Скачать книгу

      „Äh ... Was?“

      Verflixt!

      Der Typ lenkt mich viel zu sehr ab.

      „Mir ist aufgefallen, dass sich auf dem Dach kaputte Schindeln befinden und ich wollte mir den Schaden näher ansehen. Es erscheint mir dringlicher als das Gartentor.“

      Ich denke an die Schüsseln in meinem Schlafzimmer. „In der Tat.“

      „Wenn Sie wollen, dann kümmere ich mich zunächst darum.“

      „Ich wäre Ihnen dafür ausgesprochen dankbar. Wann können Sie anfangen?“

      Nathan blickt auf seine Armbanduhr. „Ich habe noch ein paar Termine. Warum geben Sie mir nicht einfach einen Zweitschlüssel, damit ich aufs Dach gelange, und ich beginne mit der Arbeit, sobald ich dafür Zeit finde.“

      In Bloomwell will offenbar jeder freien Zutritt zu meinem Haus haben. Obwohl ich Nathan nicht bloß ins Haus lassen würde.

      Hmpf!

      Wohin führen mich meine Gedanken? Ich seufze still. Vielleicht sollte ich rein vorsorglich Gleitgel und Kondome besorgen. Es besteht ja die geringfügige Möglichkeit, dass Nathan schwul und interessiert ist oder ich Lust auf einen Ausflug in einen Gay-Club bekomme.

      „Liegt der Schlüssel unter einem Blumentopf?“, fragt Nathan.

      Unwillkürlich muss ich schmunzeln. „Ist das in Bloomwell üblich?“

      Mein Gegenüber lacht. Es klingt rau und sexy. „Nicht nur in Bloomwell.“

      „Ich hänge Ihnen den Schlüssel rechts von der Tür in den Rosenstock.“

      Nathan nickt. „Prima.“

      „Vielen Dank, dass Sie den Auftrag übernehmen.“

      „Gerne.“ Nathan schickt sich zum Gehen an, zögert jedoch ein paar Sekunden. „Einen wohlmeinenden Rat, Mr. Culpepper, und ohne Ihnen auf den Schlips treten zu wollen.“ Er tritt nah an mich heran und raunt: „In diesem Ort sollten Sie Ihre Neigungen unbedingt für sich behalten.“ Damit lässt er mich einfach stehen. Bedröppelt starre ich ihm hinterher.

      Bloody hell!

      Habe ich etwa ein Schild um den Hals hängen? Wie peinlich. Oder habe ich gesabbert? Und wie war seine Bemerkung gemeint? Ist er homophob oder angelt er am selben Ufer und will mir lediglich sagen, dass die Bewohner dieses Ortes Schwulen gegenüber nicht besonders freundlich gesinnt sind?

      Himmel!

      Wir leben doch nicht hinterm Mond!

      Brummelnd kehre ich ins Haus zurück und mustere mich im Garderobenspiegel. Akkurat geschnittenes, kurzes, blondes Haar, blaue Augen, Bartschatten, gestreifter Pyjama, grauer Morgenmantel, nackte Füße. Nirgendwo steht in roter Farbe schwul geschrieben. Auch in keiner anderen. Also habe ich Nathan Scatterfey wohl tatsächlich wie ein ausgehungerter Wolf angeglotzt, der einen leckeren Hasen vor sich sitzen hat.

      „Holy moly!“

      Üblicherweise mache ich mich nicht zum Idioten der Nation.

      Im Bad zeigt mir ein frisch gesponnenes Trichternetz zwischen Wand und Decke, dass die Monsterspinne keineswegs an eine Hausräumung denkt. Sie hockt einmal mehr in der Badewanne und gewinnt damit einen weiteren Freiflug in den Garten. Um die Entfernung der filigranen Spinnenbehausung kümmere ich mich nach Dienstschluss. Zunächst benötige ich eine Generalüberholung meiner Person und ein Frühstück.

      ###

      In Bloomwell ist eine kleine Bäckerei ansässig, die morgens ein bescheidenes Frühstück und nachmittags Tee und Kuchen anbietet. Eine Ms. Sue Holland serviert mir Kaffee sowie Apfelpfannkuchen mit Zimt und Honig. Mir ist nämlich nach der reizvollen Begegnung in meinem Garten nach einer süßen Mahlzeit. Auf den Kaffee bin ich dringend angewiesen, um richtig in Schwung zu kommen. Mrs. Sarah Holland, die Mutter der hübschen, blondbezopften Sue, bedient am Tresen die Laufkundschaft. Von jedem, der den Laden betritt, werde ich freundlich begrüßt, was sich ungemein störend auf mein Frühstück auswirkt. Als ich gerade den dritten kleinen Pfannkuchen verspeise, setzt sich jemand zu mir.

      „Guten Morgen, Sir. Haben Sie sich bereits etwas eingelebt?“

      Dieses Direkte bin ich von Salisbury nicht gewohnt. Da war man beim Frühstück allein und niemand kam auf die Idee, mich während des Essens zu belästigen. Vermutlich muss ich mich in diesem Dorf an solche Vertraulichkeiten gewöhnen.

      „Mr. Fairchild. Der Antiquitätenhändler nicht wahr?“

      „Richtig.“ Der alte Mann nickt und ich halte unwillkürlich nach seinem furchtbaren Hund Ausschau. Der sitzt draußen vor der Glastür und wartet hechelnd auf sein Herrchen.

      „Kommen Sie doch mal in meinem Laden vorbei. Vielleicht gefällt Ihnen ja etwas.“

      Ich beende das Frühstück und tupfe mir mit einer Papierserviette die Lippen ab. „Mir sagt eher ein etwas zeitgemäßeres Design zu.“

      Fairchild lacht. „In dem Fall hätten Sie sich besser eine andere Dienststelle suchen sollen. In Bloomwell gehen die Uhren ein wenig nach.“

      Und das ist ein Grund, mir altes Gerümpel ins Haus holen?

      „Wie weit gehen denn die Uhren nach?“, frage ich, wobei ich mich an Nathans Warnung hinsichtlich meines Outings erinnere.

      „Bloomwell wurde im 12. Jahrhundert gegründet. Es gibt viele alteingesessene Familien hier. Lady Mandevilles Stammbaum soll sogar bis auf den Gründervater zurückgehen. Wir hinken der Moderne etwas hinterher, dafür halten wir an gewissen Werten fest.“

      „Die da wären?“

      „Hilfsbereitschaft und Ehrlichkeit. Sie können Ihre Haustür sperrangelweit offenlassen, ohne bestohlen zu werden. Wenn Sie Unterstützung benötigen, wird Ihnen jeder Einwohner die Hand reichen.“

      „Ein funktionierendes Mobilfunknetz ist ebenfalls nicht zu verachten.“

      Fairchild schüttelt den Kopf. „Wenn Sie hier jemanden anrufen wollen, können Sie auch genausogut vorbeigehen.“

      Es wäre müßig, ihm beizubiegen, dass man mitunter Leute sprechen möchte, die nicht in Bloomwell leben. Meine Eltern zum Beispiel. Unter Umständen DS Middlefort in Exeter. Oder die Wetteransage in Reykjavík.

      „Ich muss zum Dienst.“ Mit einem Nicken zum Abschied erhebe ich mich, lasse Fairchild, schmutziges Geschirr und eine einsame rote Tulpe in einer schmalen Vase zurück. Beim Verlassen der Bäckerei schiebe ich mich vorsichtig an der vierbeinigen, knurrenden Bestie vorbei und bin in Versuchung, selbst die Zähne zu fletschen.

      ###

      Vor dem Büro steht der frischgewaschene Dienstwagen auf intakten Reifen. Zumindest geht man in Bloomwell die Probleme schnell an, was mich recht zufrieden stimmt. Dementsprechend guter Dinge betrete ich die Dienststelle. Der Computer will nicht sofort starten, sondern erst zweiundfünfzig Updates installieren. Das Abrufen meiner E-Mails muss daher warten und weil der PC ein uraltes Modell ist, wird die Installation wahrscheinlich den ganzen Vormittag dauern. Für einen Moment überlege ich, was ich in der Zwischenzeit unternehmen könnte. Womöglich ist es keine dumme Idee, mich mit Bloomwell ein bisschen vertrauter zu machen. Also spaziere ich kurz darauf durch die schmalen Straßen. Bis auf wenige Ausnahmen sind die meisten Wege mit Katzenkopfsteinen gepflastert. Zum Dorfrand hin gibt es sogar bloß eine Art Ackerweg, wie der, an dem mein Haus liegt. Ich laufe an einigen herrlichen Anwesen mit parkähnlichen Gärten vorbei, in denen unter anderem Bürgermeister Bones lebt. Am schmiedeeisernen Tor zu einem gewaltigen Herrenhaus bleibe ich fasziniert stehen. Das Wahnsinnshaus zeichnet sich durch Erker und Türmchen aus, ist stellenweise dicht von Efeu bewachsen und auf dem gepflegten Rasen entdecke ich zu meiner Überraschung einen Pfau. In der geharkten, feinkiesigen Auffahrt steht ein dunkelgrüner Jaguar und erhält von einem farbigen Herrn in grauer Uniform eine Handwäsche. Im angemessenen Abstand zu dem Luxuswagen parkt ein schlichter Sprinter mit der Aufschrift

Скачать книгу