Скачать книгу

Stran­de dem Schif­fe nach. Dort war je­mand an die Re­ling ge­tre­ten und such­te sich durch lau­tes Ru­fen be­merk­bar zu ma­chen. Ab und zu wa­ren Tar­zans Bli­cke auf den Zet­tel ge­fal­len, den ihm ein Ma­tro­se noch zu­letzt zu­ge­steckt hat­te. Aber jetzt blie­ben sie mit ei­nem Male haf­ten an dem, was auf der »Kin­caid« vor­ging: Ein schwarz­bär­ti­ger Mann hielt ein klei­nes Kind hoch in die Luft; sein höh­ni­sches Ge­läch­ter über­tön­te das Rau­schen der See. In Tar­zan zuck­te es auf, schon ging er mit dem Ge­dan­ken um, sich in die Bran­dung zu stür­zen und schwim­mend das Schiff ein­zu­ho­len – –; aber er emp­fand auch so­gleich die Aus­sichts­lo­sig­keit ra­scher un­durch­dach­ter Tat – und blieb.

      Kei­nen Blick wand­te er vom Schif­fe, bis es hin­ter ei­nem Küs­ten­vor­sprung ver­schwun­den war. –

      Vom Dschun­gel hin­ter ihm starr­ten blut­un­ter­lau­fe­ne Au­gen un­ter bu­schi­gen Brau­en böse auf den Neu­ling.

      Klei­ne Af­fen schnat­ter­ten und kreisch­ten in den Baum­kro­nen, und vom Wal­desin­nern kam das Brül­len ei­nes Leo­par­den.

      Aber noch im­mer blieb John Clay­ton, Lord Grey­sto­ke, gleich­sam taub und blind ge­gen al­les, was um ihn vor­ging. Bit­te­re Vor­wür­fe moch­ten ihn zer­wüh­len. Wie hat­te er auch so leicht­hin dem glau­ben kön­nen, was der Hand­lan­ger sei­nes Erz­fein­des da an Bord ver­si­chert hat­te! Ein ein­zi­ger Trost, dach­te er, bleibt mir: Jane ist in Lon­don si­cher. O wie gut, dass sie we­nigs­tens vor den Klau­en die­ser Schuf­te ge­bor­gen ist! Wie eine Kat­ze auf die Maus hat­te in­zwi­schen je­nes zot­ti­ge Un­tier hin­ter Tar­zan auf der Lau­er ge­le­gen. Jetzt schlich es vor­sich­tig nä­her.

      Hat­te der Af­fen­mensch sei­ne schar­fen Sin­ne nicht mehr? Sein fei­nes Ge­hör, sei­ne untrüg­li­che Wit­te­rung?

      1 Wohn- und Schlaf­raum auf Schif­fen <<<

      Lang­sam ent­fal­te­te Tar­zan den Zet­tel, den ihm der Ma­tro­se noch in die Hand ge­drückt hat­te. Er las, fast ohne dass sich die dunklen Schat­ten, die der Schmerz der letz­ten Stun­de über ihn ge­wor­fen, son­der­lich ver­stärk­ten. Dann aber kam ihm der nie­der­träch­ti­ge Ra­che­plan in sei­nem gan­zen Um­fan­ge zu Be­wusst­sein. Der Wort­laut des Schrift­stückes war fol­gen­der:

      Die­se Zei­len sol­len Ih­nen Klar­heit über al­les ge­ben, was ich mit Ihrem Kin­de und mit Ih­nen vor­ha­be. Sie sind als Affe ge­bo­ren, Sie leb­ten nackt im Dschun­gel. Also, jetzt sind Sie wie­der dort, wo Sie hin­ge­hö­ren, in Ih­rer Hei­mat. Ihr Kind aber soll schon eine Stu­fe hö­her kom­men als sein Va­ter. Das ist un­ab­än­der­li­ches Na­tur­ge­setz.

      Der Va­ter ein wil­des Tier, der Sohn schon ein mensch­li­ches We­sen, al­ler­dings auf der nächs­ten Spros­se der Ent­wick­lungs­lei­ter. Kein nack­tes Dschun­gel­tier, nein, er soll Len­den­schurz und kup­fer­ne Fuß­span­gen ha­ben, viel­leicht auch einen Ring durch die Nase. Wir wol­len ihn ei­nem wil­den Kan­ni­ba­len­stamm zur Er­zie­hung ge­ben.

      Ich hät­te Sie ja tö­ten kön­nen, doch da­mit wür­de ich doch nur das Maß der Ih­nen zu­ge­dach­ten und wohl­ver­dien­ten Stra­fe vor­zei­tig her­ab­ge­setzt ha­ben. Ein­mal tot, könn­ten Sie sich lei­der nicht mehr quä­len­den Ge­dan­ken über die Lage Ihres Kin­des hin­ge­ben. So aber wer­den Sie hier in Ohn­macht da­hin­le­ben; nie wer­den Sie von hier ent­rin­nen, nie wer­den Sie nach Ihrem Kin­de su­chen oder ihm hel­fen kön­nen. Är­ge­res als den Tod wer­den Sie in all den Jah­ren Ihres Le­bens er­lei­den, so oft Sie sich des schre­cken­vol­len Da­seins Ihres Kin­des er­in­nern.

      Dies soll ein Teil Ih­rer Stra­fe sein, weil Sie es wag­ten, sich mir in den Weg zu stel­len.

      N. N.

      Nach­schrift: Was an Ih­rer Be­stra­fung noch fehlt, wird Ihre Frau auf sich neh­men müs­sen, und zwar ab heu­te. Ich über­las­se es Ih­nen, sich das aus­zu­ma­len.

      Kaum hat­te Tar­zan dies ge­le­sen, als ihn ein schwa­ches Geräusch hin­ter sei­nem Rücken ruck­ar­tig in die raue Wirk­lich­keit zu­rück­ver­setz­te. Fast im Au­gen­blick schie­nen sei­ne Sin­ne wie­der­er­wacht zu sein. Er war wie­der der Af­fen-Tar­zan.

      Eine Wen­dung, und vor ihm stand ein un­ge­heu­rer Affe, halb zit­ternd aus ei­nem ge­wis­sen In­stinkt her­aus, sich vor dem Un­be­kann­ten zu si­chern, halb be­reit, je­den Au­gen­blick über ihn her­zu­fal­len.

      Zwei Jah­re war es her, seit Tar­zan mit der ge­ret­te­ten Gat­tin Ur­wald und Wild­nis ver­las­sen. Ein we­nig wohl moch­te von sei­ner furcht­ba­ren Kraft in­zwi­schen ge­schwun­den sein, die ihn einst zum un­be­sieg­ten Herr­scher des Dschun­gels ge­macht hat­te. Viel Zeit und Mü­hen hat­te er sei­nen Län­de­rei­en in Uzi­ri wid­men müs­sen, reich, ja über­reich war das Ar­beits­feld ge­we­sen, das sich dort sei­ner bei­na­he über­mensch­li­chen Kraft er­öff­net hat­te. Aber nackt und waf­fen­los kämp­fen sol­len mit solch ei­nem strup­pi­gen, stier­nacki­gen Un­ge­heu­er, wie es jetzt vor ihm stand: Nein, nicht ein­mal in den Jah­ren, da er nur die Wild­nis ge­kannt, wür­de er über einen der­ar­ti­gen Geg­ner ent­zückt ge­we­sen sein.

      Doch was blieb ihm jetzt an­de­res, als dem ra­sen­den Tie­re mit den Waf­fen zu be­geg­nen, die die Na­tur ihm ver­lie­hen!

      Über des Un­ge­tüms Schul­ter hin­weg ge­wahr­te Tar­zan Köp­fe und Schul­tern von zwölf oder noch mehr die­ser furcht­ba­ren Vet­tern ur­mensch­li­cher We­sen.

      Doch wuss­te er we­nigs­tens, dass die gan­ze Schar kaum ge­schlos­sen zum An­griff über­ge­hen wür­de. Noch reich­te ja der Ver­stand der Men­schen­af­fen nicht so weit, um den Wert des »Alle ge­gen einen« über­haupt zu er­fas­sen. An­de­rer­seits war er sich dar­über im Kla­ren, dass sie lan­ge ge­nug die Ge­bie­ter je­ner Land­stri­che sein moch­ten, denn schre­cken­ge­wal­tig schie­nen ihm ihre dro­hen­den Fäus­te und wild­flet­schen­den Fang­zäh­ne.

      Mit tie­fem Ge­knurr stürz­te jetzt das Un­ge­tüm auf Tar­zan los, doch der Af­fen­mensch hat­te ge­lernt! Nicht bloß, was all­ge­mein im Rei­che der Zi­vi­li­sa­ti­on auf den Neu­ling ab­färbt. Auch Kampf­me­tho­den wa­ren ihm ver­traut ge­wor­den, die das Dschun­gel­tier nicht kann­te. Noch vor we­ni­gen Jah­ren wür­de er ro­her Ge­walt mit ro­her Ge­walt be­geg­net sein. Jetzt wich er rasch dem an­stür­men­den Fein­de aus. Ein Schritt seit­wärts, das ra­sen­de Un­tier stürz­te ihm nach, aber schon saß ihm ein Schlag der ge­wal­ti­gen Rech­ten in der Ma­gen­gru­be. Ein Wut­ge­heul war die Ant­wort, und vor Schmerz ge­krümmt sank der Men­schen­af­fe zu Bo­den. Ver­ge­bens sein fast au­gen­blick­li­ches Be­mü­hen, wie­der auf die Bei­ne zu kom­men …

      Sein wei­ßer Geg­ner war mit ei­ner ra­schen Wen­dung auch schon zur Stel­le; wie ein Ha­bicht stieß er auf ihn nie­der, und die letz­ten Spu­ren ober­fläch­li­cher Zi­vi­li­sa­ti­on wa­ren in je­nem Au­gen­bli­cke wie ein Man­tel von des eng­li­schen Lords Schul­tern her­ab­ge­glit­ten.

      Mit ei­nem Male war in ihm wie­der das Dschun­gel­tier gleich­sam neu er­wacht im Rin­gen mit ei­nem von sei­nes­glei­chen. Mit ei­nem Male war er wie­der Tar­zan, Sohn Kalas, der Men­schenäf­fin. Und sei­ne schar­fen, wei­ßen Zäh­ne gru­ben sich tief in des Fein­des zot­ti­gen Hals. Die Schlag­ader! Kraft ball­te sich in sei­nen

Скачать книгу