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am Al­ten Markt, dem heute wieder schöns­ten Platz der Stadt. Auf Fotos aus den 1950er-Jahren sieht er noch wie ein Ge­biss des Grauens aus: das Schloss in Rui­nen, die Nikolaikirche und das Alte Rat­haus ebenso. Noch leerer wurde der Al­te Markt, als das Stadt­schloss 1960 ab­gerissen wurde. Der Platz mutierte zu einer öden, weiten Fläche, über die der Wind pfiff, wie geschaffen für Groß­kund­ge­bungen. Heute, nach den Re­kons­truk­tio­nen, kann man dem Al­ten Markt eine gewisse Grandezza wahr­lich nicht absprechen. Urbane Le­ben­digkeit will sich aber nicht ein­stel­len. Trotz der vielen Touristen, die hier auf- und abmarschieren. Schauen wir uns um.

      Dominiert wird der Platz von der → Nikolaikirche mit ihrer mächtigen Kuppel. Unterhalb der Kuppel gibt es ei­ne Aussichtsplattform. Gen Süden blickt man von dort auf Stuck und Gold rund um den Alten Markt, gen Osten auf düstere Modularbauten aus sozia­lis­tischer Zeit.

      Vor der Kirche steht seit Mitte des 18. Jh. ein 25 m hoher, von barbusigen Sphin­gen bewachter Obelisk, den der Bild­hauer Benjamin Giese ursprünglich mit den Bildmedaillons preußischer Kur­fürsten und Könige verziert hatte. Zu DDR-Zeiten wurde der Obelisk we­gen Baufälligkeit bis auf den Sockel ab­ge­tragen und mit Marmor aus der Sow­jet­union und Jugoslawien wieder auf­ge­baut. Seitdem schmücken ihn keine preu­ßischen Herrscher mehr, sondern die Reliefs berühmter preußischer Ar­chi­tekten. Die Figuren an den Ecken stel­len antike Redner dar.

      Der Bau rechts neben der Nikolaikirche mit dem vergoldeten Atlas auf dem Dach ist das Alte Rathaus, heute ein Teil des → Potsdam Museums. An der Süd­ostseite, zur Alten Fahrt hin, folgt das → Palais Barberini, der Promi unter den Potsdamer Palästen. Im Inneren wird hochkarätige Kunst gezeigt.

      Links der Nikolaikirche fallen Bau­zäu­ne ins Auge. Hier stand bis 2018 ein drei­geschossiger Bau der DDR-Mo­der­ne, der zuletzt die Fachbereiche Sozial- und Infor­ma­tions­wesen der Fach­hoch­schule Pots­dam beherbergte. Das Ge­bäu­de war arg umstritten. Die einen lieb­ten es, die anderen hassten es. Die, die in dem Gebäude ein Stück er­hal­tens­werte DDR-Architektur sahen und für dessen Erhalt kämpften, kämpf­ten ver­gebens - die Hasser ge­wan­nen. Ab 2021 soll hier ein Block aus 15 Ge­bäu­den im historisierenden Stil ent­ste­hen. Ge­plant ist eine „Mi­schung aus Woh­nen, Einzelhandel, Gas­tronomie, Kunst und Kultur“.

      Seinen würdigen Abschluss erhält der Al­te Markt gen Süden durch das lachs­ro­sa­farbene → Stadtschloss, ein Fake-Schloss, dessen Rekonstruktion 150 Mio. Euro kostete. Im Schloss hat heute der Land­tag seinen Sitz. An der West­sei­te des Schlosses, zur Friedrich-Ebert-Stra­ße hin, erblickt man den gol­de­nen Schrift­zug „Ceci n’est pas un châ­teau“. Auf Deutsch: „Das ist kein Schloss“. Und im Klartext: „Das ist kein Ab­klatsch, son­dern was Eigenes.“ Aus­ge­dacht hat sich den Satz die Pots­damer Res­tau­ra­to­rin Annette Paul. Da­vor steht die Rin­ger­kolonnade, eine Kolon­nade mit korin­thi­schen Säulen. Was ihr fehlt, sind die namengebenden Rin­gerskulpturen, die noch auf ihre Res­taurierung warten.

      Sterne gucken

      Das FH-Gebäude verschwand zwar. Ge­ret­tet aber wurde sein Fas­sa­den­schmuck, wa­benartig miteinander ver­netz­te Sterne aus weiß lackiertem Alu­mi­nium, einem Ori­gami-Kunstwerk ähn­lich. Bereits vor dem Abriss 2018 wa­ren die Sterne zum Sym­bol des Kamp­fes für den Erhalt des Bauwerks ge­worden: „FH bleibt!“. Und zum Zei­chen des Protests gegen die politische Kul­tur in der Stadt. Selbst auf Stoff­taschen wurden sie gedruckt. Ein Teil der Sternefassade ist heute auf dem FH-Cam­pus an der Kiepenheuerallee nörd­lich des Zentrums eingelagert und soll künf­tig u. a. bei der Verschönerung des Campus Verwendung finden. In der dor­tigen Bibliothek hängen schon wel­che. Auch anderswo schafften es die Ster­ne bereits in den öffentlichen Raum: Werfen Sie z. B. einen Blick auf das abgerockte Gebäude der Bibliothek konte◊ :x◊ t an der Ecke Hermann-Elflein-Straße/Gutenbergstraße (der Stern hängt hofseitig zur Guten­berg­stra­ße hin). Viel Spaß beim Sterne­gu­cken!

      Entlang der Breiten Straße

      Früher verband die Kolonnade das Stadtschloss mit dem → Marstall auf der anderen Seite der Stra­ßen­bahn­schie­nen. In dem imposanten Ge­bäu­de­rie­gel - länger als ein Fußballplatz, aber nicht mal so breit wie ein Tennis­platz - ist heute das Filmmuseum un­ter­gebracht. Direkt hinter dem Marstall ent­steht zur Friedrich-Ebert-Straße hin Pots­dams neue Synagoge, bis 2023 soll das Projekt abgeschlossen sein.

      Wir umrunden den Marstall mit seinen zwei prächtigen Portalen samt wie­hern­den Pferden entlang der Breiten Stra­ße. Auf der Rückseite des Mar­stalls, bei der Sta­tue von General Steu­ben, biegen wir nach links in den Neu­en Markt ein. Apro­pos Steuben. Fried­rich Wilhelm von Steu­ben (1730-1794) war ein preu­ßi­scher Offizier. Als seine Homo­sexualität be­kannt wurde, flüch­te­te er nach Ame­ri­ka und machte im Ame­rikanischen Un­ab­hängigkeitskrieg Karriere. Er sprach bestes Denglisch, angeblich mit „oll korrekt“ statt mit „all correct“ zeichnete er seine Papiere ab - Kurzform: „o.k.“.

      Gebäude in Potsdam-Gelb, Prin­zes­sin­nen­rosa und Mintgrün. Historische Stra­ßenlaternen, die das Kopf­stein­pflas­ter bescheinen. Der Neue Markt ist eine der charmantesten Ecken der Stadt. Gleich rechter Hand steht dort das Kabinetthaus (Hausnr. 1). Hier tag­te einst das königlich-preußische Kabi­nett, daher der Name. Zuvor schon, genau genommen 1770, wurde darin der spätere König Friedrich Wil­helm III. geboren.

      Barockplatz at its best: Neuer Markt

      Die Häuser am Platz sind größtenteils Ori­ginale. Die Bomben des Zweiten Welt­kriegs verschonten den Neuen Markt, der bereits seit 1722 so heißt. Heu­te sind hier Wissenschaft und For­schung zu Hause: Am Neuen Markt sit­zen u. a. das Leibniz-Zentrum für Zeit­his­torische Forschung Potsdam , das Mo­ses Mendelssohn Zentrum, das Einstein Forum und das Deutsche Kulturforum östliches Europa.

      In der Mitte des Platzes steht die ehe­ma­lige städtische Ratswaage, die noch zu DDR-Zeiten in Betrieb war. Heute be­findet sich darin ein italienisches Res­taurant namens Waage. In der his­to­rischen Gaststätte zur Ratswaage in der Nachbarschaft hingegen serviert heu­te das Kochzimmer sternegekrönte Kü­che - also nicht den falschen Tisch im falschen Lokal buchen (mehr dazu → Essen & Trinken).

      Ein Durchgang - über dem Portal eine Qua­driga mit Kutschern und Stall­bur­schen - führt vom Neuen Markt in den Hof des Kutschstall-Ensembles mit dem → Haus der Brandenburgisch-Preu­ßischen Geschichte. Verlässt man den Hof auf der gegenüberliegenden Sei­te, steht man vor einer Brache - oder viel­leicht schon vor einer Baustelle? Hier soll ein neues Kreativquartier na­mens Kreativ Quartier³ entstehen. In­te­griert wird darin auch ein „neuer“ Lan­ger Stall. Der „alte“ Lange Stall, ur­sprüng­lich 170 m lang, diente der Gar­ni­son für Winterübungen. Er wurde 1871 erbaut und im Zweiten Weltkrieg zer­stört. Einzig die Portalfassade mit Säu­len und Giebelschmuck blieb er­hal­ten - von hinten sieht sie aus wie eine frei stehende Brandwand.

      Der Turm, der hinter der Portalfassade des Langen Stalls in den Himmel ragt, ist der wieder aufgebaute Turm der → Gar­nisonkirche. Mitte 2022 sollen die Ar­beiten an dem Turm

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