ТОП просматриваемых книг сайта:
Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band). Joachim Ringelnatz
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band)
Год выпуска 0
isbn 9788027203697
Автор произведения Joachim Ringelnatz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Es war eine aufregende, interessante Fahrt, so recht nach meinem Geschmack, obgleich ich selbstverständlich ebenso hungrig, müde und durchgefroren war wie die übrigen. Endlich beschlossen wir, die Jagd aufzugeben, aber wenigstens den Anker zu fischen, konnten jedoch nicht einmal die ausgesteckte Boje wiederfinden. Wieder kreuzten wir.
Da plötzlich: »Die Boje!« rief jemand, und in diesen Augenblick sahen wir sie vorübersausen, aber der Sturm trieb uns jetzt mit so rasender Eile vorwärts, daß wir sie aus den Augen verloren, ehe wir noch beigedreht hatten. Wir sahen sie auch nicht mehr und waren endlich genötigt, unverrichtetersache nach der »Elli« zurückzukehren.
Wir hatten uns sehr weit vom Schiff entfernt und kamen nun, gegen den Strom aufkreuzend, nur langsam vorwärts.
Die Uhr zeigte halb zwölf Uhr, als wir an Deck stiegen und uns sofort in unseren nassen Kleidern in die Kojen warfen.
Der Alte war sehr aufgebracht über den Verlust seines Holzes.
Um halb sechs Uhr wurden wir schon wieder geweckt. Nun, am hellen Tage, konnten wir auch die Rafft erkennen. Sie war weit hinaus ins offene Meer getrieben. Jahn, August und Willy wurden ausgeschickt, sie zurückzuholen. Etwas später, als ich gerade irgendeine Arbeit an Deck verrichtete, redete mich der Alte an: »Seppl, geh mal nach oben, – ob sie die Rafft bringen. – Und wenn's auch nur ein Balken wäre.«
Ich enterte schnell die Wanten hinauf und meldete nach unten, daß unser Boot die Rafft brächte. Bald darauf kamen unsere Matrosen zurück.
Sie hatten vier Balken aufgefischt, die anderen waren jedenfalls schon zu weit abgetrieben. Nun, das war doch wenigstens etwas. Wir zogen die vier Geretteten mit der Winsche an Deck, wo wir sie festbanden.
– – Die letzten Vorbereitungen zur Heimreise wurden getroffen, Segel angeschlagen, und was sonst notwendig war.
11. Kapitel: Heimfahrt und Hunger
Am Dienstag, dem 13. Juli, um ein Uhr lichteten wir die Anker zur Heimreise. Der Lotse war an Bord gekommen, ein Kreole mit großem Strohhut, weißem Hemd, weißer Hose und mit einem ungeheuren Parfümbeutel im Gürtel. Moschus oder Patschuli roch man auf einmal vom Heck bis zum Bug. Er schien sich übrigens viel auf diese Stinkbombe einzubilden, denn er ging mit komischstolzen Schritten und ohne mit jemandem zu sprechen auf dem Achterdeck spazieren, wobei er sich selbstgefällig in den Hüften wiegte.
Das Wetter war uns ungünstig. Nach der stürmischen Nacht herrschte jetzt fast Windstille. Schlimm für uns, denn wir mußten zwischen vielen Inseln hindurch und an Sandbänken vorbei, die nur zum Teil durch Bojen gekennzeichnet waren. Da ohne Hilfe des Windes zu operieren, erforderte die größte Aufmerksamkeit und Mühe. Es gab ein paar Tage keinen Schlaf für uns. Immer mußten wir bereitstehen, bald um das Schiff zu wenden oder Segel zu setzen, resp. festzumachen, bald um Anker zu werfen oder aufzuleiern. Die letztere Arbeit wurde mittels eines hölzernen Spills verrichtet. Die Ankerketten waren meist mit einer dicken Schicht Schlamm oder Korallen besetzt und rutschten häufig von der glatten Spillwalze ab. Da hieß es arbeiten, bis uns der Schweiß am Nacken herunterlief.
Ich ging barfuß, weil ich wegen meiner wunden Füße keine Schuhe mehr anziehen konnte. Dazu war noch Rost in die Wunden gekommen, so daß sie zu eitern anfingen. Aber wenn jetzt tags oder nachts – gewöhnlich, wenn man sich eben für ein Stündchen hinlegen durfte – die verhaßten Kommandos des Lotsen erklangen, »hiv Anker!« oder »boutship!«, dann mußte auch ich mit den anderen an Deck stürzen. Der Lotse hatte übrigens zwei Leute mitgebracht, die beim Brassen der Segel mithalfen und dafür, wie sie uns sagten, fast nichts vom Kapitän zu essen bekamen.
Lange Zeit brauchten wir, um eine Boje zu umschiffen. Endlich glückte es doch, und nun setzte auch ein etwas besserer Wind ein. Jahn mußte den Piloten und seine Helfer an einer Insel absetzen. Er hatte einen kleinen Bootsanker mitbekommen und erzählte, als er zurückkehrte, daß ihnen dieser ins Wasser gefallen sei.
Wir schätzten den Wert des Ankers auf hundert Mark. Nun, das war Schiffseigentum. Die Lotsen werden sich wohl die hundert Mark später wieder heraus gefischt haben. – – –
Hurra Brise!! Fort ging es in freiem Fahrwasser »vor dem Winde«. Seewachen wurden eingerichtet, an denen ich diesmal auch teilnehmen mußte, und das Seeleben begann wieder. Ich hatte also abwechselnd vier Stunden zu arbeiten und vier für mich, Tag und Nacht hindurch, und erhielt nun etwas angenehmere Arbeiten. Meistens ließ man mich die vier Stunden am Ruder stehen, was bei nicht zu bewegter See recht bequem war. Ich beobachtete dann das Schlenkern des Schiffes, betrachtete das Wogen, Rollen, Tanzen, Spritzen, Wiegen des Meeres, träumte und überdachte tausenderlei Dinge. Dabei geschah es allerdings häufig, daß ich die Kompaßnadel außer acht ließ und plötzlich zu meinem Schrecken wahrnahm, daß ich einen ganz falschen Kurs steuerte. Wehe, wenn dann der Alte oder Steuermann dazukamen! Gelang es mir in solchen Fällen auch manchmal, noch schnell die Nadel auf den alten Strich zu bringen, so sah doch der Alte gewöhnlich an dem Zickzacklauf des Kielwassers, wie ich gesteuert hatte.
»Seppl, – – Bengel«, sagte er dann, mir mit der Faust drohend, »du fährst wieder spazieren.« Der Steuermann drückte sich gewöhnlich etwas handgreiflicher aus. Auch auf den Ausguckposten stellte man mich. Auf der Back schritt ich dann barfuß mit schnellen Schritten auf und ab. Ich hatte die See zu beobachten und etwaige Schiffe oder Inseln und dergleichen zu melden.
Jetzt empfand ich eine leise Angst, daß meine Sehschärfe auf die Dauer nicht den Anforderungen des Seelebens genügen würde, wie mir das Baron Schrenk, ehe ich zur See ging, vorausgesagt hatte. Damals hatte ich die freundliche Warnung des erfahrenen Weltreisenden wenig beachtet, aber schon während der Hinfahrt nach Belize hatte ich erfahren, wie scharf man auf See oft ausspähen muß und wie schlecht ich im Vergleich zu den anderen Seeleuten sah.
Eines Nachts, als ich auf Ausguck stand, kam August auf die Back und sagte: »Mensch, siehst du nichts?«
»Nein«, entgegnete ich.
»Mensch, kiek mal dort das Licht. Du Aas hast Dreck in den Augen.«
Ich sah zwar das Licht auch jetzt noch nicht, aber ich schlug zweimal an die Glocke und rief nach achtern: »Feuer an Backbord.« Daraufhin kam Steuermann angefegt. »Wo? Wo? Wo?« rief er wichtig.
»Dort!« Ich zeigte nach der Richtung, die mir August gewiesen. »Etwa drei Striche vom Mast.« Er sah aber auch nichts, und das tröstete mich.
Auch zu anderen seemännischen Tätigkeiten wurde ich jetzt mehr und mehr herangezogen. Ich lernte die Bezeichnungen der vielen Tauenden und Segel kennen, und beim Fest- oder Losmachen der Segel wurde ich auf die höchste Rahe geschickt, um dort das Roylsegel allein zu bedienen. Ich übte mich ferner in den verschiedenen Arten des Steuerns vor dem Winde, bei dem Winde, raumen Wind und so weiter. Da ich mich aber häufig sehr ungeschickt anstellte, erhielt ich noch häufiger Schläge.
In den Freistunden durchlas ich die Briefe meiner Angehörigen, wusch oder flickte meine Wäsche und fand jetzt auch mehr Zeit, wenn auch immer weniger Papier, für mein Tagebuch.
Obwohl wir bereits eine Woche von Amerika entfernt waren, fingen wir doch noch täglich Skorpione. Häufig fielen sie von der Decke herunter. Eine Bö, die uns eines Tages überraschte, fegte den Schornstein von der Kombüse, und das heiße Rohr fiel mir auf den Hals. Ich trug eine schmerzende Brandwunde davon. »Von Wunden ganz bedeckt« – das war mein steter Zustand, und alle meine Taschentücher bis auf zwei oder drei waren schon als Verbandstoff draufgegangen.
Unser Menü wies jetzt täglich amerikanisches Büchsenfleisch