Скачать книгу

haben […] den Weg zu einer gegenseitigen Anerkennung der Ämter wirklich blockiert.« (117) Kasper schweigt zu dem von Papst Benedikt XVI. (2005–2013) 2009 geschaffenen ›Auffanglager‹ für Anglikaner, die die Frauenordination ablehnen und deshalb zur römisch-katholischen Kirche übertreten unter weitgehender Beibehaltung ihres Ritus.33 Es stellt sich die Frage, ob die von Johannes Paul II. abgelehnte Frauenordination den bis dahin erreichten Konsens grundsätzlich in Frage stellt oder nur ein retardierendes Moment ist. Wenn Ersteres der Fall wäre, könnte man alle Gespräche über die Amtsfrage mit den Kirchen, die Frauen ordinieren, einstellen.

      In einem zweiten Unterabschnitt behandelt Kasper den Dialog mit den übrigen reformatorischen Kirchen, wegen des unterschiedlichen erreichten Ergebnisstandes auf differenzierte Weise. Zunächst wird das ordinationsgebundene Amt wie im anglikanisch-katholischen Dialog als integrales Element der Kirche herausgestellt, das nicht einfach in einer Delegation der Kirche, sondern in der Sendung Jesu Christi seinen Ursprung habe und dem die Aufgabe zukomme, den Herrn durch die Verkündigung des Wortes Gottes und die Darreichung der Sakramente gegenüber der Gemeinde zu vergegenwärtigen (118–121). Auch wenn diese Kirchen die Rede von der Ordination als Sakrament mehr oder weniger ablehnen, stimmen sie doch mit der katholischen darin überein, durch Handauflegung und Gebet in dieses Amt zu ordinieren (121 f.). Bei der Frage jedoch, wer ordiniert, gehen die Positionen auseinander. Am nächsten stehen sich noch Katholiken, bei denen ausschließlich Bischöfe ordinieren dürfen, und Lutheraner, bei denen die Ordination in der Regel von Personen mit kirchenleitender Funktion wahrgenommen wird. Die Methodisten kommen dem durchaus nahe, auch wenn sie ein dreigliedriges Amt und die apostolische Amtssukzession nicht für notwendig erachten. Am schwierigsten tut sich der katholisch-reformierte Dialog mit diesen Fragen (123–125). Überhaupt wird die apostolische Sukzession im Bischofsamt, die nach römisch-katholischer Überzeugung konstitutiv ist für das Kirchesein, von den übrigen Kirchen nicht in derselben Weise gesehen und gehört nach Kasper zu den offenen Fragen (125 f.). Von der in diesen Kirchen seit über 50 Jahren praktizierten Frauenordination ist dabei gar nicht die Rede.

      Ein eigener Abschnitt ist dem Thema der »Episkope« gewidmet, der mit »Konvergenzen« überschrieben ist, obwohl hier keine einheitliche Linie in Sicht ist (127–132). Einigung besteht darüber, dass es nicht nur lokale, sondern auch regionale Ämter braucht, die für die Einheit der Kirche zuständig sind. Jedoch gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, von wem und wie ein solches übergemeindliches kirchenleitendes bzw. Aufsichtsamt wahrgenommen werden soll: personal oder/und synodal. Die Reformierten sprechen ausdrücklich von der »Synode als ein[em] korporative[n] Episkopat« (131). Die Tatsache, dass hier wie in den Synoden der anderen reformatorischen Kirchen, wenn auch in jeweils unterschiedlicher Weise, ein hoher Anteil von nichtordinierten Mitgliedern vorgesehen ist, während in der römisch-katholischen Kirche das Bischofskollegium allein aus zu Bischöfen geweihten Männern besteht und Laien als Teilnehmer nur bei Diözesansynoden vorgesehen sind,34 die dabei wie auch die teilnehmenden Kleriker nur eine beratende Stimme haben,35 wird nicht problematisiert. Auch innerhalb der römisch-katholischen Kirche dürfen meines Erachtens künftige Synoden und Konzilien nicht ohne eine angemessene Beteiligung von nichtordinierten Personen und darunter selbstverständlich Frauen stattfinden. Da der geltende Codex Iuris Canonici vorsieht, dass zu einem Ökumenischen Konzil neben Bischöfen »auch einige andere, die nicht Bischöfe sind, von der höchsten Autorität der Kirche berufen werden« können, die auch »deren Stellung im Konzil näher zu bestimmen«36 hat, erscheint eine Erweiterung des Teilnehmerkreises durchaus möglich.

      Was die übergemeindliche Einheit der Kirche angeht, ist bei Kasper auch von weltkirchlichen Dimensionen und schließlich vom Petrusamt die Rede. Im Hinblick auf Letzteres sieht Kasper im Dialog mit den Anglikanern die meisten Anknüpfungspunkte, auch bei den Lutheranern gebe es eine gewisse Offenheit, während bei den Reformierten und Methodisten offensichtlich Zurückhaltung vorherrsche (140–145).37

       2.2 Die Orthodoxie

      Die Orthodoxie bietet für Außenstehende ein äußerst komplexes, nur sehr schwer einzuordnendes Bild,38 auch wenn die orientalischen Kirchen, die gegenwärtig unter der politischen Situation, besonders in Syrien, unendlich leiden, im Folgenden nicht berücksichtigt werden.39 Dies bleibt bzw. wird verstärkt, auch nachdem nach langer Vorlaufzeit vom 19. bis 26. Juni 2016 auf Kreta ein Panorthodoxes Konzil stattgefunden hat.40 Daran haben vier von vierzehn eingeladenen, panorthodox als autokephal anerkannten Kirchen nicht teilgenommen, darunter die russisch-orthodoxe. Aus der Sicht dieser Kirchen ist das Konzil nicht legitimiert (»Rumpfsynode«41). Deshalb sind für diese auch die Beschlüsse des Konzils nicht bindend, aus der Sicht des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios, der für die Durchführung gekämpft und während des Konzils den Vorsitz innegehabt hat, gleichwohl, und zwar auch für die Nichtteilnehmer. Das Konzil äußert sich in Texten unterschiedlicher Länge und wohl auch von unterschiedlichem Gewicht. Eine kürzere Botschaft der Heiligen und Großen Synode der Orthodoxen Kirche: An das orthodoxe Volk und an alle Menschen guten Willens42 und eine längere Enzyklika43 behandeln mehr oder weniger dieselben Themen, einige davon werden dann nochmals in eigenen Texten vertieft. Zwei widmen sich Grundfragen des orthodoxen Lebens wie der Fastenpraxis44 und dem Ehesakrament45, andere kirchenrechtlichen Problemen wie dem Verhältnis der orthodoxen Kirchen untereinander46. Ökumenisch von besonderer Bedeutung sind die beiden abschließenden Texte Beziehungen der orthodoxen Kirche zu der übrigen christlichen Welt47 und Die Sendung der Orthodoxen Kirche in der heutigen Welt48. Diese beiden letzteren könnte man vergleichen mit dem Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio und der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes des II. Vaticanums. Wie alle solche Kompromiss-Texte sind auch diese Beschlüsse nicht leicht zu interpretieren, zumal sowohl hinsichtlich der Sprache, in der sie abgefasst sind, als auch des Denkens, das darin zum Ausdruck kommt, erhebliche Übersetzungsprobleme bestehen. Darüber hinaus müsste man die vorbereitenden Schemata und die Aussprache vor Ort berücksichtigen, um die endgültigen Beschlüsse richtig einzuschätzen.49

      In den Texten kommt ein gerüttelt Maß an »Säkularisierungsängste[n]«50 zum Ausdruck, aber sie bieten durchaus Anknüpfungspunkte für einen Dialog mit den anderen Kirchen. Wichtig ist, dass dieser Dialog überhaupt bejaht und die anderen Kirchen nicht pauschal als häretisch abqualifiziert werden. Diese Gefahr stand durchaus im Raum. Zu einem orthodoxen »Ecumexit« ist es glücklicherweise nicht gekommen, was sich daran ablesen lässt, dass auch einige der am Panorthodoxen Konzil nicht beteiligten Kirchen danach an ökumenischen Dialogtreffen sowohl mit der römisch-katholischen Kirche als auch mit dem Lutherischen Weltbund teilgenommen haben.51 Problematisch allerdings erscheint das Dialogverständnis, das in diesen Texten zum Ausdruck kommt. In der Botschaft etwa heißt es: »Auf diese Weise [d. h. durch den Dialog] lernt die übrige christliche Welt die echte orthodoxe Tradition besser kennen, den Wert der Lehre der Kirchenväter sowie das liturgische Leben und den Glauben der orthodoxen Christen.«52 Dass dies auch umgekehrt gilt, kommt ebensowenig in den Blick wie die Möglichkeit, dass ein echter Dialog alle, die daran teilnehmen, verändert. Explizit ausgeschlossen wird ein »Kompromiss in Glaubensfragen«53.

       3. Zukunft

      Ist das nicht eine ernüchternde und, was die Zukunft angeht, eher ratlos stimmende Bilanz? Sie macht klar, dass es sich mit der Wiederherstellung der Einheit der Kirchen ebenso verhält wie mit der europäischen Einigung. Beide sind keineswegs selbstverständlich und ergeben sich nicht von selbst, sondern sie müssen gewollt werden, und man muss etwas dafür tun. Beide sind Schlussfolgerungen aus den negativen Erfahrungen zweier Weltkriege, wobei auch der zweite, der von einer verbrecherischen deutschen Regierung vom Zaun gebrochen wurde, an alte, nicht von den Nationalsozialisten erfundene, sondern nur ausgenutzte Feindbilder anknüpfen konnte. Solche Stereotypen sitzen tief und kommen, wie man gegenwärtig sehen kann, immer wieder hoch. Ähnliches gilt auch für das Verhältnis der Kirchen zueinander. Nicht nur im 16. Jahrhundert lässt sich bei der Auseinanderentwicklung der christlichen Konfessionen

Скачать книгу