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einen Spaß oder ein Scherzwort zu erheitern. Eines der Küchenmädchen mochte das vielleicht anders aufgefaßt haben. Jedenfalls sie liebte mich, ohne daß ich es wußte. Ich erfuhr erst davon, als ich eines Morgens heimwandernd in meiner Manteltasche einen Klumpen Butter und Wurstscheiben fand. Da die Geberin über kein Einschlagpapier verfugte, trug mein Mantel fortan einen Butterfleck, von Herzen kommend.

      Immer mehr Leute lernte ich kennen, beziehungsweise ich wurde ihnen vorgestellt. Wedekind, die Duncan, Roda Roda, Max Dauthendey, die Gebrüder Reinhardt, den Maler Reznicek, Ludwig Thoma, Ganghofer usw. neben anderen, die keinen oder noch keinen bekannten Namen hatten. Abgesehen von den vielen Studenten.

      Mit manchen dieser Gäste verlebte ich unvergeßliche, schöne, interessante oder lustige Stunden, so zum Beispiel mit dem weichherzigen polnischen Dichter Przybyszewski. Einige schenkten mir ihre Photos mit Unterschrift. Die rahmte ich ein. Ich fing damals an, Autographenjäger zu werden, scheute mich nicht, Ernst von Possart eine Minute vor seinem Auftritt im Künstlerzimmer aufzusuchen und um ein Autogramm zu bitten.

      Als zu Ehren Gerhart Hauptmanns ein Bankett gegeben wurde, drängte ich mich kühn in die Gesellschaft und bat den Meister in gereimten Worten, die ich sehr aufgeregt hersagte, um ein Autogramm. Er schrieb in mein Album »Kunst ist Religion«. Roda Roda schrieb dahinter »Kunst ist Prostitution«. Auf die folgende Seite schrieb Wedekind »Sünde ist ein mythologischer Begriff für schlechte Geschäfte«. Dann folgte irgendein unanständiger oder zynischer Vers von Erich Mühsam und darunter schrieb mein Vater, sichtlich verstimmt, »Mit brutaler Ehrlichkeit bringt's der Maler schwerlich weit.«

      Mein Vater war einmal auf der Durchreise in München und im »Simplizissimus«. Meinen Vorträgen konnte er wegen seiner Schwerhörigkeit nicht recht folgen, aber es freute ihn, daß ich Applaus hatte und daß er selbst Dichter und »Leutnant von Versewitz« von Kathi und den Künstlern geehrt wurde. Besonders gut verstand er sich mit Ludwig Scharf.

      Ludwig Scharf war ein vernünftiger, froher Mensch. Ich verehrte ihn und liebte seine Gedichte. Kathi war stolz auf ihn, und er war zu ihr sehr anhänglich. Aber als sie einmal wie so oft eine der kleinen schlecht bezahlten Vortragskünstlerinnen anschnauzte, weil diese angeblich nicht genug vorgetragen hatte, da wurde Scharf sehr aufgebracht: »Kathi, wie kannst du deine Künstler so behandeln! Sie verspritzen ihr Herzblut für dich.« Koppel lachte über diese Bemerkung, obwohl gerade er zu denen gehörte, die ihr Herzblut dort verspritzten. Koppel machte sich auch über den alten Hauspianisten Klieber lustig, ohne zu ahnen, daß er später einmal froh sein durfte, dessen Nachfolger am Klavier zu werden. Er war ein wenig verbittert. Aber wenn er in Laune kam, sprühte er von witzigen Einfällen und konnte sehr pointiert wahre Geschichtchen erzählen, etwas behindert durch einen Sprachfehler, den er nur auf der Bühne singend ganz überwand. Vor allem war dieser Jude ein hochanständiger Charakter. Er lebte ganz ärmlich, obwohl sein Onkel ein reicher bekannter Großindustrieller war. Aber der wollte von dem Neffen nichts wissen, und der Neffe darum nichts vom Onkel haben.

      Es kam häufig vor, daß die Künstler sich mit Gästen anbiederten und diese schließlich anpumpten. Koppel tat das nur, wenn er in äußerster Not war. Und dann auch immer nur um eine Mark. Er beugte sich dann tief zu seinem Opfer herab und rang in Verlegenheit und Aufregung peinlichst mit seinem Sprachfehler. »V-V-Verz-Verz-Verz-Verzeihen –« Plötzlich platzte er dann heraus: »Ganz egal, nur eine Mark!«

      Einmal reiste er mit einem Schmierenensemble durch die Provinz. Der Direktor brannte mit der Kasse durch. Die Tingelbrüder saßen in einem kleinen Ort fest. Otto Fritsche, ein Komödiant alter Schule, überredete Koppel: »Hugo, du mußt uns helfen. Du mußt uns Reisegeld verschaffen. Hier ist ein Fall, da du mit ruhigem Gewissen von deinem reichen Onkel fünfzig Mark erbitten kannst. Ich werde dich telephonisch verbinden.« Fritsche brachte das Ferngespräch zustande: »Herr Generaldirektor, Ihr Neffe Hugo Koppel möchte Sie sprechen, einen Moment bitte.« Koppel trat an den Apparat in höchster Aufregung: »P – P – – K – K – – Qu – Qu – –.« Plötzlich wütend: »Ganz egal, nur eine Mark.« Und wütend über diesen für seinen Onkel ganz unverständlichen Satz hängte Koppel den Hörer ein. Die Rettungsaktion war gescheitert.

      Im »Simpl« lernte Koppel einen Herrn kennen, der Tschernowitz hieß und ebenfalls stotterte. Die gegenseitige Vorstellung klang wie Lokomotive. Aber beide Herren lachten selber über die Situation. Es gab große Pumpgenies im »Simpl«. Um Kunst und Geld geschah viel Lustiges, manchmal auch Peinliches. Ein Mitglied der Milliardärfamilie Astor betrat das Lokal und wurde erkannt. Da fuhr eine gewaltige Aufregung in die jungen Künstler und Mädchen. Aber als er zum Sekt eine Zigarre verlangte und sofort mehrere Hände mit in die Importenkiste griffen, stand der junge Astor stolz auf, zahlte und ging.

      Im März trat ich aus dem Geschäft Bierschenk aus, der Chef stellte mir ein freundliches Zeugnis aus.

      Ich war im »Simpl« ein Star, in München populär geworden. Zeitungskritiken nannten mich »den einzigen wahren Boheme« oder »poète attitré de Mme Kathi Kobus, rimeur amusant et alerte.«

      »Das ist der Hausdichter!« flüsterten sich die Leute zu, wenn ich um zehn Uhr abends in den »Simpl« trat. Ich hatte inzwischen die berüchtigten Bowlen der Kathi und ihre Sekthausmarke und alles und jedes dort bedichtet, auch eine kleine Broschüre zusammengestellt, die dort verkauft wurde. Ich kriegte Prozente von dem Erlös. Den Text hatte ich nach Kathis Kopf schreiben müssen. Das war ein recht läppisches Geschreibsel geworden. Max Halbe äußerte sich ernst abfällig darüber, als er im »Simpl« das Heftchen durchblätterte.

      Tabakhaus zum Hausdichter

       Inhaltsverzeichnis

      Gelegenheitsdichtungen brachten mir erfreuliche Einnahmen. Ich schrieb Gedichte und Liedertexte für Vortragskünstler, Vereine und festliche Veranstaltungen. Ein Bauersmann zahlte 40 Mark dafür, daß ich ihm einen Kartoffelnamen erfand. So hatte ich mir nach und nach fünfhundert Mark zusammengespart, mit denen ich nun etwas unternehmen wollte.

      In der Zeitung wurde ein Zigarrengeschäft angeboten. Das kostete ungefähr soviel, wie ich besaß. Ich kaufte es.

      Ein Laden in der Schellingstraße Nr. 23, also ganz nahe vom »Simplizissimus«. Die Einrichtung bestand aus einem Regal, einem Ladentisch und zwei großen Wandspiegeln. Das lieh mir eine Zigarettenfirma, deren Fabrikate ich dafür bevorzugen mußte. Die gute Tante Seele stiftete Stühle, Haushaltsgegenstände, und was ich sonst noch zu meiner Bequemlichkeit gebrauchen konnte.

      Ich machte mich nun daran, den Laden recht originell auszustatten. Das tat ich in ebenso kindischer wie geschmackloser Weise. Das Ladenschild ließ ich gelb anstreichen und darauf mit blauen Buchstaben schreiben: »Tabakhaus Zum Hausdichter.« An der Tür las man »on parle français«, »english spoken«, sowie einige Phantasiezeichen, die so taten, als verstünde ich Chinesisch. Ein stud. med. lieh mir ein menschliches Gerippe. Das legte ich ins Schaufenster, wo es zwischen Zigarrenkisten und Zigarettenschachteln herumwühlte. Dazu einen Riesenkäfer, ferner künstlich ausgestopfte Gebilde, die wie exotische Tiere aussahen, Bilder, Stiche »verkäuflich« und Totenköpfe aus Gips. Das Innere des Ladens schmückte ich ebenfalls aus mit Bildern, Photos, Büchern, läppischen Inschriften und Trophäen aus meiner Seefahrtszeit. Dazu ließ ich Karten drucken: »Haben Sie schon das merkwürdige Geschäft gesehen Tabakhaus Zum Hausdichter Schellingstr. 23?« Diese Karten steckte ich frech und heimlich im Münchner Glaspalast an die ausgestellten Gemälde.

      Im März 1909 wurde der Laden eröffnet. Dunajec wimmerte auf seiner Geige. Lygia Romero, Mary Wacker und ein paar andere Künstler saßen bei mir. Es gab Kognak. Die ersten Kunden stellten sich ein, meist wohlhabende Bekannte aus dem »Simpl«, die groß einkauften. Es ließ sich alles gut an. Draußen auf der Straße staute sich eine neugierige Menge, die das Gerippe bestaunte und Hoffmanns Erzählungen lauschte.

      Aber bald tauchten die ersten Sorgen auf. Eine ältere adlige Dame stellte sich als Besitzerin des Hauses vor. Sie war sehr aufgebracht darüber, daß ich ihren Laden bezogen hätte, ohne mich ihr vorzustellen. Und das gelbblaue Ladenschild müßte abgeändert werden, da sie

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