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Gesammelte Science-Fiction & Dystopie Romane (12 Titel in einem Band). Paul Scheerbart
Читать онлайн.Название Gesammelte Science-Fiction & Dystopie Romane (12 Titel in einem Band)
Год выпуска 0
isbn 9788075836403
Автор произведения Paul Scheerbart
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Da sah man denn bald die Soldaten mit stilvoller Ornamentstickerei an den Armen und am Halse - auf dem Kopf, auf dem Rücken und auf der Brust - besonders aber an den Beinen.
Der sonst so schweigsame Klambátsch I sagte dazu mal lächelnd:
»Diese Erdmänner schämen sich gar nicht, daß sie Beine haben.«
Aber nicht nur der Ornamentschmuck machte die Uniformen neu und eigenartig - auch die Farbenkomposition wies viel größeren Reichtum auf und wirkte besonders auf der Rückenpartie der Offiziere sehr stimmungsvoll - im Geschmack alter Glasmalerei - worüber alle Glasfreunde auf dem Monde ganz entzweigingen vor Entzücken.
Über die neuen Uniformen sagte eine erdmännische Tageszeitung, die grundsätzlich für die Erhaltung der bestehenden Zustände mit Feuereifer eintrat, folgende Worte, die im Zinnoberkrater photographiert worden waren:
Es wird, sagte das Blatt wörtlich, heutzutage vieles umgestoßen. Das liegt bedauerlicherweise daran, daß wir alles immer wieder in neuer Form haben wollen. Und deshalb soll man stets den Dingen, die erhalten bleiben sollen, ein neues Kleid verschaffen; manches kann eben im alten Kleide nicht weiterleben und muß deshalb ein neues haben. So gings auch bei unsern braven Vaterlandsverteidigern. Das Interesse an der Wehrkraft unsrer Land- und Seetruppen, das schon durch Verweichlichung der Gesinnung arg zurückging, hat durch die neue Uniformierung einen neuen starken Impuls erhalten. Die Soldaten werden den Künstlern von Herzen dankbar sein für die schönen Röcke und Hosen, die vom Genius der Kunst entworfen wurden. Die Soldaten werden es gerne vergessen, daß die Künstler an fänglich nur deshalb gegen die alten Uniformen eiferten, um dadurch an dem Fundamente unsres Heerwesens zu rütteln. Es ist anders gekommen. Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.
»Da ist ja«, sagt Knéppara, »recht viel Aussicht vorhanden, daß die Heere der Erdmänner abgeschafft werden.«
»Humor, der nicht verstanden wird«, meinte Klambátsch I, »kann natürlich keine Wirkung ausüben.«
Die Freunde des Sterns Erde lächelten schmerzlich und besahen sich ihre feinen Hände, was die Mondleute immer dann tun, wenn eine intensive Abneigung gegen eine störende Geschichte in ihnen aufsteigt.
Doch die Zeit ging dahin - im Fluge.
Und zwanzig Jahre nach der großen Ratssitzung, in der das erdmännische Soldatentum so wichtig gemacht wurde, hatte man wieder mal ein anderes Bild vom Erdball; der sah jetzt so aus, als wenn endlich alles gründlich verrevolutioniert werden sollte.
Knéppara sagte feierlich:
»Es können sich Wunder auf der Erde ereignen! Photographieren wir besonders die Tageszeitungen!«
Das geschah denn auch.
Aber dabei kam was Schönes zutage.
Bekanntlich war es die Absicht der irdischen Friedensfreunde schon vor zwanzig Jahren gewesen, die Tagespresse auf ihre Seite zu ziehen; diejenigen Zeitungen, die von den Friedensfreunden tüchtig bezahlt bekamen, taten natürlich alles mögliche für die Verbreitung der Friedensideen - aber die andern Zeitungen, die nach ihrer Meinung nicht genug für ihren Schlund kriegen konnten, taten bald alles mögliche zur Verbreitung der Kriegsideen - und verstanden es, ihre Leser durch kriegerische Alarmartikel und tägliche Mordsgeschichten so zu verrohen, daß es in kurzem gradezu als Vaterlandsverrat betrachtet wurde, wenn jemand seine Kinder nicht schon im zarten Alter von zehn Jahren militärisch drillen ließ - wofür es viele staatliche Erziehungsanstalten gab, die das Drillen ganz umsonst besorgten.
Und so erfuhr der Militarismus auch durch die Tagespresse nur eine Steigerung seiner Kraft, was allerdings zur Folge hatte, daß die Erdleute überall geneigt waren, große Revolutionen zu arrangieren.
Und so wurde manches anders - ganze Reihen von Potentaten wurden abgeschafft - aber die stehenden Heere wurden keineswegs abgeschafft.
Die von den Regierungen gut bezahlte Tagespresse sorgte dafür, daß das Interesse am Heerwesen nicht wieder erschlaffte. Aller Hohn und Spott von seiten der Friedenspartei nutzte gar nichts; die Soldaten lachten die Friedensleute einfach aus und drückten ihnen öfters die Hände und sagten freundlich:
»Ihr habt das meiste zu unserm Wohlsein beigetragen. Wenn Ihr nicht so viel auf das Soldatenwesen geschimpft hättet, so lebten wir heute noch so schlecht wie die armen Stiefelputzer, die vor zwanzig Jahren dienten. Jetzt leben wir einen Herrentag!«
»Sehr gut!« sagte Loso, als er das in den hellen Museumsgrotten las,» wir werden sicherlich siegen; ein Wunder kann sich ja, wie Knéppara sehr richtig äußerte, immer noch ereignen. Verlieren wir nur den Mut nicht; die Erdmänner verlieren ihn auch nicht.«
Und als nun dreißig Jahre nach der entscheidenden Ratssitzung ins Land gegangen waren, da fiel es allen Erdfreunden sehr sauer, noch fürderhin auf Abschaffung des irdischen Militarismus zu hoffen; grade die Bekämpfung des Militarismus von seiten einzelner Erdmänner hatte diesen erst recht stark gemacht- und es machte sich auf Erden schließlich die Meinung geltend, daß grade die Bekämpfer des Soldatentums die gemeingefährlichsten Leute seien.
Und dieses letztere stimmte - denn eine Sache, gegen die man kämpft, beeinflußt das innere Wesen des Kämpfenden im Sinne der bekämpften Sache; der Kampf gegen die Roheit verroht mehr als jeder andre Kampf; die Bekämpfer des Verbrechertums werden die größten Verbrecher; und der Kampf gegen die Verrücktheit macht selbst das bißchen reine Vernunft in uns zu einer ganz verrückten Sache.
Das Uniformwesen aber nahm auf Erden immer mehr überhand, und es war tatsächlich herzlich langweilig, diese wohlbewaffneten Erdvölker, die sich ewig und immer nur an die Gurgel packen wollten, noch länger anzusehen - statt anzuspeien.
Und viele Mondmänner bedauerten bereits, daß das große Fernrohr den dummen Erdmännern eine so große Wichtigkeit verliehen hatte.
»Die Erde«, sagte Knéppara, »ist tatsächlich ein langweiliger unsympathischer Stern.«
Dieses Bekenntnis machte natürlich großes Aufsehen.
Und viele Weltfreunde bedauerten jetzt lebhaft, daß der Beschluß der Ratssitzung unveränderliche Gültigkeit behielt.
Alle wurden von großer Ungeduld gepeinigt; die Weltfreunde sehnten sich nach dem großen Rohre, und die Erdfreunde hatten an dem durchweg ekelhaften Gebaren der Erdvölker keine Freude mehr, da alle Hoffnung auf ein Besserwerden der irdischen Zustände wie eine Albernheit aussah.
Und die Weltfreunde machten am Himmel so viele neue Entdeckungen, die immer wieder die Sehnsucht nach dem großen Teleskope fast ins Krankhafte steigerten.
Auf einer nicht allzu weit entfernten Kreisring-Sonne hatte man große Lebewesen entdeckt, die bei den kolossalsten Temperaturen ganz friedlich und ohne Kämpfe nebeneinander lebten.
»Es ist«, sagte Zikáll, »ein großer Irrtum, wenn man annimmt, daß friedlose kriegerische Zustände auf sehr vielen Sternen zu finden seien. Es ist doch ein bodenloser Stumpfsinn, wenn man sich ein erhöhtes heftiges Pulsieren des Lebens immer als Begleiterscheinung von Kampf und Vernichtung denkt. Zustände, wie wir sie auf der Erde kennenlernen, gibt es wohl noch an verschiedenen Punkten des uns bekannten Weltenraums - aber diese Unglücksstätten sind irdischen Pestbeulen vergleichbar - seltsame Ausnahmezustände - einfache Abnormitäten.«
»Daher habe ich mich«, versetzte Knéppara, »auch so leidenschaftlich mit der Erde beschäftigt. Ich will doch hinter die Ursache kommen, der derartig abnorme kranke Zustände ihr Dasein verdanken - so was muß doch Gründe haben. Es muß doch was dahinter stecken.«
Mafikâsu sagte da errötend:
»Ich kann mir nicht denken, daß Lebewesen, die sich gegenseitig töten und verspeisen, irgendeine Spur von höheren Zwecken verfolgen könnten. Es gibt im Weltraum ohne Frage unsäglich viele Kreaturen, deren Erhaltung nicht beabsichtigt werden kann; daß aber was hinter solchen Mistexistenzen stecken könnte - das will mir gar nicht recht einleuchten; wir sehen doch, daß