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thronte.

      »Dicte Svendsen.«

      »Du warst aus und hast dich amüsiert«, hörte sie Kaisers Stimme aus der Redaktion in Kopenhagen.

      Sie hatte nicht die Kraft, noch einmal zu erklären, warum sie Samstagnacht im Hafen gewesen war. Stattdessen wartete sie auf die nächste Frage des Redakteurs, obwohl sie sie fast wortwörtlich Voraussagen konnte.

      »Eine Vergewaltigung nach der anderen und jetzt das. Sie gehen nicht gerade sanft um mit den Mädchen in Århus. Wer ist sie?«

      »Wenn ich es wüsste, wäre das die morgige Titelstory. In einer halben Stunde findet eine Pressekonferenz statt, vielleicht bekommen wir da eine Antwort«, sagte sie.

      »Aber du hast sie gesehen?«

      Sie nickte und erinnerte sich dann, dass er das nicht sehen konnte.

      »Ich habe sie gesehen.«

      »Hell, dunkel? Dänin, Ausländerin? Was meinst du?«

      »Beides.«

      Der Hörer blieb stumm. Jetzt war er es, der wartete.

      »Sie hatte langes, blondes Haar«, vertiefte sie ihre Aussage. »Wenn man jedoch genauer hinsah, war der Haaransatz schwarz. Und sie hatte hohe Wangenknochen.«

      »Asiatin?«

      »Vielleicht.«

      Er pfiff leise.

      »Osteuropa?«

      »Ich kann mich irren.«

      Sie konnte nahezu sehen, wie sich der Schnauzer in einem kleinen satanischen Lächeln nach oben zog, und war wieder einmal dankbar für den Abstand zwischen Århus und Kopenhagen.

      »Nee, wirklich?«

      Seine Stimme hörte sich plötzlich anders an, eine Art professionelle Sorge hatte sich hineingeschlichen.

      »Schaffst du das?«

      Schaffte sie das? Er kannte sie so gut. Sie dachte an das junge Mädchen und an seine Verletzlichkeit, an das lange, helle Haar und den blutigen Unterleib. Sie wusste, dass sie ihn bitten konnte, Holger Søborg auf den Fall anzusetzen und sie außen vor zu lassen. Sie wusste auch, dass sie um ihres eigenen Wohlergehens willen darum bitten sollte.

      Sie atmete tief ein und gab ihm die Antwort, von der sie beide wussten, dass sie kommen würde.

      »Natürlich schaffe ich das.«

      6

      Anne streckte die Hand nach der Thermoskanne aus und goss sich schwarzen Kaffee in die Tasse. Ihr Körper schmerzte nach dem Training, doch wie immer danach fühlte sie sich frisch und klar im Kopf.

      »Anne?«

      Die Chefhebamme Vibeke Termansen zeigte auf die Platte mit Plunderteilchen, die am anderen Ende des Tisches stand. Anne schüttelte den Kopf.

      »Ich habe gerade etwas für meine Gesundheit getan, das will ich nicht gleich wieder kaputtmachen«, sagte sie und bemerkte, dass sie leicht zickig klang.

      Die Krankenschwester Henriette Baunehøj rollte die Augen, nahm ein Stück Gebäck von der Platte und biss in die zuckrige Glasur.

      »Sei nicht päpstlicher als der Papst«, kam es zwischen den einzelnen Bissen. »Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich brauche meine Dosis Zucker.«

      Anne pflegte ihren Heiligenschein und trank von dem zuckerfreien Kaffee, der furchtbar schmeckte. Sollten sie sich ruhig über sie lustig machen, sie hatte gelernt, damit zu leben. Seit der Operation hatte sie ihre Ernährungsgewohnheiten umgestellt, um zumindest das Gefühl von Einfluss darauf zu haben, ob der Krebs wiederkam oder nicht.

      »Habt ihr die Story über den Mord im Hafen gelesen?«, murmelte Henriette und schüttelte den Kopf, dass die Krumen flogen. »Das ist schon unheimlich, was? Mitten in dem ganzen Chaos – und niemand hat etwas bemerkt.«

      Vibeke Termansen legte den Kopf schief, um den Artikel besser sehen zu können. Sie zeigte auf das Verfasserkürzel.

      »Ist der nicht von deiner Freundin? Dicte Svendsen?«

      Anne nickte.

      »Sie ist wirklich vielseitig«, konstatierte die Chefhebamme.

      Während die anderen sich darüber ausließen, wer die tote Frau im Hafen entsorgt haben könnte, dachte Anne kurz an Dicte. Wer hätte gedacht, dass aus der stillen, in sich gekehrten Gymnasiastin eine dynamische Journalistin werden würde? Sie waren nahezu vom ersten Augenblick an Freundinnen gewesen, verbunden durch die Umstände, die sie wie zwei Flüchtlinge in einem fremden Land hatten zueinander finden lassen. Jede hatte ihr Päckchen zu tragen gehabt, oberflächlich glichen sich ihre Geschichten nicht, doch im Kern waren sie gleich. Unsicher was ihre Identität und die Liebe eines Elternteils – in Dictes Fall beider – anging, hatten sie einander gestützt. Sie waren in guten und in schlechten Zeiten füreinander dagewesen. Waren es noch immer.

      Anne trank einen Schluck Kaffee und atmete den warmen Dampf ein.

      Jedenfalls hatten sie sich immer umeinander Sorgen gemacht. Anne hatte das von Dictes Seite erlebt, als sie krank geworden war, und jetzt war es umgekehrt. Jetzt sorgte sie sich um Dicte. Ihr wurde ganz kalt, wenn sie daran dachte, was Dicte im letzten halben Jahr alles durchgemacht hatte und wie sie noch immer gegen ihre Angst ankämpfte. In diesem Licht betrachtet war die Frauenleiche im Hafen auf mehr als eine Weise beunruhigend.

      »Was glaubst du? Hat Dicte dir etwas gesagt? Verfolgt die Polizei eine Spur?«

      Anne schüttelte den Kopf.

      »Ich habe nichts gehört. Ich glaube, sie hat etwas von einer Pressekonferenz gesagt, die heute stattfinden soll. Vielleicht weiß man nach der Obduktion mehr.«

      Vibeke Termansen sah sich den Artikel noch einmal an. Sie schien gleichzeitig zu lesen und zu sprechen.

      »Das arme Mädchen. Wer tut so etwas?«

      »Was glaubst du?«, fragte die Hebammenanwärterin Susanne Rasmussen, die in diesem Augenblick zur Tür hereinkam und sich auf einen Stuhl fallen ließ. »Es ist wohl kein Zufall, dass man sie unten bei der Diskothek gefunden hat, wo die ganzen Einwanderer hingehen.«

      Anne konnte sich nicht beherrschen.

      »Natürlich ist das kein Zufall. Jemand kann sie dahin gelegt haben, damit man genau diese Schlussfolgerung zieht.«

      Vibeke Termansen mischte sich ein, bevor das Gespräch in eine zu erregte Diskussion ausartete.

      »Es ist jedenfalls schrecklich. Hoffen wir, dass die Polizei bald etwas herausfindet.«

      Anne beruhigte sich langsam. Susanne Rasmussen gab zwei Teelöffel Zucker in ihren Kaffee und rührte energisch um.

      »Ich kann sie einfach nicht ausstehen«, brach es aus ihr heraus. »Sie sind so verdammt ... «

      Sie ballte die Hand zur Faust. Vibeke Termansen drückte Susanne die Hand, während diese sich eine Träne fortwischte.

      »Was ist los?«

      Es war nicht schwer zu erraten. Sie alle hatten das schon erlebt, und heute war Susanne an der Reihe.

      »Fatima auf Zimmer sieben«, sagte sie leise. »Sie hat ein kleines, süßes Mädchen bekommen. Und dann ist die ganze Familie aufmarschiert, der Vater und der Mann vorneweg.«

      Sie sah sich in der Runde um.

      »Und da war die Freude vorbei, richtig?«

      »Hat sie bereits Mädchen?«, wollte Henriette wissen.

      »Drei«, sagte Susanne. »Ein viertes war absolut unerwünscht. Die arme Fatima, sie war ganz außer sich. Ich musste zwei Krankenpfleger rufen, um alle hinauszubefördern, damit sie sich ausruhen konnte.«

      »Wie alt ist sie?«, fragte Vibeke.

      »Vierundzwanzig. Sie ist mit

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