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sie. Wenn sie nur ein Wort schriebe, ein einziges, noch so armes Wort: vergib mir, ich bin gereizt, gekränkt worden, ich wußte nicht, was ich tat, – irgend einen Grund angäbe, den fadenscheinigsten, – nur nicht dieses trotzige Schweigen.

      Die Zanzari sind endgültig verschwunden unter Strömen von Regen, die die staubigen Palmen so schön reingewaschen haben. Dem Nordlandskind gehen die Augen auf für die Schönheit der Palmen, nun sie die im Regen sieht. Wie die Dattelpalme dort ausgerüstet ist, den köstlichen Regen zu empfangen. Die großen, mächtig breiten, gefalteten Blätter, die jeden Tropfen sorgsam in tiefen Rinnen entlang leiten, dann die Blattstiele, die die Wasseradern sammeln und an den Stamm leiten und dort in kleinen Bechern festhalten. An den Blättern die zarten braunen Fangschnüre, an denen jede Perle hängen bleibt. Dann die andern Palmen, die so verdrossen dastehen, wie müde Ballschönheiten, und doch nur auf ihren Freund, den Mond, warten. Wie gleitet das Mondlicht an ihnen herunter und zeigt ihren herrlichen Bau und das wundervolle Gegeneinander ihrer Fahnen! Da hat jede Form ihr eigenes Funkellicht, gegen den Himmel gesehen lösen sich die Massen in lauter unendlich schöne Formen auf. Da schießt der Stamm, der am Tage so überschlank aussieht, majestätisch in die Höhe und trägt stolz die feingefiederte Krone.

      Ach, wenn man nur jemand hätte, mit dem man die Schönheit genießen könnte, all das allein, ach, das bedrückt noch das arme, so schwer beladene Herz. Und immer wieder wendet Rosmarie ihrer Tante Worte in ihrem Herzen, und eines tritt grell aus den andern heraus.

      Im Angesicht des Todes lügt man nicht! – Das galt von ihrer Mutter, sollte das nicht auch von ihr gelten? Und eines Tages geht sie an ihre Truhe, die alle ihre geheimsten Schätze enthält. Seit sie zum zweiten Weihnachten – ihre Weihnachten zählen von der Waldweihnacht an – Harro einen Stuhl gestickt hat mit den Federnelken und bräunlichen Gräsern der lichten Eichen daran, hat sie diese Kunst immer betrieben. Seit sie nun von Harro getrennt ist und nicht mehr in seinen Farben herrschen kann, hat ihre leidenschaftliche Schönheitsliebe und ihr feines Kunstverständnis in diesen Stickereien seinen Ausdruck gefunden. Ganz ohne jede Anweisung, nur ihrem eigenen Formen- und Farbensinn folgend, hat sie gelernt, einen Natureindruck mit Nadel und Seidenfaden wiederzugeben. Niemand störte sie darin; wenn sie an ihrem Stickrahmen saß, so galt sie als geborgen und versorgt. Eine Zeitlang war das eiserne Verbotsystem auch daran gekommen; sie sollte nicht so viel über die Arbeit gebückt sitzen, dekretierte ihre Mutter, das verderbe die Haltung.

      Sie hatte sich aber die einzige Freude nicht nehmen lassen und hatte es gelernt, die Arbeit nur lose in der Hand haltend, doch die feinsten Stiche zu ziehen; sie hatte wahre Feenhände.

      Und nun holt sie sich ein weißes Atlasstück von zart bläulicher Tönung heraus und bedeckt das mit ihren Zeichen und Punkten. Als sie nun zu sticken anfängt, wird Miß Grangers Leben noch behaglicher.

      Und Rosmarie ist sehr fleißig, auf ihren blassen Wangen steigen rote Flecken auf, und sie stickt, als gälte es ihr Leben.

      Achtzehntes Kapitel.

       Iphigenie

       Inhaltsverzeichnis

      In einem Südzimmer eines der kleineren Hotels in Bordighera liegt auf dem Marmorbalkon im schönsten Sonnenschein, in einem Korbstuhl, ein junger, blasser Mann, sorgfältig in Tücher und Decken eingehüllt. Neben ihm sitzt eine freundliche, behäbige Gestalt, seine Mutter, an einem Tisch und schreibt emsig Briefe. Der junge Mann hat sein Buch sinken lassen.

      »Bald fertig, mater? und weiß der pater nun, was wir treiben, und hast du ihm gewiß von Professor Schwarzen erzählt? Das freut ihn doch am meisten. Da lacht er wie ein Schneekönig, da kommen ihm die alten Tübinger Erinnerungen.«

      »So gut ich konnte, Albrecht, aber all die Weisheit, die ihr miteinander redet, und die Welträtsel, die ihr löst und nicht löst, das konnte ich ihm nicht alles mitteilen.«

      »Daß er mir so viel Zeit opfert; er will doch schreiben, hat seine Bücherkiste hier, – aus der ich ja auch lebe,« und er hob sein Buch in die Höhe. »Hör einmal, Mutter, den Spitteler:

      Ich habe da in meinem Herzgänsespiel

       Noch zwei Weltvoll Liebe zu viel,

       Weiß nicht, wohin damit ...«

      Die mütterliche Frau lacht auf: »Albrecht, kein Wunder, daß dir das gefällt ... o da kommt der Herr Professor.«

      Der Herr Professor, dem man überall unschwer Stand und Nationalität angesehen hätte, tritt ein. Unter den schärfsten Brillengläsern glänzten hellblaue Augen, sein graublonder Bart wuchs ihm, wo und wie er wollte, sein Überzieher war in den Taschen weitläuftig geworden – von hineingesteckten Broschüren. Kurz, das heimatlichste Bild an der fremden Meeresküste. Jetzt schwenkte er seinen Hut, seine Stirne war ein wahrer Palast für all die Gedanken, die darin wohnten.

      »Ei, Frau Mama und Herr Sohn, wie geht's! Die schöne Sonne! Und Herr Albrecht liest Spitteler.«

      »Mein Sohn freute sich eben daran.«

      »Heute müssen wir Korsika auftauchen sehen, es ist heute ein ganz besonderer Tag!« sagte der Professor und deutete mit seinem Stocke nach der schimmernden Meeresfläche.

      »Herr Professor, erzählen Sie, was gab es diesmal am Capo? Keine himmelblauen Meereskornblumen?«

      Der Herr Professor setzte sich behaglich in den ihm angebotenen Korbsessel. »Es freut mich, daß Sie es mir sofort ansehen, daß mir heute etwas ganz Außerordentliches geschehen ist. Was ich gesehen habe« – der Herr Professor schwenkte seine Hand wie auf dem Katheder gegen seine Zuhörer. – »Ein besonderer Tag heute und verdient ein rotes Kreuz im Kalender. Ich gehe das Capo entlang: blaue hüpfende Wellen, die letzten am Horizont mit weißen Kronen. Und alles voll Menschen, Herr Albrecht, old England for ever – Damen und wieder Damen, kurze, dünne, lange, und Kinder, sehr hübsche Kinder. Aber im ganzen doch die Menschheit etwas zu reichlich vertreten – mir sind ja immer die einzelnen Exemplare lieber.«

      Dabei nickte er mit einem so guten Ausdruck dem blassen Jüngling zu, daß dem ein feuchtes Aufleuchten in die Augen kam. –

      »Nun also, gegen Norden, wo die Steine größer werden und die Fischernetze zum Trocknen liegen, ist die Menschheit dünner gesät. Und ich bedachte bei mir, welch außerordentliches Rätsel dieser Strand der nachgrabenden Nachwelt wohl bieten würde, wenn wir durch eine jener plötzlichen unterirdischen Erdeinstürze verschüttet würden.«

      »O Herr Professor, wir wollen nicht hoffen.«

      Der Professor wehrt mit heiterer Ruhe die Wahrscheinlichkeit eines solchen plötzlichen Eingreifens der unterirdischen Mächte ab. –

      »Herr Albrecht, bedenken Sie, die Engländervilla an der Marina und die Wohnungen in der Altstadt, der Englishstore und die Bäckerei am Kirchplatz. – Die Herren Kollegen werden behaupten, daß sie auf mindestens drei Kulturstufen gestoßen seien – daß das alles friedlich nebeneinander nur wenige Meter entfernt gleichzeitig bestanden haben soll, darauf werden sie nicht kommen.«

      »Herr Professor, Mutter bekommt ganz dunkle Augen ... und wenn heute nacht das Meer wieder so donnert! Erzählen Sie uns, was Sie am Strande gesehen.«

      »Doch nicht Anzeichen nahen Bebens?« »Alles so fest wie möglich, meine Gnädigste. Nein, ich sah etwas Wunderbares. Schon vorher war's, als lenkten freundliche Genien meinen Weg. Ich stolperte nicht über die ungleichen Steine, ich verfing mich in kein Netz, und wie ich nun um einen Felsblock mich herumschwinge, da öffnet sich eine Felswand, das Meer wird nach Osten frei. – Da sitzt auf einem gelben Steine, zum Hintergrund das Meer, vor sich das Meer, mit feinen ewig unruhigen Wellen, wer meinen Sie? – Ich reibe mir die Augen, ich zwicke mich in den Arm, ich schließe die Augen und zähle auf drei und mache sie wieder auf, – das Bild bleibt da!

      Da saß still und ruhig, in einem weißen Gewand, Iphigenie, Goethes Iphigenie, nicht die Griechin. In einem weichen, weißen Gewand, notieren Sie, Herr Albrecht, nicht in einem Kleide. – Sie sah hinaus aufs Meer, auf die eine Hand

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