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mehr übersehen!«

      »Was ist denn?« fragte er unwillig.

      »Deine Mutter – ich kann es mir nur mit fortschreitender Senilität erklären!«

      »Den Eindruck hatte ich bisher nicht«, gab er zur Antwort. »Erst kürzlich beim Steuerberater…«

      »Sie ist schon wieder mit diesem alten Arzt unterwegs.«

      »Dr. Wenden?«

      »Genau! Sie gehen zusammen in die Oper. Deshalb kann sie nicht kommen, und wir sollten die Feldkirchens von ihr grüßen.«

      »Hm«, machte Gotthard.

      »Jetzt waren sie doch erst im Konzert, dann in einer Ausstellung, und zudem kommt er ständig zum Tee…«

      »Ja, ja, Omama hat einen scharfen Verehrer!« Aribo, der gerade in die Bibliothek kam, hatte offenbar die letzten Worte gehört.

      »Sie macht sich und uns unmöglich!« rief Eliane zornig.

      »Naja…«, brummte Gotthard, der nicht recht wußte, was er sagen sollte.

      »Wir finden das super!« rief Aribo lachend.

      »Wer ›wir‹?« wollte seine Mutter ärgerlich wissen.

      »Ekatarina, Elena und ich! Ist doch toll, daß man auch in späteren Jahren…«

      »Da hörst du es!« schrie Eliane außer sich und völlig unbeherrscht, »sie macht sich zum Gespött!«

      »Omama – niemals!« verteidigte Aribo seine Großmutter.

      »Und habt ihr schon weiter gedacht?« bohrte Eliane, entschlossen, gegen diese peinliche Freundschaft etwas zu unternehmen, weiter.

      »Wie weit?« spottete Aribo.

      »Du sei still!« fuhr ihn nun sein Vater ungeduldig an. »Deine Mutter hat ganz recht! Der alte Dr. Wenden mag ja ein netter Mann sein und auch vielleicht ein guter Arzt…«

      »Er ist pensioniert und lebt bei der Familie seines Sohnes!« unterbrach Gräfin Eliane erneut. »Wahrscheinlich…«

      »Mama!« Aribo wurde ärgerlich.

      »Das ist doch absurd!«

      »Was ist absurd? Wenn deine Großmutter so verrückt ist, in ihrem Alter sich noch für Männer zu interessieren…«

      »Eliane, mäßige dich!« warnte nun auch Gotthard.

      »Und was ist, wenn sie ihr Vermögen diesem Arzt und seiner Familie hinterläßt?« fauchte Eliane nun.

      Gotthard starrte sie ziemlich verblüfft an.

      Daran hatte er noch nicht gedacht! Aber freilich: Eliane hatte recht!

      »Mama, Papa…«, versuchte Aribo etwas zu sagen.

      »Du hältst dich da ganz raus!« mahnte jetzt sein Vater. »Was willst du eigentlich hier?«

      »Ich wollte im Lexikon etwas nachschlagen«, gab Aribo schlecht gelaunt zur Antwort.

      »Dann nimm’ es dir mit und verschwinde. Dein Vater und ich haben hier Wichtiges zu besprechen«, forderte seine Mutter ihn ungnädig auf.

      Aribo gab keine Antwort, holte sich den benötigten Band aus dem Regal und verließ ohne ein weiteres Wort die Bibliothek.

      »Man muß bei den Kindern aufpassen: sie haben so moderne Ansichten«, sagte Eliane aufgeregt. »Stell’ dir vor: wenn die Schönhausens von dieser – Mesalliance hören! Womöglich bestehen sie darauf, daß Alexander seine Verlobung mit Ekatarina löst!«

      Gotthard sah seine Frau mit einer Mischung aus Schreck und Bewunderung an.

      »So weit habe ich noch gar

      nicht gedacht«, gab er zu. »Allerdings – ich kann mir nicht vorstellen…«

      »Du bist mit deiner Arbeit

      so beschäftigt, daß du nicht mitkriegst, daß deine Mutter fast täglich mit diesem – diesem Erbschleicher zusammen ist.«

      »Erbschleicher…«, murmelte er etwas zweifelnd.

      »Nun ja! Natürlich nicht für sich! In erster Linie für seine Kinder und Enkel!« behauptete Eliane.

      »Da besteht natürlich eine gewisse Gefahr«, dachte Gotthard laut und stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. Die Sorgen wurden immer mehr anstatt weniger! »Es kann gut sein, daß nach den verschiedenen Reformen im Gesundheitswesen die Wendens sich gerne hier etwas – nun, mitnehmen wollen. Aber ganz abgesehen davon: er ist nur, wirklich nichts, standesgemäß!«

      »Bei Gott nicht!« empörte sich Eliane.

      »Und dazu in diesem Alter! Fast Siebzig! Das – das ist doch einfach – peinlich!«

      *

      Aribo hatte sich den Folianten unter den Arm geklemmt und ging hinüber in den Westflügel des Schlosses, wo sich die Räume seiner Schwestern befanden. Er klopfte bei Ekatarina an die Türe.

      »Störe ich dich beim Knutschen mit deinem Zukünftigen oder habt ihr für einen Moment Zeit?«

      »Alexander ist leider schon weg«, gab die zur Antwort. »Ich habe meine Streicheleinheiten für heute schon bekommen!« Sie lachte höchst vergnügt.

      »Wo ist Elena?« fragte ihr Bruder.

      »Wo wird sie sein? Auf ihrem Zimmer, irgendein langweiliges Kunstbuch wälzen!« erwiderte Ekatarina und rekelte sich. »Gibt es etwas Besonderes?«

      »Ja. Aber ich habe keine Lust, zweimal das gleiche zu erzählen. Ich rufe Elena herüber!«

      Ekatarina sah ihm erstaunt nach. Dann legte sie mit einem bedauernden Seufzer den Liebesroman, in dem sie gerade schmökerte, zur Seite. Irgendwie klang Aribo, als hätte er unangenehme Nachrichten. Womöglich war er in Gefahr sitzenzubleiben und brauchte schwesterliche Unterstützung!

      »Er macht es echt spannend!« fand Elena, als sie mit ihm zurückkam.

      »Omama geht heute mit Dr. Wenden in die Oper!« platzte Aribo nun heraus.

      »Ehrlich?« Ekatarina klatschte vergnügt in die Hände. »Das finde ich wunderbar!«

      »Und? Was ist dabei?« erkundigte sich Eliane.

      »Nichts. Ich finde es auch prima. Aber ihr solltet unsere Eltern hören. Ich kam zufällig dazu, weil ich ein Buch brauchte.«

      »Wieso? Was kann sie da stören?« wunderte sich Elena. »Ich finde das ganz prima. Was soll sie immer alleine in ihrem Haus herumsitzen?!«

      »Eben! Aber sie empören sich wegen nicht standesgemäß!«

      »Quatsch!« sagte Ekatarina.

      »Würde es dich als zukünftige Fürstin nicht stören, wenn deine Großmutter schlicht ›Frau Wenden‹ hieße?« fragte Aribo interessiert.

      »Du glaubst, es ist sooo ernst?« fragte Elena entzückt.

      »Unseren Eltern nach – ja!«

      »Na, so etwas! Wer hätte das gedacht: Omama heiratet womöglich noch vor dir!« Elena fand die Geschichte köstlich.

      »Die Hauptsache ich doch, daß die beiden zufrieden und glücklich sind«, meinte Ekatarina. »Ich erinnere mich sehr gut, daß unsere Eltern auch immer ein Gesicht ziehen, wenn sie Omama dazubitten müssen. Oder glauben, es zu müssen! Sollen sie doch froh sein!«

      »Das finde ich eben auch: wir müssen Omama unterstützen!« erklärte Ario.

      »Klar unterstützen wir sie!« stimmten die beiden Mädchen sofort zu.

      »Sie haben Angst, sie könnte etwas von ihrem Geld an die Familie von Dr. Wenden vererben!« berichtete Aribo.

      »Es ist doch ihr Geld! Und sie kann damit machen, was sie will!« ärgerte sich Elena. »Sie ist doch wirklich alt

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