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Kellerkinder und Stacheltiere. Группа авторов
Читать онлайн.Название Kellerkinder und Stacheltiere
Год выпуска 0
isbn 9783967075205
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Серия CineGraph
Издательство Bookwire
Im Filmgeschäft ist die sprachliche Transformation ein wichtiger Faktor für die internationale Vermarktung. Insbesondere in der Satire ist der Sprachwitz elementarer Bestandteil. Ein Beispiel dafür ist DR. STRANGELOVE OR: HOW I LEARNED TO STOP WORRYING AND LOVE THE BOMB (1964) von Stanley Kubrick. Die Roman-Vorlage »Two Hours to Doom« (1958, Peter George) nähert sich dem Thema noch prosaischer und weniger sarkastisch an. Aber insbesondere auch durch die Dialoge wandelte Kubrick die Adaptation in eine Satire um. Die Herausforderung, dies auch in Synchronfassungen zu erhalten, untersucht Nils Daniel Peiler am Beispiel der akribischen Verfahrensweise bei der deutschen Synchronfassung DR. SELTSAM ODER: WIE ICH LERNTE, DIE BOMBE ZU LIEBEN.
Die Tschechen sind nicht zuletzt wegen des »braven Soldaten Schwejk« stolz auf ihre lange Tradition des satirischen Humors. Anhand von einigen verbotenen Studentenfilmen der FAMU in Prag aus den 1970er und 1980er Jahren zeigt Tereza Cz. Dvořáková, wie Satire in tschechoslowakischen Filmen verwendet wurde und auf welche Widerstände sie im sozialistischen System stießen.
Andere Missstände offenbart die Satire im kapitalistischen System. Judith Ellenbürger erkundet mit Georg Simmel und Diogenes in Filmen wie ZEIT DER KANNIBALEN (2014), THE WOLF OF WALL STREET (2012/13) und AMERICAN PSYCHO (1999/2000) den »Zynismus in der Finanzsatire«.
Einen selbstreflexiven Blick auf das Medium Film werfen Produktionen wie BEING THERE (1979, Hal Ashby) und WAG THE DOG (1997, Barry Levinson), die Werner Barg in seinem Beitrag »Medienkritik als politische Satire« betrachtet und die gerade in Zeiten von »Fake News« und Verschwörungserzählungen interessante und aktuelle Parallelen zur Gegenwart bieten.
Die Grenzen der Satire werden auch immer wieder beim satirischen Umgang mit dem Nationalsozialismus, insbesondere der Figur Adolf Hitlers deutlich. François Danckaert beleuchtet am Beispiel von David Wnendts ER IST WIEDER DA (2015) die Hitler-Komik und inwieweit diese als politischer Weckruf fungieren kann.
Der vorliegende Band versammelt die (überarbeiteten) Vorträge des 32. Internationalen Filmhistorischen Kongresses »Dr. Seltsam oder: Aus den Wolken kommt das Glück. Film zwischen Polit-Komödie und Gesellschafts-Satire«, der vom 21.–23.11.2019 im Gästehaus der Universität Hamburg stattfand, eingebettet in das XVI. Internationale Festival des deutschen Film-Erbes (Hamburg 16.–24.11.2019). Dabei ging es um die Fragen, wie Filme im Kraftfeld zwischen Politik, Kritik und Komik wirken, wie sich die satirische Darstellung über die Jahrzehnte und in unterschiedlichen Regimen äußerte. Es stand nicht die finale Definition eines Genres im Mittelpunkt, sondern die Bestimmung der Grenzen, in denen sich die Trennschärfe auflöst. Die folgenden Beiträge geben somit einen Eindruck von der Vielfalt der Politik- und Gesellschafts-Satire im Film, die sich über ganz unterschiedliche Genres erstreckt. Nicht ein vollständiger Überblick, sondern Schlaglichter auf Stacheltiere, Wunder- und Kellerkinder, die als Denkanstoß für die weitere Beschäftigung mit der Thematik dienen mögen.
Erika Wottrich, Swenja Schiemann | Hamburg, im Herbst 2020 |
Michael Töteberg EIN MAULKORB FÜR DEN FÜHRER Satire im »Dritten Reich«: Der Fall Heinrich Spoerl
Am 6.2.1935 erschien im Film-Kurier ein Feuilleton von Heinrich Spoerl, das aufhorchen ließ. »Die Angst vor dem Witz« war es überschrieben.1 »Zunächst sei festgestellt: Der Witz ist keine jüdische Erfindung. Auch kein Instrument des Satans. Witz ist Würze und Waffe. Auch heroische Zeiten können ihn nicht entbehren.« Mit der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten waren »heroische Zeiten« angebrochen. In wenigen Monaten war aus der liberalen Weimarer Republik eine stramm auf den »Führer« ausgerichtete Diktatur geworden. Für Andersdenkende gab es nichts mehr zu lachen. Humor und Ironie waren nicht gefragt, da klang das offene Plädoyer für den Witz fast schon wie der Aufruf zu Subversion. »Witz hat allerdings eine unsoldatische Eigenschaft: Er läßt sich nicht kommandieren.« Ein Witz lasse sich nicht unterdrücken. »Wenn man ihn als Unkraut jätet, sprießt er in verborgenen Nischen um so heftiger und wird giftig.«
Das waren die sogenannten Flüsterwitze, die überall kursierten und trotz Strafandrohung nicht zu unterbinden waren. Angeblich handelte es sich um ausländische Feindpropaganda. Spoerl setzte dagegen: »Witze sind zollfrei. Aber das ist kein Grund, unsere Witze aus dem Ausland zu beziehen. Ich halte dafür, daß wir unsere Witze künftig wieder selber machen. Auch die politischen. Die erst recht.«
Das kleine Feuilleton wurde zur Visitenkarte des Autors. Heinrich Spoerl stellte es 1937 an den Anfang eines Bandes mit Plaudereien, dem er den programmatischen Titel »Man kann ruhig darüber sprechen« gab. Dort wurden Dinge angesprochen, über die man im »Dritten Reich«, wollte man nicht Gefängnis und Verfolgung riskieren, lieber nicht sprach. Spoerl verstand es, wider den Stachel zu löcken, ohne wirklich anzuecken.
Sein Meisterstück in dieser Hinsicht lieferte er mit dem Roman »Der Maulkorb« (1936), einer Satire auf Obrigkeitsgläubigkeit und Untertanengeist, angesiedelt im zeitlosen Nirgendwo, doch mit unverkennbar kritischen Zeitbezügen. »Die Komplexe sind auf das genaueste proportioniert«, lobte die Lichtbild-Bühne die Verfilmung von 1938, »der Film sagt an vielen Stellen deutliche Wahrheiten, ohne wehe zu tun.«2 Dieses Kunststück machte Spoerl während der Nazi-Zeit zum mit Abstand erfolgreichsten Unterhaltungsschriftsteller sowie zu einem von Wolfgang Liebeneiner wie von Joseph Goebbels geschätzten Filmautor.
Zensurangst
Den Film-Kurier las auch Olaf Fjord, ein berliner Schauspieler mit Drang zu Höherem, d.h. er wollte Produzent und Regisseur werden. Er hatte 1934 bereits Kontakt mit Heinrich Spoerl und den Autor nach Filmideen gefragt. Die Antwort kam postwendend: »Selbstverständlich habe ich einen Film mit starker Idee auf Lager. Der Oedipus-Konflikt, ins Kriminalhumoristische übersetzt. Der Staatsanwalt, der sich selbst verfolgt. Beiliegend eine ganz kurze Skizze.«3 Er habe den Stoff bereits weitgehend ausgearbeitet. Eigentlich sei er für einen humoristischen Roman bestimmt, noch mehr aber sei es ein Filmstoff, und man könne ja beides machen. »Mit der Zensur wird man zurechtkommen. Der Stoff hat ethische Haltung, er ist keine persiflierische, sondern ein Loblied auf den preussischen Beamten, der selbst in größter Not keinen krummen Weg geht, und trotzdem das Ansehen des Staates und der Behörde rettet.«
Gleich unter dem Artikel über den Witz stand im Film-Kurier die Meldung »Filmverbot«. Die neuen Zensur-Vorschriften waren derart vage – für ein Verbot reichte es, dass die Belange des Staates oder auch nur »das nationalsozialistische Empfinden« verletzt werden könnte –, dass es keine Rechtssicherheit gab. Die Vorstellung, einen Film zu produzieren, der nicht ausgewertet werden kann, schreckte jeden Produzenten. Spoerl spürte, dass dieser Punkt sich mit einem bloßen Hinweis auf die ethische Haltung nicht erledigen würde. So schickte er, noch bevor dieser sich zu dem Exposé geäußert hatte, Fjord einen Brief und präsentierte seine Trumpfkarte: »Wenn Sie für den Stoff Interesse haben, würde ich die Zensurfrage auf mich nehmen. Die Schriftleitung des ›Angriff‹, die ja über gute Beziehungen verfügt, würde mich dabei gegebenenfalls unterstützen.«4
Das Exposé hatte Spoerl parallel an die Redaktion des berliner Parteiblatts Der Angriff geschickt, wo man sich von ihm einen humoristischen