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vorbeifuhr, daß es auf dem harten Weg nur so donnerte. Knud sah dem breitschultrig auf dem Wagen Sitzenden nach, während das Pferd vor Sehnsucht nach dem Stall dahinraste, ohne daß Lars etwas anderes tat, als ihm die Zügel locker zu lassen. Das wurde für Knud zu einem Bild für die Kraft des anderen: Dieser Mann fuhr dem Ziel entgegen! Wie er dort in der Herbstkälte ging, hatte er das Gefühl, als wäre er von Lars’ Wagen gestoßen worden.

      Zu Hause auf Aakre wartete voller Ungeduld seine Frau. Sie wußte, daß eine Schlacht geschlagen werden sollte. Sie hatte Lars nie recht getraut, und nun graute es ihr vor ihm. Es hatte sie auch nicht getröstet, daß die beiden zusammen weggefahren waren. Es würde sie nicht einmal trösten, wenn sie zusammen zurückkehrten. Doch die Dunkelheit brach herein, und die Männer kamen noch immer nicht. Sie stand in der Tür, da der Weg am Hause vorbeiführte. Sie ging den Weg ein Stück hinunter, und sie ging wieder zurück, aber kein Wagen war zu sehen. Endlich hörte sie es auf dem harten Weg dröhnen. Ihr Herz schlug ebenso schnell, wie sich die Wagenräder drehten. Sie hielt sich am Türrahmen fest und starrte hinaus. Der Wagen brauste heran, doch darauf saß nur einer. Sie erkannte Lars, der sie gleichfalls erkannte, aber ohne anzuhalten vorüberfuhr. Nun bekam sie erst recht Angst. Sie spürte nicht mehr die Beine unter sich, sie wankte hinein und sank auf die Bank am Fenster. Die Kinder umringten sie voller Angst. Das kleinste fragte nach dem Vater, denn sie sprach mit ihnen nur über Knud. Er hatte so ein gutes Herz, darum liebte sie ihn. Nun aber war dieses gute Herz nur selten daheim, sondern ständig in allerlei Geschäften unterwegs, die ihn und sie alle nur unglücklich machten. Wenn ihm nur nichts Schlimmes zugestoßen war, Knud war ja so aufbrausend! Warum war Lars allein zurückgekommen? Weshalb hatte er nicht angehalten? Sollte sie ihm nachlaufen? Oder ihrem Mann entgegengehen? Sie quälte sich, und die Kinder bestürmten sie mit Fragen und wollten wissen, was passiert sei. Aber vor ihnen wollte sie ihre Sorgen nicht ausbreiten. Deshalb stand sie auf und sagte, sie müßten allein zu Abend essen, bereitete das Abendbrot zu und war ihnen bei der Mahlzeit behilflich. Immer wieder schaute sie den Weg hinunter. Er kam nicht. Sie zog die Kinder aus und brachte sie zu Bett, und das kleinste sprach, während sie sich zu ihm beugte, das Abendgebet. Sie betete die Worte, die der zarte Mund vertrauensvoll vorsprach, so innig mit, daß sie die Schritte draußen nicht hörte.

      Knud stand in der Tür und sah seine kleine Gemeinschaft im Gebet versunken. Seine Frau richtete sich auf, und alle Kinder riefen: „Vater!“ Er aber setzte sich sofort hin und sagte still: „Ach, laß ihn das noch einmal sagen.“

      Die Mutter trat wieder an das Bett, weil er ihr Gesicht nicht sehen sollte. Das wäre wie eine Einmischung in seine Sorgen gewesen, bevor es ihn selber drängte, sich ihr anzuvertrauen. Der Kleine faltete die Hände vor der Brust, die anderen Kinder ebenfalls, und er sprach ihnen vor:

      „Bin ein kleines Kind nur heut,

      doch ich wachse mit der Zeit,

      werde tüchtig, groß und rein

      meiner Eltern Freude sein,

      hilfst du mir, o lieber Gott,

      treu stets halten dein Gebot.

      Nun laßt uns alle des Herrn gedenken,

      erquickenden Schlaf mög’ er uns schenken!“

      Welch ein Friede senkte sich da herab! Kaum eine Minute später schliefen alle Kinder wie in Gottes Arm. Die Mutter ging still hin und her und setzte dem Vater das Abendbrot vor, doch der konnte nichts essen. Als er im Bett lag, sagte er: „Von nun an werde ich zu Hause bleiben.“

      Da bebte sie vor Freude, wie sie dort neben ihm lag, aber sie wagte es nicht, diese Freude zu zeigen. Sie dankte Gott für alles, was geschehen war, denn was es auch gewesen sein mochte, so hatte es sich nun doch zum Guten gewendet!

      Zweites Kapitel

      Innerhalb eines Jahres war Lars Vorsitzender des Gemeinderates, Direktor der Sparkasse, erster Friedensrichter – kurz alles, wozu man ihn nur wählen konnte. Im Landtag schwieg er das erste Jahr, rief dafür aber im zweiten, als er sprach, das gleiche Aufsehen hervor wie im Gemeinderat. Auch hier trat er gegen jene, die bis dahin den Ton angegeben hatten, zum Kampf an, siegte auf der ganzen Linie und war danach selber der Tonangebende. Von dortaus ging es weiter ins Storting, wohin ihm sein Ruf vorausgeeilt war und wo es deshalb nicht an Herausforderungen fehlte. Dort aber blieb er, wenn auch fest und unerschütterlich, stets zurückhaltend. Er wollte nur dort Macht haben, wo er ein bekannter Mann war, und seine Vormachtstellung daheim nicht durch eine mögliche Niederlage draußen aufs Spiel setzen.

      Daheim ging es ihm nämlich gut. Wenn er am Sonntag an der Kirchenmauer stand und die Gemeinde grüßend und ihn verstohlen beobachtend langsam vorüberging, während bald dieser, bald jener stehenblieb, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln, dann konnte man tatsächlich behaupten, daß er, wie er so dastand, das gesamte Kirchspiel mit einem Strohhalm lenkte, denn der hing ihm natürlich im Mundwinkel.

      Das Ansehen, das er genoß, war verdient. Die Straße, auf der sie zur Kirche kamen, war ebensosehr ein Ergebnis seines Wirkens wie die neue Kirche, neben der sie standen. Dieses und vieles mehr verdankten sie der Sparkasse, die er gegründet hatte und die er nun leitete. Die Mittel, die sie einbrachte, waren auf fruchtbare Weise angelegt worden, und die Gemeinde wurde von vielen als ein Musterbeispiel für Selbstverwaltung und gute Ordnung hingestellt.

      Knud Aakre hatte sich völlig zurückgezogen. Anfangs erschien er noch ein paarmal zu den Versammlungen, da er mit sich selbst darüber ins reine gekommen war, seine Hilfe auch weiterhin anzubieten, selbst wenn es seiner Eitelkeit nicht länger schmeichelte. Doch schon bei dem ersten Vorschlag, den er hiernach unterbreitete, wurde er von Lars, der all seine Folgen dargestellt haben wollte, so in die Enge getrieben, daß Knud Aakre leicht gekränkt sagte: „Als Kolumbus Amerika entdeckte, hat er es auch nicht gleich in Kirchspiele und Propsteien aufgeteilt. Das kam erst später.“ Als Lars dann in seiner Erwiderung einen Vergleich zwischen Knuds Vorschlag und der Entdeckung Amerikas anstellte – es ging dabei übrigens um Mittel für eine verbesserte Stallhaltung –, nannten sie Knud unter sich nie mehr anders als „den Entdecker Amerikas“. Da dachte Knud, wo man nicht länger von Nutzen ist, soll man auch nicht mehr mitarbeiten, und er ließ sich nicht wieder zur Wahl aufstellen.

      Aber wirksam blieb er, und um wenigstens etwas zu haben, erweiterte er seine Sonntagsschule und brachte sie mit Hilfe kleinerer Beiträge der Bewerber in Verbindung mit der Inneren Mission, für die er schon bald sowohl in dieser wie auch in den benachbarten Ortschaften Mittelpunkt und Leiter wurde. Lars Høgstad bemerkte hierzu: Wenn Knud Aakre schon einmal für eine Sache Geld einsammle, dann wisse er bereits im voraus, daß sie Tausende von Meilen entfernt sein müsse.

      Zwischen den beiden bestand übrigens keine Feindschaft. Zwar verkehrten sie nicht mehr miteinander, doch sie grüßten sich noch und sprachen auch miteinander. Aber schon bei dem Gedanken an Lars empfand Knud einen kleinen Schmerz, er kämpfte ihn jedoch nieder und sagte sich, daß es eben gekommen sei, wie es habe kommen müssen. Viele Jahre später stieg er auf einer großen Hochzeit, zu der beide geladen und beide auch leicht angeheitert waren, auf einen Stuhl und brachte ein Hoch auf den Vorsitzenden des Gemeinderates und den ersten Stortingsabgeordneten des Kreises aus. Er redete, bis ihn die Rührung übermannte, und dann, wie üblich, ganz besonders gut. Man fand das ehrenhaft von ihm, und Lars trat mit unsicherem Blick auf ihn zu und sagte, daß er ihm für vieles, was er sei und was er wisse, zu danken habe.

      Bei der nächsten Wahl zum Gemeinderat wurde Knud Aakre erneut in den Vorstand gewählt!

      Wenn Lars allerdings geahnt hätte, was nun folgte, hätte er ihn bestimmt nicht wieder eingeführt! Alles zu seiner Zeit, sagt ein Sprichwort. Gerade als Knud Aakre wieder in den Gemeindevorstand kam, drohten die besten Männer des Kirchspiels an einem Spekulationsfieber zugrunde zu gehen, das lange gewütet hatte, aber erst jetzt seine Opfer zu fordern begann. Man behauptete, Lars Høgstad habe dieses große Unglück heraufbeschworen, denn durch ihn erst gewöhnte man sich in der Gemeinde ans Spekulieren. Da der Gemeinderat der größte Spekulant war, hatte er alle mit seiner Geldgier angesteckt. Bis hin zum zwanzigjährigen Tagelöhner, wollten nun alle durch Geschäfte aus einem Taler zehn machen. Ein anfangs übertriebener Geiz, um erst mal zu etwas Kapital zu kommen, wurde schließlich

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