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Er wird wieder ernsthaft.

      »Das war mein Hochzeitsgeschenk vor fünfzehn Jahren.«

      »Die Morgengabe. Und Ihre Frau weiß Bescheid über Ihre geschäftlichen Aktivitäten?«

      »Wie sollte ich das verhindern?« antwortet Kronwein kleinlaut.

      »Vermutlich kennt sie auch Geschäfte, die Sie schon vor Ihrer Eheschließung praktiziert haben?«

      »Auch das, fürchte ich …«

      »Schlimm. Sie stehen also unter Pression«, erwidert der Scheidungs-Spezialist. »Ihre Frau droht Ihnen mit ihrem Wissen?«

      »So ungefähr.«

      »Nun nehmen die Gerichte eine rachsüchtige Frau nicht so schrecklich ernst«, doziert Grevenich. »Es sei denn, sie hätte Beweise. Wie sieht’s denn damit aus?«

      »Teils, teils«, antwortet der Scheidungs-Anwärter.

      »Dann wäre also zunächst zu überprüfen, wieweit strafrechtliche Vorgänge bereits verjährt sind – einen Mord werden Sie schon nicht begangen haben, Kronwein.«

      »Sie Witzbold«, entgegnet der Konsul. »Sie meinen also, ich …«

      »Ich weiß«, versetzt der Pykniker großmütig. »Wer wie Sie in den Gründerjahren ganz nach oben kommen wollte, hat häufig Dreck am Stecken.«

      Er winkt das Serviermädchen herbei, ordert neue Getränke. »Ich hab mich zwar schon weitgehend zurückgezogen, aber meine Praxis, geführt von meinem Sozius, besteht weiterhin. Ich will mich nicht aufdrängen, doch wenn Sie wollen, übernehme ich Ihren Fall. Dann freilich nicht mehr aus reiner Freundschaft.«

      »Betrachten Sie mich als Ihren Klienten«, entgegnet Kronwein.

      »Überschlafen Sie Ihren Vorsatz noch eine Nacht lang. Wenn Sie dann immer noch der gleichen Meinung sind, kommen Sie morgen früh zu mir ins Haus. Sagen wir ab neun Uhr.« Der Anwalt wechselt das Thema. »Haben Sie schon von der Sache mit Kamossa gehört?« fragt er und dämpft die Stimme. »Heute nacht sind in Ascona angebliche Fahndungsplakate angeklebt worden, auf denen Kamossa als Erpesser, Betrüger und Steuerhinterzieher hingestellt wird«, tratscht er. »Und Sie werden es nicht für möglich halten, Kronwein«, tuschelt Grevenich weiter, »sogar als Mordanstifter.«

      »Woher wissen Sie das?«

      »Unterschätzen Sie mich nicht. Ich hab noch immer allerbeste Verbindungen«, prahlt er, obwohl ihm in Wirklichkeit seine Tessiner Zugehfrau den morgendlichen Spuk hinterbracht hat. »Es schadet Kamossa sicher nicht«, fügt er hinzu.

      Die Feststellung klingt wie eine Frage.

      »Warum sollte ihn ein dummer Bubenstreich erschüttern?« antwortet der Verleger. »Der Mann sitzt fest im Sattel – nicht in einem, sondern mindestens in einem halben Dutzend.«

      »Aber Kamossa hat zur Zeit keine besonders gute Presse. Die Grams-Geschichte wirft Wellen.« Grevenich deutet auf einige Zeitungen, die am Tisch liegen. »Die ›Frankfurter‹ spricht sogar von einem Anschlag auf die freie Marktwirtschaft.«

      »So ein Blödsinn«, antwortet der Verleger. »Die Marktwirtschaft ist so frei, wie eine Hure keusch ist.« Er lacht trocken. »Am Sonntag vielleicht.«

      »Sehr hart formuliert«, sagt der frühere Volksvertreter und lacht gezwungen. »Aber wenn das so weitergeht mit der Konzentration in der Wirtschaft, haben Sie nicht so unrecht. Ich bin froh, daß ich politisch nicht mehr aktiv tätig bin und mit diesen Dingen nichts zu tun habe.«

      »Aber Sie hatten mit Kamossa zu tun«, erinnert ihn Kronwein.

      »Sie doch auch«, schießt Grevenich zurück.

      »Richtig«, bestätigt der Konsul. »Dann wissen wir beide, daß dieser Ausnahme-Mensch unangreifbar ist. Wer ihn angreift, läuft auf eine Tretmine und fliegt in die Luft.«

      »Vorsicht!« warnt der Überläufer a. D. und das Thema wechselnd. »Schräg hinter uns sitzt die Juwelen-Olga.«

      Die Demi-Matrone ist die erfolgreichste der Asconeser Millionen-Witwen, die ihre artigen Verjüngungs-Jünglinge vorführen wie niedliche Schoßhunde. Ihr Begleiter ist kein professioneller Playboy – das beweist er schon durch den Arbeitskittel, den er zu ihrem Ärger trägt. Trotz zweier Weltreisen, die er mit seinen Jahrzehnte älteren Begleiterinnen absolviert hat, gibt er die ererbte Kunst- und Bauschreinerei nicht auf, um kein bloßer Lustknecht der Liebe zu werden. Giorgio, der die Welt kennenlernte, ist eine Lokal-Größe. Er sieht blendend aus, ein athletischer Typ mit vorteilhaft geschnittenen dunklen Haaren und leuchtenden Augen von einem ganz bestimmten Blau. Die Kobaltblitze, die er verschießt, gelten den Damen und gehen selten daneben, doch die Juwelen-Olga hütet Giorgio so penibel wie ihren Besitz.

      »Jetzt ist es passiert«, erkennt Grevenich, der aus dem Augenwinkel feststellt, daß sich die Juwelen-Olga auf ihren Tisch zuschiebt.

      »Die Herren plaudern so angeregt«, sagt sie im rheinischen Dialekt. »Gibt’s was Neues?«

      »Gar nichts«, antwortet der Anwalt. »Oder wissen Sie etwas, Gnädigste?«

      »Sie kommen doch am Samstag zu meiner Party?«

      »Wenn ich dann noch in Ascona bin, folge ich gern Ihrer Einladung«, antwortet der Verleger.

      Von Grevenich ist ohnedies bekannt, daß er nie eine Veranstaltung ausläßt. »Ich muß leider nach Hause«, entschuldigt sich der Ex-Politiker, zahlt, geht und überläßt Kronwein seinen Überlegungen.

      Der Konsul blinzelt in die Sonne, verfolgt, wie der junge Grams, von einem Motorboot geschleppt, sein Repertoire mit einem Trick-Ski vorführt. In Ufernähe ist das verboten, aber das kümmert Ferry nicht. Der Berufserbe – als Urinator verspottet – muß seine morgendliche Schlappe wieder auswetzen.

      Ringsum herrscht babylonisches Sprachgewirr; am wenigsten parliert man italienisch, die Landessprache. Vor dem Verleger schmust ein junges Liebespaar und bringt ihn auf andere Gedanken. Dann stellt er fest, daß ihm vom Nebentisch ein rothaariges Mädchen zulächelt. Sicherheitshalber überzeugt er sich, daß es keinem anderen gilt.

      »Kennen Sie mich denn nicht mehr, Herr Konsul?« ruft sie ihm zu. »Wir waren doch auf der Party – bei den Wildangers, Ich bin die Daisy.«

      »Mein Gott, entschuldigen Sie!« schaltet Kronwein rasch. »Aber Sie sind ja inzwischen noch hübscher geworden.«

      »Sie Schmeichler«, gurrt sie.

      »Wie wär’s mit einem Pikkolo?«

      Daisy zögert, nickt dann und kommt an den Tisch. Sie nimmt Grevenichs Stuhl ein. »Eigentlich sollte ich mich nicht mit Ihnen sehen lassen«, bemerkt sie. »Sie haben nicht den besten Ruf, Herr Kronwein.«

      »Sie doch auch nicht«, erwidert er lachend und blödelt: »Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt sich’s völlig ungeniert.«

      »Und Ihre Gattin?«

      »Meine Ex-Gattin«, versetzt der Verleger grimmig. »Ich hab mich vor einer halben Stunde von ihr getrennt, und zwar für immer. Grevenich hab ich soeben als meinen Scheidungsanwalt verpflichtet.«

      Solcherlei oder ähnliche Behauptungen hörte Daisy bisher von jedem verheirateten Mann in den besten Jahren, die den besseren folgen. Darauf fällt sie schon lange nicht mehr herein, aber irgendwie spürt die Gespielin der Berufserben und Kandidatin der Kapitalrentner, daß Kronweins Lamento nicht ganz aus der Luft gegriffen ist.

      »Gratuliere«, antwortet sie dann. »Und wer ist die Glückliche?«

      »Das ist noch offen.« Kronwein stößt mit der roten Daisy an und betrachtet sie dabei anzüglich. »Auf jeden Fall eine jüngere, liebenswertere und hübschere.« Er sucht ihren Blick und setzt hinzu: »Zum Beispiel eine wie Sie, Daisy.« Er sieht auf die Uhr. Er hat noch eineinhalb Stunden Zeit, um aus der Gelegenheit Kapital zu schlagen. Er nimmt mit den Augen einen Vorschuß, fühlt, wie er von einem wohligen Gefühl überspült wird. Die roten Haare des Mädchens erinnern

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