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am Ofen, um sich zu wärmen, denn der Herbst begann nun kalt zu werden. Der Vorsitzende las den Vorschlag vor, aber sehr gedämpft und vorsichtig. Er stamme vom Vogt, der für gewöhnlich das Glück nicht gepachtet habe, fügte er hinzu. Das Gebäude sei außerdem ein Geschenk, und Geschenke pflege man nicht zu veräußern, schon gar nicht ohne zwingende Not.

      Lars, der nie zuvor auf einer Versammlung gesprochen hatte, ergriff nun zur Verwunderung aller das Wort. Seine Stimme bebte, ob aus Rücksicht auf Knud Aakre oder aus Angst vorm Verlieren, sei dahingestellt. Die Gründe aber, die er für diesen Vorschlag anführte, waren so klar und einleuchtend und von solcher Logik und Unanfechtbarkeit, wie man es kaum zuvor auf diesen Versammlungen gehört hatte. Und als er sie alle aufgezählt hatte, fügte er hinzu: „Was den Umstand betrifft, daß dieser Vorschlag vom Vogt stammt, so hat das für die Sache selbst ebensowenig Bedeutung wie der Umstand, wer dieses Gebäude einmal erbaut hat oder wie es in den Besitz der Gemeinde gelangt ist.“

      Knud Aakres Gesicht war rot angelaufen (das kam bei ihm schnell vor), und er rutschte hin und her, wie es seine Art war, wenn er ungeduldig wurde. Trotzdem antwortete er bedächtig und mit ruhiger Stimme. Sparkassen gebe es schon mehr als genug im Land, und sogar ganz in der Nähe, ja, er möchte meinen, viel zu nahe. Wenn man schließlich trotzdem eine gründen wolle, so führten doch wohl noch andere Wege dorthin als über die Gräber der Toten und die Liebe der Lebenden. Bei diesen Worten war seine Stimme etwas unsicher. Er faßte sich jedoch wieder, als er dazu überging, über den Kornspeicher zu sprechen und zu beweisen, worin dessen Nutzen bestand. Darin widersprach ihm Lars gründlich und fuhr dann fort: „Dieses und jenes läßt mich übrigens daran zweifeln, ob die Gemeinde für die Lebenden oder für die Toten da ist. Und ob es die Liebe und der Haß einer einzelnen Familie sind, nach denen man sich hier richtet, oder der Nutzen aller.“

      Knud erwiderte darauf rasch: „Sollte nicht gerade mein Vorredner manch Gutes von dieser Familie gehabt haben – sowohl von den Toten als auch von den Lebenden?“ Ersteres spielte darauf an, daß Knuds einflußreicher Großvater seinerzeit Lars’ Großvater den Hof erhalten hatte, als dieser durch eigene Schuld eine kleine Reise ins Zuchthaus antreten mußte.

      Der Strohhalm, der sich lange sehr schnell gedreht hatte, drehte sich plötzlich langsam.

      „Es ist nicht meine Gewohnheit, überall von mir und meiner Familie zu reden“, sagte Lars und kam dann wieder ruhig und überlegen auf den Tagesordnungspunkt zu sprechen. Er gab eine Übersicht und behielt dabei sein Ziel fest im Auge. Knud gestand sich, daß er die Angelegenheit weder in dieser Dimension gesehen noch je so überzeugende Gründe gehört hatte. Unwillkürlich mußte er zu dem anderen aufblicken. Lars stand da, groß, wuchtig, die kräftige Stirn aber und die tiefliegenden Augen verrieten Klugheit. Sein Mund war etwas klein geraten, im Mundwinkel hing ihm noch der Strohhalm und bewegte sich spielerisch. Über all dem lag eine unbändige Kraft. Fest und unerschütterlich stand er da, die Hände auf dem Rücken, während die Stimme dumpf aus der Tiefe zu kommen schien, als wäre er mit der Erde verwachsen. Knud sah ihn so zum ersten Mal in seinem Leben und fühlte tief im Innersten Angst. Dieser Mann war ihm stets überlegen gewesen! Er hatte alles, was Knud gewußt und ihm erzählt hatte, in sich aufgenommen, alles Nichtige jedoch verworfen und nur behalten, was dieses versteckte, starke Wachstum bewirkt hatte.

      Knud hatte sich seiner liebevoll angenommen und aus ihm einen Riesen gemacht, der ihn nun haßte, tief und furchtbar. Den Grund dafür konnte er sich nicht erklären, doch er fühlte es instinktiv, während er ihn ansah, und darüber vergaß er alles andere und fuhr auf: „Aber Lars, Lars, was in aller Welt ist bloß in dich gefahren?“ Bewegung überwältigte ihn. „Du, den ich ..., du, der du ...“ Er konnte kein Wort mehr hervorbringen, er setzte sich. Um jedoch seiner Erschütterung, die zu sehen Lars nicht würdig war, Herr zu werden, schlug er auf den Tisch, und seine Augen unter dem dichten, störrischen Haar, das ihm stets in die Augen hing, sprühten. Lars stand da, als wäre er nicht unterbrochen worden, nur den Kopf wandte er den anderen zu, wie um zu fragen, ob die Sache damit entschieden sei, weil es sich dann ja erübrige, noch weiter darüber zu reden.

      Diese Ruhe ertrug Knud nicht. „Was hat sich bloß zwischen uns gedrängt?“ schrie er. „Wir, die wir uns bis heute stets in Eintracht und Eifer beraten haben, stehen uns nun gereizt gegenüber, wie von einem bösen Geist besessen.“ Er blickte Lars mit funkelnden Augen an.

      Der erwiderte: „Diesen Geist trägst du doch wohl hinein, Knud, denn ich habe über nichts anderes als über die Sache selbst gesprochen. Aber die ist für dich nur das, was du willst. Nun mußten wir ausprobieren, ob Eintracht und Eifer auch Bestand haben, wenn es einmal nach unserem Willen geht.“

      „Hab ich denn die Angelegenheiten der Gemeinde vernachlässigt?“

      Niemand antwortete. Das tat Knud weh, und er fügte hinzu: „Ich hab wirklich angenommen, ich hätte einiges zuwege gebracht – einiges, was der Gemeinde genützt hat ..., aber vielleicht hab ich mich darin getäuscht.“

      Wieder überwältigte ihn Bewegung. Er war eine hitzige Natur, in der viele Stimmungen miteinander rangen, und der Bruch mit Lars schmerzte ihn so, daß er sich kaum beherrschen konnte.

      Lars entgegnete: „Ja, ich weiß, du schreibst dir die Ehre für alles zu, was hier getan worden ist, und wenn man danach urteilen wollte, wer in den Versammlungen am meisten geredet hat, dann hast du sicher auch das meiste getan.“

      „Läßt du nun die Katze aus dem Sack?“ rief der andere und sah Lars scharf an. „Bist du es vielleicht, dem die Ehre dafür gebührt?“

      „Wenn wir schließlich doch noch über uns selbst reden müssen“, sagte Lars, „so wurde wohl jede Angelegenheit erst gründlich von uns beiden erörtert, bevor sie hier landete.“

      An dieser Stelle gewann der kleine Knud Aakre seine Redegewandtheit wieder. „Nimm du in Gottes Namen die Ehre in Anspruch, ich kann ohne sie leben. Es gibt andere Dinge, die zu verlieren schlimmer ist!“

      Lars wich unwillkürlich seinem Blick aus, sagte jedoch, während er den Strohhalm sehr schnell kreisen ließ: „Meiner Meinung nach gibt es hier nicht viel, wofür man Ehre in Anspruch nehmen könnte. Pastor und Lehrer mögen zwar mit dem, was hier getan worden ist, recht zufrieden sein, aber die meisten sind bestimmt der Auffassung, daß der Gemeinde bis heute immer nur mehr und mehr Abgaben auferlegt worden sind.“

      Hier erhob sich Gemurmel in der Versammlung, und es entstand Bewegung. Lars fuhr fort: „Wir haben heute eine Sache auf der Tagesordnung, die der Gemeinde endlich einmal anstelle all ihrer Ausgaben etwas einbringen könnte. Vielleicht stößt sie gerade deshalb auf solchen Widerstand. Dies ist eine Gemeindeangelegenheit, die allen nützt. Wir sollten doch wohl imstande sein, sie nicht länger nur als eine Familienangelegenheit zu behandeln.“

      Die Leute sahen sich an, sprachen schon halblaut mit einander. Da stand einer auf, um seinen Proviantkorb zu holen, wobei er die Bemerkung fallen ließ, ein so wahres Wort habe er seit vielen Jahren nicht in dieser Versammlung gehört. Nun standen alle auf, alle redeten durcheinander, und Knud Aakre fühlte dort an seinem Platz, daß die Sache verloren war, hoffnungslos verloren, und er versuchte nicht mehr, sie zu retten. Denn er hatte etwas von dem Naturell, das man den Franzosen nachsagt: Er war ein wahrer Draufgänger – griff sowohl einmal, zweimal als auch dreimal an –, aber ein schlechter Verteidiger, da das Gefühl bald Oberhand über das Denken gewann.

      Er begriff dies alles einfach nicht. Ihn hielt es nicht länger an seinem Platz, er überließ ihn seinem Stellvertreter und ging. Die anderen hätten beinahe gelacht.

      Gemeinsam mit Lars war er zur Versammlung gekommen, zurück ging er jedoch allein, obgleich der Weg lang war. Es war ein kalter Herbsttag, der Wald stand scharfkonturig und entblättert da, die Felder waren graugelb. Hier und dort lag schon Reif am Straßenrand. Die Enttäuschung ist ein furchtbarer Weggefährte. Knud fühlte sich, wie er so dahinstapfte, jämmerlich klein und verlassen. Überall hatte er Lars vor Augen, in der Abenddämmerung ragte er wie ein Riese zum Himmel auf. Es wurmte ihn, er hatte selbst schuld, daß diese Sache zu einer Entscheidungsschlacht geworden war. Er hatte zuviel auf diese eine winzige Karte gesetzt. Überraschung, Schmerz und Zorn hatten ihn jedoch übermannt. Noch immer brannte, brauste,

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