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zwanghaft darum bemüht gewesen war, sich und ihre Ideen für die Nachwelt festzuhalten. Trotzdem war ihr genau das widerfahren, wovor sie sich mit diesen Bauten womöglich hatte schützen wollen: Sie war untergegangen und vergessen worden.

      »Kann man sich das vorstellen?«, versuchte Tatham zu scherzen. »In so was zu leben? ›Wo wohnst du denn? Im Rübenkopf oder im langen Lulatsch?‹«

      »Ich bin mir da nicht so sicher«, entgegnete Tekener, während der Oberleutnant noch heiser gackerte.

      »Womit nicht sicher?«, fragte Tatham irritiert.

      »Ob das hier Wohnhäuser sind ... oder Denkmäler. Und ob dies überhaupt eine Stadt war.« Er sah sich um. »Oder ein Grab.«

      Tatham schnaubte. »Schauergeschichten!«

      Madeira und Landry tauschten vielsagende Blicke.

      »Mister Tekener könnte recht haben«, konstatierte John Marshall. »Diese Stadt ist mit sehr viel mehr Bedacht und Kunstfertigkeit gestaltet worden als die meisten unserer Metropolen.« Der Telepath deutete auf einen fernen Wolkenkratzer, dessen Spitze an einen Obelisken erinnerte. »Sehen Sie, der Turm da? Wie die Sonne seine Spitze berührt? Ähnliche Türme stehen dort, dort und dort. Und die Straßenschluchten orientieren sich daran.«

      »Eine Sonnenuhr?«, überlegte Tekener. »Wollen Sie das damit andeuten?«

      »Etwas in der Art vielleicht«, sagte Marshall. »Wir müssten uns den Grundriss der Stadt genauer anschauen. Aber sehen Sie nur, wie weit die Gebäude voneinander entfernt stehen. Sehen Sie die vielen Balkone und Höfe. Es muss einmal eine sehr schöne und helle Stadt gewesen sein. Die Sonne war ihren Bewohnern wichtig ... und die Stadt atmet immer noch ihre Seele ...« Marshall brach ab und ließ verwirrt den Blick wandern.

      »Sie wirken nicht wirklich glücklich, wenn Sie von der Seele der Bewohner sprechen«, stellte Tekener fest. »Spüren Sie irgendwas?«

      Marshall kaute unschlüssig auf seiner Unterlippe. »Keine Gedanken, wenn Sie das meinen. Aber ... etwas.«

      »Das hilft uns alles nichts weiter«, urteilte Tatham. »Die Frage ist, wo finden wir in diesem kaputten Museum etwas Interessantes?«

      »Sie liefern da ein gutes Stichwort«, murmelte Tekener. »Kommen Sie, John. Schauen wir uns mal das Gebäude dort drüben an.«

      »Moment!«, rief Tatham verblüfft – entweder darüber, dass er etwas Sinnhaftes gesagt haben sollte, oder darüber, dass Tekener einfach das Kommando übernahm. »Was?«

      »Ein Museum«, sagte Tekener. »Eine Kultur, die derart das Gedenken an sich selbst bewahrt hat, wird die Antworten, die wir suchen, nicht vor uns versteckt halten. Im Gegenteil.«

      »Was für Antworten denn?«, fragte Tatham scharf.

      Jeffries, Madeira und Landry standen unschlüssig zwischen ihm und den beiden Zivilisten.

      »Die darauf, was hier eigentlich passiert ist!«, rief Tekener. »Das ist das Einzige, was uns interessieren sollte. Offen gesagt, dürfte es auch das einzig Wertvolle sein, was es noch zu finden gibt.«

      Er kümmerte sich nicht mehr darum, was der Oberleutnant von seiner Logik hielt, und eilte auf das lang gestreckte Gebäude zu, das ihm aufgefallen war. Es war niedriger als die meisten anderen Bauten der Umgebung und zog gerade dadurch die Blicke auf sich. Vielleicht war es eine Art Forum, ein Versammlungsort ... oder tatsächlich ein Museum.

      Tatham spuckte einige Flüche aus und besprach sich über Funk mit Lafayette, dem Anführer der zweiten Gruppe. Dann stapften er und seine Untergebenen in eine andere Richtung davon.

      Aus dem Augenwinkel sah Tekener, dass wenigstens Marshall sich ihm angeschlossen hatte.

      »Sie haben recht«, sagte der Telepath. »Wir müssen klären, ob hier noch eine Gefahr für uns lauert. Und es dürfte nicht schwer sein, einen Hinweis darauf zu finden – ich hoffe nur, dass wir ihn auch verstehen.«

      Tekener grunzte. Der Telepath war ein komischer Kauz. Tekener mochte seine lockere, zwanglose Art; seine Hilfsbereitschaft allerdings war ihm manchmal schon fast zu viel; und dass Marshall ein unsterblicher Gedankenleser war, darüber dachte er besser gar nicht erst nach.

      Sie betraten das Gebäude. Schon im Eingangsbereich fiel Tekener auf, wie dick die Mauern waren. Es war zudem besser erhalten als die meisten Bauten der Umgebung. Geschaffen dafür, die Jahrhunderte zu überdauern. Erwartungsgemäß häuften sich im Innern die manischen Beschriftungen, diesmal von kleinen Bildtafeln durchsetzt.

      Sie erreichten eine weite, runde Halle mit hoch gelegenen Fenstern, an deren Wänden und Säulen die vertikalen Schriftbänder verliefen wie steinerne Banner auf einer feierlichen Zusammenkunft. In Nischen zwischen den Säulen ruhten auf pompösen Podesten große, klare Kristalle. Manche Nischen waren beschädigt oder durch kleinere Einstürze verschüttet, andere wirkten, als hätte man sie gerade erst hergerichtet. Nur der Staub erzählte eine andere Geschichte.

      »Guter Instinkt«, lobte Marshall die Entdeckung. »Machen wir uns an die Arbeit!«

      Sie packten ihre Instrumente und mobilen Translatoren aus. Die positronischen Apparaturen waren in der Lage, die meisten Sprachen und Schriften zu entschlüsseln. Nötigenfalls stellten sie eine Verbindung zu einem leistungsfähigeren Großrechner her, in diesem Fall zu SENECA. Wie Archäologen gingen Tekener und Marshall die Halle ab, die Übersetzungsgeräte hoch erhoben, und versuchten, eine möglichst große Menge an unbeschädigten Schriftbändern zu erfassen. Dann näherten sie sich den Nischen.

      »Was halten Sie von diesen Kristallen?«, fragte Tekener.

      »Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht nur zur Zierde hier ausgestellt sind«, antwortete Marshall. »Was glauben Sie?«

      »Bestenfalls handelt es sich um eine Art Datenspeicher ... Ich sehe nur keine offensichtlichen Schnittstellen.«

      »Vielleicht geben die Beschriftungen Auskunft darüber, wie die Kristalle zu lesen sind?«

      »Die ersten Ergebnisse kommen gerade rein.« Tekener las und stieß die Luft aus. Dann schob er sich die Sonnenbrille hoch, las noch einmal und massierte sich den Nasenrücken.

      »Was?«, fragte Marshall.

      »In Ordnung, passen Sie auf: Der Name dieser Welt lautet offenbar Xot, der ihrer Sonne Lyx. Die Bewohner bezeichneten sich selbst als Phygen. Diese Begriffe kommen sehr, sehr häufig vor. Einige weitere Elemente wiederholen sich ebenfalls oft: Etwas über ihre Sonne und über die Nacht ... und etwas, das die Positronik als ›dunkles Leben‹ oder ›Leben im Dunkel‹ übersetzt.«

      »Das Dunkelleben.« Marshall stöhnte. »Wenn das der Grund für den Niedergang dieser Zivilisation war, sollten wir extrem vorsichtig sein. Besser, wir beenden unsere Reparaturen so schnell wie möglich und verschwinden von hier.«

      »Geben Sie der CREST II Bescheid«, sagte Tekener. »Ich versuche, noch möglichst viele Scans von diesen Kristallen aufzunehmen. Vielleicht können die Wissenschaftler an Bord irgendwas damit anfangen.«

      »In Ordnung.« Marshall trat ein wenig abseits.

      Tekener machte sich an die Arbeit. Das Tageslicht, das durch die hohen Fenster einfiel, war inzwischen so trübe, dass er seine Helmlampe benötigte. Die Kristalle glitzerten im Scheinwerferlicht in allen Farben des Regenbogens auf.

      Tekener war beileibe kein Spezialist für Speichertechnologien, aber Kristallspeicher wurden in zahlreichen Kulturen als sehr verlässliche Trägermedien verwendet. Sie konnten viele Petabyte an Daten aufnehmen und Millionen Jahre lang überdauern. Zudem sahen sie optisch prachtvoll aus. Tekener hatte den starken Eindruck, dass all diese Faktoren eine Rolle für die alten Phygen gespielt hatten. Also tastete er die Kristalle mit einem Multifrequenzscanner ab, Schicht für Schicht, und übertrug die gigantischen Datenmengen per Funk direkt die CREST II. Sollte sich SENECA damit herumschlagen.

      »Tatham an Tekener!«, meldete sich Tekeners Komgerät unvermittelt. Der Oberleutnant schien ausnehmend schlechter Stimmung zu sein. »Was zur Hölle treiben Sie gerade?

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