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Ausgewählte Erzählungen - Band 2. Bjørnstjerne Bjørnson
Читать онлайн.Название Ausgewählte Erzählungen - Band 2
Год выпуска 0
isbn 9788711448649
Автор произведения Bjørnstjerne Bjørnson
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Bjørnstjerne Bjørnson
Ausgewählte Erzählungen Band 2
Zweiter Band
Saga
Ausgewählte Erzählungen - Band 2
Aus dem norwegisch von Ruth Stöbling
Originaltitel Fortællinger II © 1872 Bjørnstjerne Bjørnson
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711448649
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com
Erstes Kapitel
Knud Aakre stammte aus einer alten Familie der Gemeinde, die stets für ihre Aufgeklärtheit und ihre Sorge um das Gemeinwohl bekannt gewesen war. Sein Vater hatte sich bis zum Pfarrer hinaufgearbeitet, starb jedoch früh, und da die Witwe aus einem Bauerngeschlecht kam, wurden die Kinder wie Bauern erzogen.
Knud hatte also nur den in der Volksschule üblichen Unterricht erhalten, aber die Bibliothek seines Vaters hatte in ihm schon sehr früh Wissensdurst geweckt. Dieser war noch von seinem Freund Henrik Wergeland gefördert worden, der ihn oft besuchte, ihm Bücher und Sämereien schickte und manchen Rat gab. Auf seine Anregung rief Knud schon früh einen Verein ins Leben, der anfangs recht gemischte Ziele verfolgte, beispielsweise „die Mitglieder in der Kunst der Rede sowie in der Auslegung der Verfassung zu üben“, sich später aber zu einer praktischen landwirtschaftlichen Gesellschaft für den gesamten Gerichtsbezirk entwickelte. Auf Wergelands Vorschlag gründete er auch eine Gemeindebibliothek, der er die Bücher seines Vaters als Schenkung vermachte. Ebenso richtete Knud nach Wergelands Rat eine Sonntagsschule auf seinem Hof ein, wo sich jeder im Schreiben und Rechnen sowie in Geschichte weiterbilden konnte. All das lenkte die Aufmerksamkeit auf ihn, so daß man ihn in den Gemeinderat wählte, dessen Vorsitzender er schon bald wurde. Im Gemeinderat setzte er sich ebenfalls für den Ausbau des Schulwesens ein, das er auch wirklich auf einen ausgezeichneten Stand brachte.
Knud Aakre war ein kleiner, rühriger Mann mit kleinen, flinken Augen unter einer sehr störrischen Haarmähne. Er hatte einen breitlippigen Mund, der ständig in Bewegung war, und die beiden Reihen seiner tadellosen Zähne schienen es gleichfalls zu sein, sie glänzten nur so, während sie die Worte zerhackten, die dann wie die Funken eines großen Feuers sprühten.
Unter den vielen, denen er zu Wissen verholfen hatte, war sein Nachbar Lars Høgstad der Angesehenste. Lars war nicht viel jünger als Knud, hatte sich jedoch langsamer entwickelt. Da Knud gern über das, was er gerade las oder worüber er nachdachte, mit jemandem sprach, fand er in Lars mit seinem stillen, ernsten Wesen einen guten Zuhörer und allmählich auch einen verständigen Kritiker. Das Verhältnis der beiden gestaltete sich bald so, daß Knud ungern eine Sache anpackte, bevor er nicht Lars Høgstads Rat eingeholt hatte, und dann erhielt die Angelegenheit meistens eine praktische Wendung. Knud sorgte deshalb dafür, daß der Nachbar in den Gemeinderat und nach und nach auch in alle anderen öffentlichen Ämter, in denen er das Sagen hatte, gewählt wurde. Stets fuhren sie gemeinsam zu den Versammlungen, wo Lars jedoch nie sprach. Dafür bekam Knud aber auf dem Hin- und Rückweg seine Meinung zu hören. Man hielt die beiden für unzertrennlich.
Eines schönen Herbsttages war der Gemeinderat zusammengekommen, um unter anderem über den Vorschlag des Vogtes zu beraten, den Kornspeicher des Kirchspiels zu verkaufen und mit diesem Kapital eine kleine Sparkasse zu gründen. Knud Aakre hätte sicher für den Vorschlag gestimmt, wenn er in dieser Angelegenheit nicht befangen gewesen wäre. Aber erstens stammte der Vorschlag vom Vogt, den Wergeland nicht ausstehen konnte und demzufolge auch er nicht, und zweitens war der Kornspeicher von Knuds einflußreichem Großvater erbaut und der Gemeinde geschenkt worden. Er war nicht weit davon entfernt, diesen Vorschlag als eine persönliche Beleidigung aufzufassen. Deshalb hatte er auch mit niemandem darüber gesprochen, nicht einmal mit Lars, und dieser äußerte sich nie über etwas, das nicht zuerst von einem anderen zur Sprache gebracht worden war.
Als Vorsitzender verlas Knud Aakre diesen Vorschlag, ohne irgendeine Meinung zu äußern. Aber er blickte, wie es seine Gewohnheit war, zu Lars hinüber, der meistens etwas abseits stand oder saß, zwischen den Zähnen einen Strohhalm, den er sich zu suchen pflegte, wenn er mit jemandem ins Gespräch kam. Entweder benutzte er ihn als Zahnstocher, oder er ließ ihn aus dem Mundwinkel hängen, während er ihn je nach Stimmung bald schneller, bald langsamer kreisen ließ. Verwundert stellte Knud fest, daß sich der Strohhalm nun sehr schnell drehte. Er fragte rasch: „Meinst du, wir sollten dafür stimmen?“
Lars antwortete trocken: „Ja, das meine ich.“
Der gesamte Gemeinderat, der spürte, daß Knud völlig anderer Meinung war, stutzte und blickte zu Lars hinüber, der jedoch nichts weiter sagte. Mehr wurden auch nicht nach ihrer Ansicht gefragt. Als wäre überhaupt nichts vorgefallen, ging Knud zu etwas anderem über. Erst gegen Ende der Versammlung griff er diesen Punkt wieder auf und fragte betont gleichgültig, ob man den Vorschlag nicht zur näheren Überlegung an den Vogt zurückgeben solle, da er gewiß nicht der Auffassung der Gemeinde entspreche, der der Kornspeicher lieb und teuer sei. Niemand antwortete. Knud fragte, ob er ins Protokoll schreiben solle: „Die Angelegenheit wird für unzweckmäßig erachtet.“
„Gegen eine Stimme“, sagte da Lars.
„Gegen zwei“, fügte ein anderer sofort hinzu.
„Gegen drei“, sagte ein dritter.
Und bevor sich der Vorsitzende recht versah, war auch schon die Mehrzahl für diesen Vorschlag. Knud war so überrascht, daß er vergaß, etwas dagegen einzuwenden. Er vermerkte das Ergebnis im Protokoll und las es dann mit leiser Stimme vor: „Die Angelegenheit wird zur Annahme empfohlen.“ Darauf sagte er: „Die Versammlung ist beendet.“ Sein Gesicht war feuerrot, als er aufstand und das Protokoll zusammenlegte. Im stillen dachte er, daß er dies schon noch im Vorstand ändern werde.
Draußen auf dem Hof spannte er sein Pferd vor den Wagen, und Lars kam und setzte sich zu ihm. Auf dem Heimweg sprachen sie über dieses und jenes, nur nicht über das eine.
Am nächsten Tag ging Knuds Frau zu Lars’ Frau hinüber, um sich zu erkundigen, ob etwas zwischen den Männern nicht stimme, denn Knud sei so seltsam gewesen, als er gestern nach Hause gekommen war. Kurz vor dem Gehöft kam ihr Lars’ Frau entgegen, die auf dem Weg zu ihr war und das gleiche fragen wollte, denn auch Lars war so seltsam gewesen. Seine Frau war ein stilles, schüchternes Ding, ein wenig verunsichert, nicht durch harte Worte, sondern durch Schweigen, da Lars nie mit ihr sprach, außer wenn sie etwas falsch gemacht hatte oder wenn er befürchtete, sie könnte es tun. Knuds Frau dagegen sprach um so mehr mit ihrem Mann, und vor allem über den Gemeinderat, weil er in letzter Zeit ihr und den Kindern all seine Gedanken, seine Arbeit und seine Liebe entzog. Sie war darauf eifersüchtig wie auf eine Frau. Deswegen weinte sie nachts, und deswegen lag sie ihm am Tag ständig in den Ohren. Und gerade darum konnte sie nun, da er von dort einmal unglücklich zurückgekommen war, nichts sagen. Doch sie fühlte sich schon bald viel unglücklicher als er und mußte deshalb unbedingt erkunden, was dort vorgefallen war. Da Lars’ Frau es auch nicht wußte, trieb es sie ins Dorf. Dort erfuhr sie es und war natürlich sofort mit ihrem Mann einer Meinung, sie fand Lars’ Verhalten unbegreiflich, um nicht zu sagen bösartig. Als sie das aber ihrem Mann gegenüber andeutete, spürte sie, daß es zwischen ihm und Lars noch nicht zum Bruch gekommen war, im Gegenteil, daß er immer noch eine Schwäche für ihn hatte.
Der Tag der Vorstandssitzung kam heran. Lars Høgstad fuhr morgens auf Aakre vor, und Knud setzte sich zu ihm auf den Wagen. Sie begrüßten sich wie gewöhnlich, sprachen aber wohl etwas weniger als sonst auf dem Hinweg, und schon gar nicht über