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Mitte des 20. Jh. wurde Weltgeschichte, grob gesagt, als Triumphgeschichte der westlichen Zivilisation geschrieben. Dieser Blickwinkel bestimmte die marxistische Geschichtsschreibung ebenso wie die, die den Fortschritt der Technologie, der Unternehmen und der liberalen Demokratie priesen. Er war nicht immer optimistisch, und es gab zahlreiche Untergangspropheten. Doch er ging stets davon aus, dass Geschichte von Europäern (und ihren Nachkommen) geschrieben wurde. So wurde es unwidersprochen akzeptiert, wenn europäische Historiker davon sprachen, Schwarzafrika habe keinerlei bedeutende Geschichte hervorgebracht und nichts zum Fortschritt der Menschheit beigetragen.

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       Der postkoloniale Revisionismus

      Im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jh. fiel der Begriff einer einzigen, zielgerichteten historischen »großen Erzählung« in sich zusammen – und mit ihm der Eurozentrismus. Die postkoloniale, postmoderne Welt forderte eine Vielzahl von Geschichten, die aus dem Blickwinkel verschiedener gesellschaftlicher Identitäten erzählt wurden. Viele wandten sich der Erforschung der schwarzen Geschichte, der Frauengeschichte, der Homosexuellengeschichte zu – genauso wie den Geschichten, die aus asiatischer, afrikanischer oder der Perspektive der amerikanischen Ureinwohner erzählt wurden. Marginalisierte und Unterdrückte einer Gesellschaft wurden nicht länger als passive Opfer, sondern als »Akteure« der Geschichte angesehen. In einem Aufruhr des Revisionismus wurden zahlreiche Ansichten über Geschichte, wie Gebildete im Westen sie kannten, auf den Kopf gestellt. Viele Ereignisse erfuhren nun eine andere Bewertung. Die Reaktion auf den 500. Jahrestag von Christoph Kolumbus’ erster Reise nach Amerika im Jahre 1992 verdeutlicht beispielhaft die entstandene Verwirrung: Hätte man einst überall in den Vereinigten Staaten stolze Gedenkfeiern erwartet, wurde dem Ereignis tatsächlich, wenn überhaupt, eher mit Scham gedacht. Die Menschen sind sich nicht mehr einig, was sie über ihre traditionelle Geschichte, ihre epochalen Ereignisse denken sollen.

       Eine Perspektive des 21. Jahrhunderts

      Auf die »große Erzählung« vom menschlichen Fortschritt wird hier verzichtet. Das Buch will einen Überblick über die Weltgeschichte anhand spezifischer Augenblicke und Ereignisse geben, die ein »Fenster« in ausgewählte Bereiche der Vergangenheit öffnen. Es reflektiert die langfristige Bedeutung zentraler und aktueller Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Klima und Umwelt in ihrem ideologischen und narrativen Kontext und erzählt von allgemein historisch interessanten Ereignissen – wie die Magna Charta, die Pest und der amerikanische Bürgerkrieg.

      Dieses Buch zeigt: Geschichte ist ein Prozess und nicht etwa eine Reihe zusammenhangloser Ereignisse. Sie ist nicht determiniert, sondern bleibt auch im 21. Jh. eine grundlegende Disziplin für alle, die – wie der englische Dichter Alexander Pope (1688–1744) – glauben: »Das richtige Forschungsthema der Menschheit ist der Mensch«. image

      »Wir sind nicht die Erzeuger von Geschichte, wir sind ihr Produkt.«

      Martin Luther King jr. Strength to Love (1963)

      DIE URSPRÜNGE DER MENSCHHEIT

      VOR 200 000 JAHREN – 3500 V. CHR.

      VOR CA. 200 000 JAHREN

      In Ostafrika tauchen die ersten Menschen (Homo sapiens) auf. In Europa und Westasien leben Neandertaler (Homo neanderthalensis)

      VOR CA. 40 000 JAHREN

      Menschen des Paläolithikums schaffen Kunst (Tierskulpturen und Höhlenmalerei) und Artefakte (Schmuck, Werkzeuge und Waffen)

      VOR CA. 21 000 JAHREN

      Auf der Erde kommt es zu einer Eiszeit. In den nördlichen Regionen sterben Menschen und Tiere aus oder wandern nach Süden

      UM 9000 V. CHR.

      Im heutigen Westjordanland wird Jericho gegründet – eine der ältesten kontinuierlich bewohnten Städte der Welt

      VOR CA. 45 000 JAHREN

      Menschen haben sich über den gesamten Globus verbreitet und bevölkern große Teile Eurasiens und Australiens, das sie mit ihren Booten von Südostasien aus erreichten

      VOR CA. 35 000 JAHREN

      Erste menschliche, meist weibliche Figurinen werden aus Knochen, Elfenbein, Terrakotta oder Stein hergestellt

      VOR CA. 15 000 JAHREN

      Nordamerika wird erstmals von Menschen besiedelt, die entweder über die große Landbrücke zwischen Asien und Nordamerika (heute die Beringstraße) oder übers Meer kamen

      UM 7500 V. CHR.

      Gründung der Siedlung Çatalhöyük (heute Zentraltürkei); Belege komplexer Rituale weisen auf einen sozialen Zusammenhalt hin

      UM 5000 V. CHR.

      In Serbien wird Kupfer gewonnen und verarbeitet, im Nahen Osten das Rad erfunden – wahrscheinlich eher zum Töpfern als für den Transport

      UM 3300 V. CHR.

      Im Nahen Osten beginnt die Bronzezeit – und auf dem indischen Subkontinent entwickelt sich die Indus-Kultur

      UM 3000 V. CHR.

      In Sumer (Südmesopotamien, im heutigen Irak) wird die Keilschrift, eine der ältesten Schriftsysteme des Menschen, entwickelt

      UM 2500 V. CHR.

      In Stonehenge (Großbritannien) werden im Zentrum eines 500 Jahre zuvor durch einen Erdwall eingerichteten Versammlungsorts Steinkreise errichtet, die später erneuert werden

      UM 4000 V. CHR.

      In Mesopotamien entwickeln sich im Tal zwischen Euphrat und Tigris (heute Irak, Syrien und Kuwait), wo Bewässerungslandwirtschaft betrieben wird, erste Zivilisationen

      UM 3100 V. CHR.

      Narmer vereinigt Ober- und Unterägypten und wird Pharao der 1. Dynastie Ägyptens; die Hieroglyphen sind bereits entwickelt

      UM 2700 V. CHR.

      Als monumentale Grabbauten werden in Ägypten die ersten Pyramiden aus Stein errichtet; zwei Jahrhunderte später wird die Große Pyramide von Gizeh gebaut

      UM 1800 V. CHR.

      In Ägypten entstand auf Basis der Hieroglyphen alphabetische Schrift (protosemitisches Alphabet); Vorform vieler moderner Alphabete

      Die Ursprünge des Menschen liegen wahrscheinlich in Afrika. Durch Evolution und natürliche Selektionsprozesse entwickelte sich im Laufe von Jahrmillionen in Ostafrika neben den Schimpansen, unseren nächsten Verwandten, die Gattung des Menschen (Homo). Im Verlauf biologischer Entwicklungsprozesse trat neben anderen Hominiden (z. B. den Neandertalern, die vor 40 000 Jahren ausstarben) der Homo sapiens auf: der moderne Mensch. In einem Moment (wann genau, ist schwer zu sagen) begann dieser, einen anderen Weg als andere Affenarten einzuschlagen, nämlich den der kulturellen Entwicklung. Von nun an entwickelten Menschen die Fähigkeit, durch die Erzeugung von Werkzeugen, Sprachen, Denkweisen, gesellschaftlichen Bräuchen und Kunst ihre Art zu leben, zu verändern. Als sie erste Bilder an die Wände

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