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Todesruhe - Ein Fall für Julia Wagner: Band 2. Tanja Noy
Читать онлайн.Название Todesruhe - Ein Fall für Julia Wagner: Band 2
Год выпуска 0
isbn 9788726643077
Автор произведения Tanja Noy
Жанр Языкознание
Серия Ein Fall für Julia Wagner
Издательство Bookwire
„Nein, in der Wirklichkeit ist es ganz anders.“
„Mein Bruder hatte schon mit einigen sehr interessanten Fällen zu tun“, schaltete Nicole sich in das Gespräch ein, während sie ihm ein weiteres Stück Käsekuchen auf den Teller schaufelte. „Frag ihn, ob er dir davon erzählt, Sissi.“
Sissi produzierte ein schwaches Lächeln, und Zander warf seiner Schwester einen warnenden Blick zu, den sie jedoch ignorierte.
Er seufzte leise auf. Das hatte sie sich fein ausgedacht. In drei Jahren würde er fünfzig werden, und seine Schwester war fest entschlossen, ihn diesen Tag nicht allein und als Single erleben zu lassen. Dafür konnte er nun schwerlich Sissi einen Vorwurf machen, die hoffentlich – wahrscheinlich aber eher nicht – ahnungslos war. Sie sah eigentlich ganz nett aus, und sicher war sie das auch, aber Zander hatte kein Interesse – und er hatte auch nicht die Absicht, seine Schwester die Fäden ziehen zu lassen, nur weil er ihrer Meinung nach nicht alleine sterben sollte.
Er bemerkte, dass die Kaffeekanne leer war, und erhob sich dankbar. Sofort wirkte es, als fülle er das ganze Zimmer aus. Das lag zum einen an seiner Größe, er war beinahe einen Meter neunzig groß, und zum anderen an seiner Breite, er wog um die hundertzwanzig Kilo.
Zander wusste, dass er dringend abnehmen musste, aber er war der Meinung, dass die Menschen erst einmal aufhören sollten, sich gegenseitig umzubringen. Wenn ihnen das gelang, dann würde er auch anfangen zu fasten.
Kaum hatte er die Küchenzeile erreicht, stand Nicole auch schon hinter ihm und zischte: „Ich mach das. Setz dich sofort wieder hin.“
Zander seufzte und trat den Rückweg an. Das Stechen in seinem Kopf wurde immer schlimmer.
„Wo waren wir stehen geblieben?“, fragte Sissi, kaum dass er wieder neben ihr Platz genommen hatte. „Ach so … Ich wäre nie darauf gekommen, was für einen Beruf Sie haben.“
„Sie meinen, ich sehe nicht aus wie ein Polizist?“
„Sie sehen jedenfalls nicht so aus, wie ich mir einen Kriminalbeamten immer vorgestellt habe. Sie wirken so …“ Sissi überlegte. „Seriös. Eher wie ein Politiker.“
Damit spielte sie auf Zanders teuren dunklen Anzug, die perfekt dazu abgestimmte Krawatte und die sauber geputzten, glänzenden Schuhe an.
Er hob die Schultern. „Ich mag es eben, wenn die Dinge ordentlich zusammenpassen.“
„Später kommt Fußball“, kam ihm Nicoles Mann Jonas endlich zu Hilfe. „Bleibst du, Schwager?“
Zander wollte zu einer Antwort ansetzen, als er das Vibrieren seines Handys in der Hosentasche verspürte. Er holte es heraus und stand schnell auf, mehr als dankbar für die Unterbrechung.
Er ging in die Diele und stieß mit dem Fuß die Tür zu, ehe er das Gespräch annahm.
Kurz darauf hatte er sich verabschiedet und war verschwunden.
18:34 Uhr
Julia wollte schlucken, stellte aber fest, dass ihre Zunge taub und wie gelähmt war. Auch ihre Augen konnte sie nicht öffnen. Ihr ganzer Körper fühlte sich an wie mit einem Presslufthammer bearbeitet.
Aus weiter Ferne vernahm sie eine Stimme, die mit ihr redete, aber sie konnte die Worte nicht verstehen. Dann spürte sie, wie jemand ihre Stirn berührte.
„Hallo? Können Sie mich hören?“
Sie wollte sich bewegen, doch im selben Moment durchzuckte ein höllischer Schmerz ihre linke Seite. Sofort erschlaffte sie wieder in der Bewegung.
„Können Sie die Augen aufmachen?“
Sie tat es widerwillig.
Zuerst sah sie nur seltsame Lichtpunkte, bis sich verschwommen eine Gestalt vor ihr abzeichnete. Sie sah ein fremdes Gesicht. Ein Mann. Dunkelhaarig. Bartstoppeln.
„Hallo“, sagte er. „Ich bin Doktor Michael Jöst. Sie befinden sich in einem Krankenhaus. Sie sind schwer verletzt, und wir mussten Sie notoperieren. Wissen Sie, wie Sie heißen?“
„Julia“, krächzte Julia.
„Sehr gut. Und jetzt zählen Sie bitte bis zehn.“
Julia tat wie geheißen.
Bei acht schlief sie wieder ein.
Als sie das nächste Mal zu sich kam, verspürte Julia einen dumpfen Kopfschmerz, der jedoch noch gar nichts war gegen den noch viel übleren, stechenden Schmerz in der linken Seite, der sie förmlich zu übermannen drohte. Als würde sie in Flammen stehen.
Mühsam versuchte sie, ihre Gedanken zu sammeln. Nach und nach kamen mehr und mehr Bruchstücke der Erinnerung zurück. Und als sie sich dann erinnerte, ergriff sie ein paar Sekunden lang Panik.
Wolfgang Lange.
Mit der rechten Hand tastete Julia vorsichtig ihren Körper ab und stellte dabei fest, dass sie vom Unterleib bis zur Brust dicke Verbände trug.
Dieser Mistkerl.
Dieser satanistische Höllenhund.
Sie erinnerte sich an den Moment, in dem die zweite Kugel ihren Körper getroffen hatte. Das war der Moment, in dem sie sicher war, dass sie sterben würde. Ganz alleine und ohne ein Leben, das vor ihrem inneren Auge Revue passierte. Einfach so.
Und jetzt lag sie da und wunderte sich, dass sie doch noch lebte.
Sie wusste nicht mehr genau, was sonst noch alles geschehen war, aber sie erinnerte sich schemenhaft an die alte Kapelle und an Eva, die am Kreuz hing.
Eva!
Julias Herz begann zu rasen. War sie noch am Leben?
Was mit Pastor Jordan passiert war, hätte Julia in diesem Moment auch nicht beschwören können, aber sie glaubte nicht daran, dass er überlebt hatte.
Und dann fiel ihr plötzlich wieder ein, dass sie Ebeling gesehen hatte. Ebeling, den Wittenroder Dorfpolizisten. Sie war nicht sicher, ob sie es nicht vielleicht nur geträumt hatte, aber sie erinnerte sich an die Tür zur alten Kapelle, die mit einem Mal aufflog, und an tausend kleine Holzsplitter, die in der Luft herumwirbelten.
Einen winzigen Moment öffnete Julia die Augen, dann schloss sie sie wieder. Lange hatte es also nicht geschafft, sie mitzunehmen. Sie hätte glücklich darüber sein müssen, wenigstens erleichtert, aber merkwürdigerweise regte diese Tatsache so gar nichts in ihr. Keine Freude, keine Erleichterung.
Nichts.
Nächster Tag
9:28 Uhr
„Frau Wagner, können Sie mich hören?“
Julia öffnete nicht die Augen.
„Mein Name ist Anita, ich bin Ihre Krankenschwester.“
Keine Reaktion.
„Sie brauchen keine Angst zu haben.“
„Ein Psychopath wollte mich umbringen.“
Die Schwester zögerte kurz. „Nun, das ist wohl richtig. Aber Sie sind noch am Leben, und Ihre Prognose ist gut.“
Julia öffnete die Augen immer noch nicht. „Was ist mit Eva?“
„Mit wem?“
„Eva Haack. Meine Freundin.“
„Ah, Sie meinen die Frau, die gemeinsam mit Ihnen eingeliefert wurde. Nun, sie hatte es ebenfalls ziemlich heftig erwischt, aber sie schwebt nicht in Lebensgefahr.“
„Wo ist sie?“
„Sie liegt ein paar Zimmer weiter. Aber Sie sollten sich jetzt ganz auf sich selbst konzentrieren, um wieder völlig gesund zu werden.“
Julia dachte kurz darüber nach, ob sie es wohl