te Ker­schak Re­spekt. Wenn Tan­tor trom­pe­te­te, floh der große Affe mit sei­nen Ka­me­ra­den auf die höchs­ten Bäu­me.

      Der Stamm der Men­schen­af­fen, über den Ker­schak mit ei­ser­nen Hän­den herrsch­te, zähl­te sechs bis acht Fa­mi­li­en, von de­nen jede aus ei­nem er­wach­se­nen Männ­chen mit sei­nen Frau­en und Jun­gen be­stand. Es wa­ren im Gan­zen sech­zig bis sieb­zig Af­fen.

      Kala war das jüngs­te Weib ei­nes Männ­chens na­mens Tu­blat, das heißt »ge­bro­che­ne Nase«, und das Kind, das durch den Ab­sturz zer­schmet­tert wor­den war, war ihr ers­tes, denn sie war erst neun oder zehn Jah­re alt.

      Trotz ih­rer Ju­gend war sie groß und stark, ein präch­ti­ges, wohl­ge­bau­tes Tier mit ei­ner run­den, ho­hen Stir­ne, die auf mehr In­tel­li­genz schlie­ßen ließ, als sie die meis­ten ih­rer Art be­sa­ßen. Sie war denn auch ei­ner grö­ße­ren Mut­ter­lie­be fä­hig.

      Aber sie war im­mer­hin ein Affe, ein rie­si­ges, wil­des, schreck­li­ches Tier, das den Go­ril­las nahe ver­wandt war, wenn auch klü­ger als die­se.

      Als die ein­zel­nen Mit­glie­der des Stam­mes

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