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Blutzoll: Skandinavien-Krimi. Elsebeth Egholm
Читать онлайн.Название Blutzoll: Skandinavien-Krimi
Год выпуска 0
isbn 9788726569643
Автор произведения Elsebeth Egholm
Жанр Языкознание
Серия Ein Fall für Dicte Svendsen
Издательство Bookwire
»Die erschlagen mich, wenn sie die sehen«, murmelte er ihr ins Ohr und klopfte auf die Ausbuchtung in seiner Jacke. »Ich drehe mal eben eine Runde.«
Sie wollte protestieren und ihn bitten, ihr bei der Suche nach Rose zu helfen. Doch er war bereits in der Menge verschwunden, getrieben vom Adrenalin und seinem Instinkt. Ein Einsamkeitsgefühl ergriff kurz von ihr Besitz, dann riss sie sich zusammen und zog den Block aus der Tasche. Sie marschierte auf eine Gruppe von Einwandererjungen zu, die am Rand der Massenschlägerei herumhingen, neben dem Gebäude der Kraft- und Futterstoff-Gesellschaft.
»Ich bin Journalistin«, sagte sie. »Könnt ihr mir sagen, was hier los ist?«
Ein junger, schwarzhaariger Bursche mit zornigen, zusammengewachsenen Augenbrauen zertrat mit dem Absatz seines Turnschuhs eine Zigarette. Er sah sie misstrauisch an.
»Keine Fotos«, sagte er. »Wir wollen nicht in die Zeitung.«
»Das ist okay«, versprach sie und hoffte, dass Bo sich fernhielt.
Die Augen des jungen Mannes leuchteten im Halbdunkel.
»Sie wollten uns nicht reinlassen, da hat es Ärger gegeben, und jemand hat die Polizei gerufen. Jetzt sind sie mit Hunden angerückt«, sagte er lakonisch. »Die Schuld bekommen immer wir.«
Sie schrieb mit, obwohl er nur sagte, was sie bereits wusste. Sie nickte verständnisvoll in dem Versuch, die Jungen zu beruhigen und ihnen zu versichern, dass sie auf ihrer Seite stand, obwohl sie sich dessen nicht sicher war. Das hier war Konfliktforschung für Fortgeschrittene.
»Wer hat die Polizei gerufen?«
Der Kumpane des Jungen zuckte mit den Schultern.
»Wahrscheinlich die Türsteher. Wir sind zum Hintereingang reingegangen, da haben sie eine Scheißangst bekommen.«
Plötzlich sprudelten die Worte nur so aus ihren Mündern, und sie schrieb, so schnell sie konnte, bekam aber nicht alles mit. Die Party auf der Fähre war offensichtlich bis Mitternacht eine Art geschlossene Gesellschaft gewesen, dann hatte man die Türen für die Allgemeinheit geöffnet, aber einen Teil der Leute abgewiesen, obwohl sie Freikarten hatten. Die Polizei war gekommen und hatte die Gemüter besänftigt, doch eine Stunde später waren die Abgewiesenen mit Verstärkung zurückgekommen und hatten sich durch den Hintereingang Zutritt zu der Diskothek verschafft. Die Polizei hatte diese daraufhin geschlossen, Gewalt und Frustration waren ernsthaft aufgeflammt, und irgendjemand hatte den Feueralarm betätigt, um die Besucher aus der Diskothek hinauszubekommen.
»Das ist die letzte Scheiße. Die überreagieren total«, sagte einer der Jungen. »Das tun die immer, wenn es um uns geht.«
»Ein paar sind von Polizeihunden gebissen worden«, sagte ein anderer. Er nickte in Richtung der übelsten Typen, die jetzt Richtung Innenstadt gedrängt wurden. »Sie setzen sogar Schlagstöcke ein, diese Faschistenschweine.«
»Fuck!«
Einer der jungen Burschen spuckte wütend auf den Asphalt. »Ich muss pissen.«
Er wandte sich von der Gruppe ab und verschwand hinter einem blauen Container für Kombüsenabfälle. Dicte wollte gerade weiterfragen, als sie einen halb erstickten Laut hörte und der Typ, der pinkeln musste, leichenblass und mit offenem Hosenstall angerannt kam.
»Scheiße, Mann. Jetzt reicht es.«
Der Wortstrom verebbte, als er zusammenklappte und sich unter lautem Würgen erbrach. Hustend und prustend kam er schließlich wieder auf die Beine.
»Da hinten liegt eine Frau«, räusperte er sich. »Ich glaube, sie ist tot.«
Die Gruppe schien in Sekundenschnelle zu Eis zu erstarren. Doch dann gewann die Neugier die Oberhand, und die Jungen stürzten zu dem Container. Dicte lief hinter ihnen her.
Zunächst sah man nicht viel. Eine Art Decke war um eine Gestalt gewickelt, die so verrenkt dalag, wie kein Mensch sich selbst hinlegen konnte. Ein weißer Arm ragte seltsam angewinkelt über den Kopf, und ein Bein guckte verdreht unter der Decke hervor, während das andere unter den Körper geklemmt war. Oberkörper und Gesicht waren von der Decke verborgen, unter der langes, helles Meerjungfrauenhaar hervorquoll. Auf den ersten Blick schien auch der Unterkörper einigermaßen ordentlich zugedeckt. Doch dann bemerkte man, dass der Rock aus klebrigem Rot bestand. Dicte stieg plötzlich der süßliche Geruch von Menschenblut in die Nase.
»Was zum Teufel ...?«
Einer der Jungen trat einen Schritt vor, beugte sich hinunter und zog die Decke über den Unterleib der Toten.
»Lass das!«
Sie hörte ihre eigene Stimme, schrill vor Erregung. Der Junge richtete sich schnell auf. Er sah verschreckt aus.
»Sie kann doch nicht so liegen bleiben«, protestierte er mit weinerlicher Stimme.
»Ihr dürft nichts anfassen«, fuhr sie ein wenig ruhiger fort. »Ruft die Polizei.«
Sie wusste nicht, wie viel Zeit verging. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und plötzlich war eine Traube von Menschen um die Leiche hinter dem Container versammelt. Dann endlich kam die Polizei und drängte sie zurück. Sie ließ sich wegschieben und versuchte dabei, die Übelkeit zu bekämpfen, indem sie an etwas anderes dachte.
Irgendjemand zog an ihrem Arm.
»Mama. Was ist passiert?«
Rose stand neben ihr und sah unbegreiflich anmutig aus in ihrem hauchdünnen, hellgrünen Sommerkleid und dem offen über die nackten Schultern hängenden Haar. Meerjungfrauenhaar, dachte Dicte eine Sekunde lang, dann schob sie den Vergleich von sich. Erst jetzt bemerkte sie den jungen Mann, der dicht neben ihrer Tochter stand. Dunkle Mandelaugen und eine Gesichtsfarbe wie helle Schokolade. Schwarze Rastalocken.
»Das ist Aziz«, sagte Rose verlegen. »Wir wollten in die Disko.«
2
Wagner war froh über die Dunkelheit, als Ida Maries Stimme sich mit der wohlbekannten Mischung aus Süße und Beharrlichkeit einen Weg in seinen Gehörgang bahnte.
»Es gibt auch noch andere Möglichkeiten.«
Sie lehnte sich auf seine Bettseite hinüber. Diesmal antwortete sein Körper ihr mit Müdigkeit.
»Andere Möglichkeiten«, murmelte er und wollte sie absichtlich nicht verstehen. »Meines Wissens gibt es nur eine, und zwar die, die wir gerade praktiziert haben.«
Sie lag eine Weile still neben ihm. Dann stützte sie sich auf den Ellenbogen, und er konnte die weiche, weiße Kurve ihrer Brust wie eine schöne Frucht direkt vor seiner Nase erahnen.
»Du weißt genau, was ich meine.«
Natürlich wusste er das, doch die Worte verhedderten sich in seinem Kopf, und er hatte Schwierigkeiten, sie auszusprechen. Sie tat es für ihn:
»Adoption oder künstliche Befruchtung.«
Das Telefon klingelte und beendete ihr Gespräch. Sie protestierte nicht, als er den Hörer abhob.
»Wagner.«
»Bereitschaft, Kasper Grundtvig. Entschuldigen Sie, dass ich Ihren Nachtschlaf störe. Wir haben eine Leiche im Hafen.«
Wagner wollte sagen, dass er nicht geschlafen hatte. Dass er nicht schlafen konnte, weil sein und Ida Maries Leben sich zu einem harten Klumpen aus gutem Willen und weniger guten Resultaten verfilzt hatte. Er begnügte sich mit einem Grunzen.
»Was ist passiert?«
»Bei dem Diskoschiff hat es Krawalle gegeben. Man hat eine Frauenleiche gefunden.«
Er hörte sich stöhnen. Das Adrenalin begann auf wohlbekannte Weise durch seinen Körper zu strömen.
»Wieder Probleme mit den Einwanderern?«
»Das