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wird.

      Was du

      in zehn Sekunden liest

      kostet mich hier

      eine halbe Stunde!

      Warum? Weil das Thema Beziehungen so bedeutsam ist, dass mir jeder meiner Gedanken billig und oberflächlich vorkommt. Was soll man sagen über ein Thema, über das derart viel geschrieben und philosophiert, komponiert und gesungen, gegrübelt und gestümpert wurde? Na ja, zumindest dieses eine:

      Nichts ist wichtiger auf diesem Planeten als die Liebe.

      Aber sie gestaltet sich schwieriger als gedacht.

      Was die menschliche Spezies wirklich bewegt, kommt in ihren Geschichten zum Ausdruck. Und siehe da – Überraschung! –, fast jede Geschichte, ob am Lagerfeuer erzählt, in Liedern getextet oder als Drehbuch verfilmt, handelt von menschlichen Beziehungen bzw. dem Scheitern derselben. Streich das Thema Liebe aus der Kunst, und du hast nicht mehr viel zu lesen, die Kinos werden geschlossen und deine CDSammlung schrumpft auf Helge Schneider und ein paar Metal-Scheiben zusammen.

      Es ist offensichtlich: In der Liebe scheint die Menschheit die Antwort auf alle Fragen des Daseins zu vermuten. Und das, obwohl wir feststellen, dass es bei der praktischen Umsetzung dieser Erkenntnis einige Schwierigkeiten gibt.

      In Sachen Beziehung liegen Höhenflug und Fall verstörend dicht beieinander. Bei einer Trauung ergreift uns die Romantik der Tatsache, dass hier zwei Menschen das Glück ihres Lebens gefunden haben. Doch schon beim Abendprogramm lachen wir über die beißenden Witze, die über das Joch der Ehe kursieren, und nicken wissend, wenn Woody Allen anmerkt, dass die Ehe der Versuch ist, gemeinsam Probleme zu lösen, die man alleine nicht gehabt hätte.

      Nichts ist so hartnäckig mit Hoffnung und Sehnsucht aufgeladen wie die Liebe.

      Und nichts scheitert mit so bedauerlicher Regelmäßigkeit wie menschliche Beziehungen.

      Paulus sagt, die Liebe sei ewig. Ich hoffe, er hat einen Moment nachgedacht, bevor er diesen Satz schrieb. Denn … wer glaubt das heute noch?

      Vor einiger Zeit lag die Zeitschrift Brigitte auf unserem Esstisch. Warum auch immer. Wir haben kein Abo! Jedenfalls – ich las darin einen Artikel mit dem Titel „Hauptsache nicht allein?“ Die Autorin ließ sich über die vielen unglücklichen Ehen aus, die aufrechterhalten werden, weil Menschen zu feige sind, der Wahrheit ins Auge zu schauen und sich zu trennen, wenn die Liebe erloschen ist. In der Regel nach fünf Jahren sei es nötig, das Glück in einer neuen Beziehung zu suchen. Es sei die Utopie von lebenslanger Liebe, die verhindere, dass wir glücklich werden.

      Der Artikel war brillant geschrieben, schnippisch, witzig … und so furchtbar desillusioniert. „Ich halte viel davon, an die ewige Liebe zu glauben“, schrieb sie. „Wenn’s sein muss, immer wieder.“

      Sollte sie Recht haben, ist die menschliche Sehnsucht nach Liebe dann die Sehnsucht nach etwas, was es nicht gibt?

      Sie gestaltet sich wohl schwieriger als gedacht, die Liebe.

      Und doch ist nichts wichtiger auf diesem Planeten.

      Das ist nicht nur bei der sogenannten „romantischen“ Liebe so. Das betrifft unsere Beziehungen grundsätzlich.

      Beziehungen bilden die Dimensionen, in denen sich unser gesamtes Leben abspielt, in denen sich unsere Identität formt oder verloren geht, in denen wir Sinn finden oder ihn schmerzlich vermissen, in denen wir Heilung erleben oder tiefe Verwundungen davontragen.

      Der Mensch ist ein soziales Wesen.

      Ich bin zum Beispiel immer wieder verblüfft, wie viele Erwachsene, obwohl schon 40 Jahre alt, noch von Selbstzweifeln geplagt sind, nur weil sie sich mit vier oder vierzehn nicht geliebt fühlten. Manchmal bilde ich mir ein: Es geht allen so!

      Immer wieder bin ich erstaunt, welche Lebenskraft anerkennende Worte in ein trauriges Menschenherz hauchen können. Mach einem Menschen ein Kompliment und du hast ihm den Tag und manchmal das Leben gerettet. Erstaunlich ist aber auch, welch selbstzerstörerische Unternehmungen Leute auf der anderen Seite in Kauf nehmen, um von der Welt geliebt zu werden und Applaus zu bekommen.

      Und immer wieder kapiere ich neu: Wir Menschen wissen erst im Zusammenleben mit anderen, wer wir selber sind. Allein sein bringt uns auf Dauer um. Sollte ich – durch eine unselige Verkettung von Ereignissen – jemals in Einzelhaft kommen, werde ich wohl verstehen, warum diese Art der Unterbringung eine Strafverschärfung und keine Bevorzugung ist.

      Der Mensch ist ein soziales Wesen.

      Beinahe alles, was das Leben ausmacht, lässt sich in den Dimensionen von Beziehungen beschreiben. Partnerschaft und Familie sowieso. Aber auch Karriere und Arbeit haben ohne Beziehungen keinen tragenden Wert an sich. Wäre ich allein auf der Welt, hätte ich wenig Lust, ein Buch zu schreiben, ein Elektrokabel zu verlegen oder mein Haus zu streichen. Es gäbe niemanden, für den ich das tun könnte, und damit wäre es nahezu sinnlos. Und meine Freizeit? Welchen Spaß bringt ein Tennisschläger, wenn man allein ist, oder eine Briefmarkensammlung, wenn man sie niemandem zeigen kann?

      Sogar die großen drei, die laut Volksmund die Welt regieren – Sex, Macht und Geld; die großen drei, die die zentralen Triebfedern des Lebens zu sein scheinen – sie würden in Vergessenheit geraten. Denn alle drei beziehen sich auf andere Menschen. Ja, auch das Geld.

      Beziehungen, alles dreht sich um Beziehungen.

      Nichts ist wichtiger.

      Doch die Sache ist schwierig.

      Wir sind zum Glück nicht allein auf diesem Planeten, doch wir Menschen kommen unterm Strich nicht gut miteinander klar. Besser gesagt, es läuft miserabel! Und wir alle wissen das.

      Würde das mit der Liebe nur halbwegs zufriedenstellend laufen, wir würden diese Welt nicht wiedererkennen. Neun von zehn Psychotherapeuten müssten ihre Praxis schließen, Scheidungsanwälte würden umschulen, die Polizei würde nur noch den Verkehr regeln und im Geschichtsunterricht würden die Schüler verständnislos den Kopf schütteln, wenn man ihnen erzählte, dass es Zeiten gab, in denen Kriege die Welt zerrütteten.

      Leider ist es nicht so – im Gegenteil.

      Und selbst dann, wenn wir auf eine der Ausnahmen stoßen, oder gar selbst eine sind; selbst dann, wenn du auf 50 glückliche Ehejahre zurückschauen kannst; selbst dann, wenn du weißt, was das Wort Freundschaft wirklich bedeutet, weil du Freunde hast, die für dich durchs Feuer gehen würden und du für sie; selbst dann, wenn deine Kinder mit 40 sehr genau wissen, dass sie mit vier und mit vierzehn geliebt wurden – selbst dann haben Beziehungen und Liebe einen letzten Feind.

      Der Tod ist das Ende aller Beziehungen.

      Und das bloße Wissen um seine Existenz reicht aus, um uns in Momenten des gemeinsamen Glücks die Gewissheit in die Seele zu brennen, dass wir am Ende doch

      ganz

      allein sind.

       Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein, Kein Baum sieht den andern, Jeder ist allein.

       Voll Freunden war mir die Welt, Als noch mein Leben licht war; Nun, da der Nebel fällt, Ist keiner mehr sichtbar.

       Wahrlich, keiner ist weise, Der nicht das Dunkel kennt, Das unentrinnbar und leise Von allen ihn trennt.

       Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein.

       Hermann Hesse

      Ja, wer hätte gedacht, dass dieses Buch so traurig macht?

      Bin selbst etwas überrascht.

       LebensDimensionen

      So trübsinnig

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