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bringen. Gewaltsam zwingt sie sich, über das, Nächstliegende hinaus zu denken und alle Waffen zu sortieren, die sie gegen Hans-Georg verwenden kann. Es ist ein ganzes Arsenal, ausreichend für ein regelrechtes Overkilling. Gegen diese Übermacht kann der Eheflüchtling allenfalls schmutzige oder scheinheilige Tricks einsetzen, die bereits im Vorfeld scheitern müssen. In jedem Fall kann Carlotta die Scheidung verhindern – aber will sie das? Soll sie eine Ehe fortsetzen, die seit Jahren im Grunde nur davon lebt, daß sie marode ist – ein Zustand, der jetzt den Siedepunkt erreicht hat? Vielleicht, überlegt Carlotta, kommt sie weit besser weg, wenn sie in eine endgültige Trennung einwilligt, freilich zu ihren Bedingungen. Sie wäre dann frei, unabhängig, steinreich und eine noch immer attraktive Frau.

      Fast wohllüstig genießt sie im voraus ihre Rache, eine unerbittliche Nemesis, die sich schon im Gerichtssaal sieht: nicht als Denunziantin, sondern als tapfere Frau, die, an einen Unhold gebunden, jahrelang schweigend durch die Hölle gegangen ist, zu anständig, um sich gegen ein Monster zu wehren.

      Carlotta sonnt sich in diesem Moment vor dem Scheidungsrichter: eine kultivierte Dame, weit jünger als nach der Geburtsurkunde, in einem eleganten Pariser Kostüm, dessen Farben genau auf ihre Augen abgestimmt sind, Augen, die schimmern wie Eis im Föhn.

      Sie wird so im Blickpunkt stehen, bemitleidet und doch bewundert, eine Frau, die mit der Preisgabe schrecklicher Einzelheiten noch immer zurückhält und sie nur unter Drängen des Richters mit leiser Stimme vorbringen kann, immer davor schaudernd, daß sie den einstmals Geliebten vernichten muß – und dafür mit einer Millionenabfindung belohnt wird. Bis dahin ist freilich ein weiter Weg – falls er überhaupt beschreitbar ist, denn wenn sie den Verleger ruiniert, gefährdet sie auch ihre Alimentation.

      Carlotta ist so in Rage, daß sie einen Sofort-Triumph braucht, wie immer er aussehen mag. Dabei unterläuft ihr eine typisch weibliche Reaktion: Sie sucht im Telefonbuch die Nummer der Bau-und Kunstschreinerei Marazzo heraus, läutet sie an, fragt nach dem Chef und wird mit Giorgio, dem Junior, verbunden.

      »Frau Konsul Kronwein«, meldet sie sich. »Sie kennen mich doch?«

      »Aber ja, Madame. Leider nur aus der Ferne. Ich gehöre _ schon lange zu Ihren Bewunderern«, antwortet er in einem Deutsch, das sein italienischer Akzent so pikant macht. »Was kann ich für Sie tun?«

      »Kommen Sie doch bitte heute vormittag bei mir vorbei«, erwidert Carlotta. »Ich habe eine eilige Arbeit für Sie.«

      »Sie haben Glück, Madame«, behauptet Juwelen-Olgas fleißiger Adonis. »Ich bin im Moment gerade frei,«

      Zehn Minuten später fährt er in Moscia vor, in blauen Jeans und rotem, bis zum Nabel offenem Hemd, das keinen Zweifel über den durchtrainierten Körper aufkommen läßt. Er betrachtet Carlotta ungeniert, entwaffnend, unverschämt – nicht wie eine Auftraggeberin, sondern eher wie ein Draufgänger eine Frau betrachtet, über die er herfallen möchte.

      »Worum handelt es sich?« fragt Giorgio und bombardiert Carlotta mit Kobaltblitzen.

      »Sie haben Ihr Handwerkszeug dabei?«

      »Ja – im Wagen. Worum handelt es sich eigentlich?«

      »Kommen Sie!« fordert ihn Carlotta auf.

      Sie geht in den ersten Stock voraus, öffnet die Tür zu ihrem Schlafzimmer, dem Schauplatz ehelicher Zweikämpfe mit seinen Dressuren und Blessuren. Die Folterkammer ist ausgesprochen feminin – mit großen Wandspiegeln bestückt, alles rund und weich, in Weiß und Rosa, die Gardinen wie der falsche Baldachin über einem wertvollen Renaissancebett aus massivem Holz mit kunstvollen Schnitzereien aus der Zeit der Borgias, der Medicis, der Giftmörderinnen, der Condottieri, der berühmten Maler und der verlotterten Päpste.

      »Sägen Sie es auseinander!« befiehlt Carlotta mit rauher Stimme. »Und zwar genau in der Mitte.«

      »Was soll ich tun?« fragt Giorgio verständnislos.

      »Auseinandersägen«, wiederholt sie.

      »Warum?«

      »Das geht Sie nichts an«, weist ihn Carlotta zurecht. »Tut mir leid, Madame, das kann ich nicht tun. Es ist einfach nicht zu verantworten, ein so schönes Stück zu ruinieren.« Er vergewissert sich: »Es ist doch echt?«

      »Sogar mit Zertifikat.«

      »Dann ist es doch mindestens 30 000 Franken wert und steht unter Denkmalschutz.«

      »50 000«, verbessert ihn die Frau auf hohen Absätzen, die ihre Beine verlängern. »Mindestens.« Für Carlotta ist ein Handwerker als Mann uninteressant, aber sie stellt fest, daß er nicht nach Schweiß riecht, sondern nach einem herben Gesichtswasser duftet, auch keine dreckigen Fingernägel hat und keinerlei beflissene Unterwürfigkeit zeigt.

      »Wenn ich es auseinanderschneide, können Sie diese wunderschöne Rarität im offenen Kamin verheizen«, versetzt Giorgio und nimmt Maß bei den prallsitzenden Shorts und der durchsichtigen Bluse, dem straffen Körper mit den Rundungen an den richtigen Stellen.

      »Tun Sie, was ich Ihnen sage!« fährt ihn Carlotta an. »Dafür werden Sie schließlich bezahlt:«

      Giorgio schüttelt den Kopf, geht bekümmert zu seinem Wagen und holt die Motorsäge. Nach seiner Rückkehr zögert er noch immer, den Auftrag einer offensichtlich Verrückten hinter sich zu bringen.

      »Wollen Sie nicht doch noch einmal mit Ihrem Mann daürber reden, Madame?« fragt Giorgio vorsichtig.

      »Mein Mann ist außer Haus«, erwiderte Carlotta »Er wird so schnell auch nicht zurückkehren.« Sie schürzt die Lippen. »Und wenn er kommt, werfe ich ihn hinaus.« Sie sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen im Sessel. Ihr Blick lotet den Mann unter ihrem Niveau aus. Sie stellt fest, daß er bei Tageslicht genauso gut aussieht wie auf Partys im Halbdunkel: Breite Schultern, schmale Hüften, die richtige Größe, diese provokanten Augen und das unverschämte Selbstbewußtsein. Der geborene Verführer, wohl für das Bett geschaffen wie der Windhund für die Rennbahn. Ein Latin Lover von vielleicht 35, der aussieht wie ein Gott, sich verdingt wie ein Knecht, ausgerechnet an die Juwelen-Olga, diese fette alte Lustkuh. Unverzeihlich, sagt sie sich und sieht in diesem Moment die unersättliche Halbmatrone vor sich, die ihren Bettgesellen öffentlich, voll Besitzerstolz verführt, mit kichernder Scham, weil er doch zu jung für sie ist.

      »Wie Sie meinen«, sagt Giorgio ergeben. »Doch zuerst muß ich am Schaltkasten die Netzspannung überprüfen, sonst brennt uns die Sicherung durch.«

      »Nun machen Sie schon!« erwidert Carlotta, noch immer ungnädig, doch eine Spur freundlicher. »Die eine Hälfte des Betts lassen Sie hier stehen, die andere tragen Sie dann in das Arbeitszimmer meines Mannes«, ordnet sie an. Unglaublich, wie gut er aussieht, stellt Carlotta erneut fest. »Darf ich Sie mal was Indiskretes fragen, Giorgio?« Sie kann sich nicht länger beherrschen. »Sind Sie wirklich immer noch mit dieser – dieser Juwelen-Olga liiert?«

      »Was heißt liiert? Ich schlafe mit ihr.«

      »Mit dieser abgetakelten Fregatte?«

      Giorgio schüttelt betrübt den Kopf. »Madame«, versetzt er vorwurfsvoll, »eine Frau ist immer so alt, wie sie sich anfaßt.«

      »Meinen Sie die Frau«, spottet Carlotta, »oder ihr Bankkonto?«

      »Da kennen Sie Olga schlecht«, kontert der gefragte Ladykiller. »Sie baut hier ein Haus nach dem anderen, und wir übernehmen dafür die Schreinerarbeiten und mußten deswegen sieben neue Leute einstellen. Aber fragen Sie nicht, wie sie sich beim Bezahlen anstellt! Sie geht zur Konkurrenz, läßt sich unter dem Gelächter meiner Kollegen niedrige Kostenvoranschläge machen und drückt mich dann, wo sie kann. Wissen Sie denn nicht, daß Olga krankhaft geizig ist, Madame? Sie hat es doch fertiggebracht, mir fünf Rollen feinstes Klopapier für unser Zusammensein in Rechnung zu stellen, dabei kauft sie nur das billigste bei der Migros.«

      »Aber das haben Sie doch jetzt erfunden, Giorgio.«

      »Nein, ich schwöre, daß es stimmt. Ich warte nur noch darauf, daß ich ihr auch noch die Zahnpasta bezahlen muß.«

      »Und

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