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sein. Bis zum Abend erscheint keiner.

      Und in der Nacht hört Lisa plötzlich einen hellen Schrei. Sofort ist sie aus ihrem Bett heraus, wirft ihren Morgenrock um sich und geht zu der Prinzessin hinein.

      Greller Mondschein, ein ganz anderer Mond als der gute alte Braunecker Mond, erfüllt das Zimmer. Die Prinzessin liegt zusammengekauert in ihrem Bett und starrt mit wilden, weit offenen Augen nach der Wand.

      »Sieh mich nicht an, o geh hinweg, – ich kann nicht mehr zurück. Wie kann ich leben mit dem schwarzen Balken über meinem Herzen?«

      Die Lisa schüttelt das Grauen: »Durchlaucht, es ist niemand da, es ist nur das weiße Kleid, das da hängt.«

      Sie macht Licht mit zitternden Händen und läßt schnell Vorhänge herunter, daß der schreckliche, der fremde Mond draußen ist. Die Prinzessin sieht sie mit wirren Augen an.

      »Durchlaucht, ich bin's, die Lisa, es war ja nur ein Traum.«

      Sie glaubt es ja selber nicht. Sind jetzt nicht die heiligen Nächte, in denen alles umgeht?

      »O Lisa, bist du's? Bleib bei mir!«

      Lisa muß sich aufs Bett setzen, die Prinzessin schmiegt sich an sie, und das ganze Zimmer hört das arme Herz klopfen. Sie sind so einsam, so schauerlich einsam in dem fernen Land, und der Lisa fallen alle die fremden, dunkeln, kahlen Berge ein, durch die sie gefahren sind. Sie fühlt jetzt jeden einzelnen. So weit ist's von dem alten Brauneck und der Mutter Nachtlämpchen. – Und es hat sich gemeldet! Wer oder was, das weiß sie nicht, aber: Es hat sich gemeldet! Und sie darf nicht von der Prinzessin fort, sonst würde sie jetzt noch den faulen Adolf zu einem Doktor schicken. –

      Wenn sie sich nur rührt, so bittet, fleht, befiehlt die Prinzessin: »Bleib bei mir. Lisa, kann man denn solche Schmerzen haben? Und wenn du nur bei mir bleibst – es ist alles nicht so schrecklich wie die Augen.« Die Lisa sagt: »Durchlaucht, ich mache Tee, hier im Zimmer auf der kleinen Teemaschine mache ich ihn, und für Schmerzen sind warme Tücher gut, das schadet niemals.«

      Und bei alledem kommt doch ein wenig Trost für beide heraus.

      Zuletzt holt Lisa ihr Konfirmationsgesangbuch. »Soll ich ein Lied lesen?« Es steckt aber ein dünnes Heft darin, das sind Lieder, die man sich noch extra beim Herrn Stiftsprediger hat abschreiben dürfen, wenn man gewollt hat.

      »Ja, lies nur, Lisa.«

      Und Lisa liest in der fremden, einsamen Mondnacht in dem Palmengarten, durch den das Meeresrauschen geht, ein altes Lied. Weil es ja Nacht ist:

      Wo willst du hin, weil's Abend ist,

       Geliebter Pilgrim Jesu Christ?

       Komm, laß mich so glückselig sein

       Und kehr in meinem Herzen ein.

      »O Lisa, das ist schön.«

      Laß dich erbitten, liebster Freund,

       Derweil es ist so gut gemeint,

       Du weißt, daß du zu aller Frist

       Ein herzenslieber Gast mir bist.

      Erleuchte mich, daß ich die Bahn

       Zum Himmel sicher finden kann,

       Damit die dunkle Sündennacht

       Mich nicht verführt noch irre macht.

      Bevorab in der letzten Not

       Hilf mir durch einen sanften Tod ...

      Lisa stockt. Ach, nun ist's ein Sterblied geworden, das hat sie nicht gewollt.

      Die Prinzessin flüstert: »in der letzten Not ... Lies den Anfang noch einmal, Lisa.«

      Und die Braunecker Kinder sind nicht mehr in der Fremde, das Lied hat sie mit weichen Schwingen hinübergetragen in die ferne Heimat ... – – – Am andern Morgen sagt Lisa zu Miß Granger »Doktor« und erhebt fast drohend die Hand, aber die flieht in ihre Kirche. Lisa flüchtet zu dem verliebten Adolf:

      »Die Engländerin ist nimmer zur Raison zu bringen. Sie müssen gehen und einen deutschen Doktor ausfindig machen und ihn gleich herbeibringen.«

      »Habe schon Gegenordre, Fräulein Lader.«

      »Von wem?«

      »Von Ihrer Durchlaucht.«

      Lisa geht hinauf. Die Prinzessin sieht sie ganz fremd an, der armen Lisa kommt es wie ein Traum vor, daß sie sie heut nacht im Arme gehabt. Die Prinzessin, wie sie nun ihre Sache vorstammelt, hebt ihren feinen Kopf und sieht sie mit ganz königlichen Augen an:

      »Ich wünsche keinen Doktor. Ein fremder Mann kann mir doch nichts nützen. Und ich habe zu tun, du siehst doch, daß ich schreibe. Du kannst gehen.«

      »Durchlaucht, wenn aber die Nacht ...«

      »Oh, die wird ganz gut sein, du brauchst dich nicht zu sorgen, Lisa ... Morgen wollen wir sehen,« und sie schreibt weiter.

      Lisa geht hinaus mit der ganzen bittern Last auf dem Herzen. Sie geht in ihr Zimmer und holt ihr bestes Briefpapier heraus und schreibt mit vielem Seufzen und ängstlichem Überlegen einen Brief an den Herrn Stiftsprediger. Und die Nacht und der fremde Mond kommen wieder, aber so leise Lisa schläft, sie hört nichts, keinen Ton. Und Gott sei Dank, daß der Brief fort ist, und ihre Gedanken begleiten ihn über die vielen Berge und durch die schwarzen Tunnel, nach dem lieben alten Brauneck. –

      Am Nachmittag ist der Adolf im schönsten Herrenanzug zum englischen Dienerball, zu dem ihm seine kleine Nurse eine Einladung verschafft hat, abgezogen, – vor Mitternacht wird er wohl nicht zurückkommen. Und die Prinzessin fragt Lisa:

      »Gehst du nicht auch auf den Ball, bist du nicht eingeladen?« »Nein, Durchlaucht. Und es wäre mir auch keine Ehre, hinter dem Adolf herzulaufen. Aber, wenn ich dürfte, einen kleinen Ausgang machen? Den Tee richte ich zuvor, und zum Servieren bin ich wieder zurück. Vielleicht kann Miß Granger doch ein einziges Mal nicht in die Visite gehen?«

      Lisa hätte sich sonst keine Kritik erlaubt, aber die Engländerin haßt sie. – Was sie da oben nur immer treiben mag, und mit wem sie da laut spricht und lacht? und dann klingt's wieder wie Gebete, es kann einen schaudern.

      »Liebe Lisa, du kommst ja gar nicht heraus ... Geh doch, und gewiß bis zum Capo. Und wegen des Diners eile dich nicht, Angelina kann servieren.«

      Lisa geht, noch entrüstet darüber, daß die Angelina mit ihren schwarzen Händen die Schüsseln hereintragen soll. Nein, bis dahin ist sie längst zurück. Sie hat keine Ruhe mehr, sie will sich in dem kleinen deutschen Laden am Strand nach einem deutschen Doktor erkundigen. Jedem kann man ja die Prinzessin nicht anvertrauen.

      Und nun geht sie den Palmengang hinunter, und die Prinzessin sieht ihr nach. Nun ist alles fort. Miß Granger ist fort, die Köchin hält wohl ihren Mittagsschlaf, nur Angelina singt gellend in der Küche unten. Und auch die Prinzessin will ausgehen. Es ist ein schöner, sonnglänzender Tag, nur kalte Winde wehen, und im Schatten ist's empfindlich kühl. Zum erstenmal muß die Prinzessin sich selbst bedienen. Sie nimmt ihren festesten Schirm, ach, der ist nur ein zartes Gebilde, und geht leise die Marmortreppe hinunter, wo auch zwei Miniaturlöwen dräuen, so gut es ihnen möglich ist. –

      Ach, wie ist der Weg so weit den Garten entlang, so mühselig. – »Wie gut, daß Lisa nicht da ist, sie hätte mich nicht gehen lassen ...«

      Die Gartentüre ist zum Glück offen, nun geht es zwischen hohen Mauern entlang ein schmales Sträßchen, so schmal, daß kein Wagen hindurchkommt. Über die Mauern schauen die schwanken Palmen und dunkelgrünen Zitronenbäume und hohe düstere Zypressen, zu denen Rosmarie nun schon eine Liebe gefaßt hat. Sie nickt ihnen auch heute zu und lächelt ein wenig.

      Das ist die Marina, die das Sträßchen kreuzt, und dort eine Bank schön in der Sonne. Dorthin, nur bis dorthin. Es gehen nicht viel Menschen auf der Straße, sie würden erschrecken vor dem Anblick dieser weißen, schwankenden Gestalt. Die Bank ... nur noch ein paar Schritte ... Wie ein dunkler Schleier fällt es vor ihren Augen, da fühlt sie den Griff einer Hand

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