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den and­ren Jun­gen, ohne ih­nen je­mals auf ihre Späs­se zu ant­wor­ten.

      Ei­nes Ta­ges je­doch sag­te ihm der Ben­gel, der ihn schon das ers­te Mal an­ge­rem­pelt hat­te:

      »Du hast ge­lo­gen; Du hast gar kei­nen Papa, der Phil­ipp heisst.«

      »Wie­so denn?« frag­te Si­mon er­regt.

      »Weil«, ent­geg­ne­te der Ben­gel, sich ver­gnügt die Hän­de rei­bend, »wenn Du einen hät­test, er mit Dei­ner Mama ver­hei­ra­tet wäre.«

      Die Rich­tig­keit die­ser Schluss­fol­ge­rung mach­te Si­mon ver­wirrt.

      »Es ist aber eben­so gut mein Papa«, sag­te er trotz­dem.

      »Das kann schon sein«, hohn­lach­te der Ben­gel, »aber er ist nicht ganz Dein Papa.«

      Blan­chot­te’s Klei­ner ließ den Kopf hän­gen und be­gab sich nach­denk­lich zur Schmie­de des Va­ter Loi­zon, wo Phil­ipp ar­bei­te­te.

      Die­se Schmie­de lag un­ter Bäu­men wie be­gra­ben. Es war schon fins­ter dort und nur das Feu­er ei­nes mäch­ti­gen Her­des warf sei­nen hel­len Schein auf fünf Schmie­de, wel­che in blos­sen Ar­men mit schreck­li­chem Ge­tö­se auf ihre Am­bos­se los­schlu­gen. Sie stan­den da wie eine Ge­sell­schaft von Dä­mo­nen, die Au­gen auf das glü­hen­de Ei­sen ge­rich­tet, wel­ches sie un­ter ih­ren Hän­den form­ten, wäh­rend ihre Ge­dan­ken mit den sprü­hen­den Fun­ken auf und ab hüpf­ten.

      Si­mon trat un­be­merkt ein und schlich sich lei­se zu sei­nem Freun­de, um ihn am Är­mel zu zup­fen. Die­ser wand­te sich um, sei­ne Ar­beit plötz­lich un­ter­bre­chend, was sei­ne Ge­nos­sen ver­an­lass­te, das Glei­che zu tun. Alle schau­ten neu­gie­rig auf. Dann er­tön­te mit­ten in die­sem un­ge­wöhn­li­chen Schwei­gen die schwa­che ma­ge­re Stim­me des Kna­ben:

      »Sag’ mal, Phil­ipp, der Michaud ihr Bur­sche hat mir eben er­zählt, Du wärst nicht ganz mein Papa!«

      »Wa­rum denn nicht?« frag­te der Ar­bei­ter.

      »Weil Du nicht Ma­mas Mann bist.«

      Nie­mand lach­te. Phil­ipp hat­te die Stirn auf den Rücken sei­ner brei­ten Fäus­te ge­lehnt, mit de­nen er den auf dem Am­boss ge­stütz­ten Ham­mer um­klam­mert hielt; er schi­en zu träu­men. Sei­ne vier Ge­fähr­ten sa­hen ihn an, und Si­mon, der sich so klein un­ter die­sen großen Ge­sel­len vor­kam, war­te­te ängst­lich. Plötz­lich griff ei­ner der Schmie­de den Ge­dan­ken al­ler auf und sag­te zu Phil­ipp:

      »Sie ist trotz­dem ein bra­ves gu­tes We­sen, die­se Blan­chot­te, wa­cker und or­dent­lich trotz ih­rem Miss­ge­schick; sie gäbe eine tüch­ti­ge Frau für einen ehr­ba­ren Mann.«

      »Al­les, was wahr ist!« sag­ten die drei an­de­ren.

      »Ist es ihr Feh­ler«, fuhr der Ar­bei­ter fort, »wenn sie her­ein­ge­fal­len ist? Man hat­te ihr die Ehe ver­spro­chen und ich ken­ne mehr wie eine, die heu­te hoch­ge­ach­tet ist, und der es ein­mal ge­ra­de so ging.«

      »Das ist wahr!« rie­fen die Drei wie­der ein­stim­mig.

      »Wie hat sie sich ge­müht«, hob Je­ner wie­der an »um ih­ren Bur­schen al­lein auf­zu­zie­hen, und wie viel hat sie ge­weint, seit­dem sie nir­gends mehr hin­geht, als nur noch zur Kir­che. Gott al­lein mag das wis­sen.«

      »Auch das stimmt«, sag­ten die an­de­ren.

      Dann hör­te man eine Zeit lang nur noch das Knis­tern des Feu­ers auf dem glim­men­den Her­de.

      »Geh und sag’ Dei­ner Mut­ter«, wand­te sich Phil­ipp plötz­lich an den Kna­ben, »dass ich sie heu­te Abend noch spre­chen muss.«

      Hier­auf schob er ihn bei den Schul­tern zur Tür hin­aus.

      Er be­gab sich wie­der an die Ar­beit, und wie mit ei­nem Schla­ge fie­len die fünf Häm­mer gleich­zei­tig auf die Am­bos­se.

      So be­ar­bei­te­ten sie ihr Ei­sen bis zum spä­ten Abend, die­se kräf­ti­gen ro­bus­ten Ge­stal­ten, dass es eine Freu­de war, ih­nen zu­zu­se­hen. Aber wie die große Glo­cke ei­nes Do­mes an Fest­ta­gen das Ge­läu­te der üb­ri­gen Glo­cken über­tönt, so schall­te auch das Häm­mern Phil­ipps mäch­tig über das der an­de­ren hin­weg. Er schmie­de­te blit­zen­den Au­ges sein Ei­sen, wäh­rend er fort­ge­setzt in ei­nem Re­gen von sprü­hen­den Fun­ken stand.

      Die Ster­ne glänz­ten schon am Him­mel, als er an Blan­chot­te’s Türe klopf­te. Er hat­te sei­nen Sonn­tags-Rock an­ge­zo­gen, ein fri­sches Hemd an­ge­legt und den Bart aus­ge­kämmt.

      »Es ist nicht Recht, Herr Phil­ipp, so in spä­ter Stun­de noch zu kom­men«, sag­te die jun­ge Frau mit ängst­li­cher Mie­ne, als sie auf der Schwel­le er­schi­en.

      Er woll­te ant­wor­ten, aber in sei­ner Ver­wir­rung brach­te er nur un­ver­ständ­li­ches Zeug her­vor.

      »Sie be­grei­fen doch«, fuhr Jene fort, »dass es nicht viel braucht, um mich ins Ge­re­de zu brin­gen.«

      »Was macht das«, brach er plötz­lich los, »wenn Sie mei­ne Frau sein wol­len?«

      Er ver­nahm kei­ne Ant­wort, aber bei der Dun­kel­heit glaub­te er aus dem In­nern das Geräusch ei­nes um­sin­ken­den Kör­pers zu hö­ren. Has­tig trat er ein; und Si­mon, der in sei­nem Bett­chen lag, un­ter­schied deut­lich das Geräusch von Küs­sen, zwi­schen de­nen sei­ne Mut­ter ei­ni­ge lei­se Wor­te flüs­ter­te. Dann fühl­te er sich plötz­lich von den Hän­den sei­nes Freun­des em­por­ge­ho­ben und die­ser, der ihn auf sei­nen ner­vi­gen Arm ge­setzt hat­te, rief ihm zu:

      »Du kannst ih­nen sa­gen, Dei­nen Ka­me­ra­den, dass Dein Papa Phil­ipp Remy, der Schmied, ist und dass die­ser je­den bei den Ohren zau­sen wird, der Dir zu nahe tritt.«

      Am an­de­ren Mor­gen, als schon alle Schü­ler da wa­ren und auf den Leh­rer war­te­ten, er­hob sich der klei­ne Si­mon ganz bleich und mit zit­tern­den Lip­pen:

      »Mein Papa«, sag­te er mit lau­ter Stim­me, »ist Phil­ipp Remy, der Schmied; und er hat ver­spro­chen, je­den bei den Ohren zu zau­sen, der mir zu nahe tre­ten wird.«

      Dies­mal lach­te kei­ner mehr, denn sie kann­ten ihn alle, die­sen Phil­ipp Remy, den Schmied; und es war ein Papa, auf den je­der stolz ge­we­sen wäre.

Ein Menschenleben

      Jo­han­na hat­te ih­ren Kof­fer ge­packt und nä­her­te sich jetzt dem Fens­ter. Es reg­ne­te un­auf­hör­lich. Die gan­ze Nacht über hat­te das Un­wet­ter ge­gen Dä­cher und Fens­ter ge­klatscht. Es schi­en, als ob alle Schleus­sen des dicht­be­wölk­ten Him­mels ge­öff­net sei­en, um mit dem her­ab­strö­men­den Was­ser den Erd­bo­den auf­zu­wei­chen, der sich all­mäh­lich in eine breii­ge Mas­se ver­wan­del­te. Hin und wie­der fuhr ein lau­er Wind­sto­ss heu­lend durch die Luft. In den men­schen­lee­ren Stras­sen er­tön­te das Ge­klap­per schlecht be­fes­tig­ter Ja­lou­si­en. Die Häu­ser so­gen die Feuch­tig­keit wie Schwäm­me auf, und bei der lau­en Luft schwitz­ten ihre Mau­ern vom Kel­ler bis zum Dach­first.

      Jo­han­na, die so­eben der stren­gen

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