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außer mir hier ist. Bei der Fichte angekommen hebe ich vorsichtig die untersten Zweige an, um zu sehen, was sich darunter verbirgt. Was ich sehe, verschlägt mir die Sprache.

      Verwirrt starre ich die Pflanze an. Es ist eine kleine Blume, nicht größer als meine Handfläche, so klein und zierlich. Sie trägt eine blaue Blüte und strahlt in ihrer ganzen vollkommenen Schönheit zu mir herauf. Es ist die herrlichste Blume, die ich je gesehen habe. Doch ich kenne diese Blumenart, eine Sommerblume – Blütezeit im Hochsommer. Wir haben Mitte Dezember und tiefste Minustemperaturen! Das ist unmöglich! Die Blume müsste längst abgestorben oder erfroren sein. Lange Zeit starre ich sie irritiert an. Ich kann mir einfach keinen Reim darauf machen.

      Doch dann fallen mir die Worte der Alten wieder ein, und mir wird einiges klar. Mit einer ganz anderen Einstellung gehe ich nach Hause. Denn nun weiß ich: Manchmal muss man eben doch ein bisschen an Wunder glauben, vor allem zur Weihnachtszeit!

      Tanja Wendorff ist 19 Jahre alt und lebt im niedersächsischen Garbsen. Wenn Sie in ihrer Freizeit nicht Abenteuer als Pfadfinderin erlebt, betreibt sie gerne Ju-Jutsu. Demnächst erscheint ihre Geschichte „Die Dunkle Königin“ in der Anthologie „Verliebt bis in den Tod, Teil 2“ im net-Verlag.

      *

      Des Schneemanns Nase

      Paul hat mal einen Schneemann gebaut,

      ich sag euch, der hat schön ausgeschaut!

      Als Nase prangte dem Wicht

      eine Möhre im Gesicht

      und als Krönung auf dem Kopf

      aus der Küche gar ein Topf.

      Er hatte keine Beine,

      als Augen nur zwei Steine,

      doch was er auf dem Haupte trug,

      verlieh der Würde ihm genug,

      und erst die Nase, glaubet mir,

      war wirklich allerreinste Zier!

      Bis des Nachts ein Hase kam

      und dem Mann die Nase nahm,

      ich sah genau, wie er saß

      und die frische Möhre fraß.

      O weh, nun hatte der Wicht

      nur noch ein Loch im Gesicht ...

      Ein Engelein im Himmel droben

      sahs auch und kam herabgeflogen,

      hat dem Schneemann leis und sacht

      eine neue Nas gebracht,

      und eh es wieder flog nach Haus

      rief es noch schnell den Nikolaus.

      „Der Schnee erfreut die Kinder,

      fürs Wild ist hart der Winter“,

      nickte ernst der Heilige, der Gute,

      nein, er hatte niemals eine Rute.

      Die Weihnachtszeit schon nahte bald,

      drum war er unterwegs im Wald,

      füllte gleich Hafer, Heu und Rüben

      nebst Körnern in die Futterkrippen,

      im Sack ließ er die süßen Sachen,

      die allen Kindern Freude machen,

      auch Äpfel, Nüss und Mandelkern

      und was sie sonst noch essen gern.

      Alsdann stapft er aus dem Wald heraus,

      bracht etwas davon in jedes Haus,

      Paul von alledem nichts merkte,

      lag im Schlafe, der ihn stärkte,

      überall herrscht Stille, Ruh,

      Christkind guckt von Ferne zu,

      flog ein paarmal rasch zur Erde,

      schaut, obs allseits festlich werde,

      war zufrieden, lächelt hold,

      Paulchen fand ein Haar aus Gold,

      als er am Morgen spät erwachte

      und draußʼ die Wintersonne lachte.

      Lief wie der Wind zum bunten Teller,

      zum vollen Stiefel noch viel schneller

      und jubelte: „Wie ich das mag,

      heissa, heut ist Sankt Niklaustag!“

      Am Abend Paul am Fenster stand

      mit einem Zimtstern in der Hand,

      sah im Licht vor der verschneiten Föhre

      rot erglänzen seines Prachtkerls Möhre,

      war überglücklich, und ich dachte:

      „Wie gut, dass Niklaus Futter brachte:

      Versorgt ist das Wild für den Rest vom Jahr

      und des Schneemanns Nase außer Gefahr.“

      Barbara Avato wurde 1949 in Nordhessen geboren und lebt seit 1985 in Italien. Die Diplom-Übersetzerin und ausgebildete Waldorflehrerin veröffentlichte Aufsätze zu verschiedensten Themen, Kindergeschichten und literarische Übersetzungen.

      *

      Wenn das Krippenspiel im Chaos versinkt

      Glücklich lief Alina über die verschneite Straße nach Hause. Es war der erste Advent, und wie jedes Jahr wurden am ersten Advent im Kindergottesdienst die Rollen für das Krippenspiel am Heiligen Abend verteilt.

      Alina machte nun schon zum dritten Mal mit, doch dieses Jahr war alles anders. Dieses Jahr durfte sie die Maria spielen. Maria, die wollte sie letztes Jahr und das Jahr davor auch schon spielen, aber da hatte es immer nur zum Engel gereicht. „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude. Euch ist heute der Heiland geboren“, und so weiter.

      Sie kannte den Text schon auswendig und hätte ihn nicht mehr lernen brauchen, doch sie freute sich sehr, dass sie dieses Jahr einen neuen Text, den Text der Maria, lernen durfte. Auch die Tatsache, dass Tom, ausgerechnet Tom, der größte Idiot und Klassenclown der 2b, den Josef spielte, hielt sie nicht von ihrer Freude ab. Singend sprang sie durch die Gassen der kleinen Stadt.

      „Mama“, rief sie und sprang ihrer Mutter in die Arme, als die ihr die Tür öffnete, „ich spiele Maria!“

      „Super, na endlich. Siehst du, ich habe dir doch gesagt, irgendwann wirst du auch die Maria spielen dürfen“, sagte ihre Mutter und freute sich für Alina mit.

      „Aber ich brauche ein Kostüm“, erwiderte Alina und war schon auf dem Weg in das Zimmer ihrer Oma.

      Aufgeregt riss sie den Kleiderschrank auf und fing an, ihn zu durchwühlen. Sie wusste genau, wonach sie suchte: das blaue lange Kleid und das rote Tuch darüber.

      Als sie alles endlich gefunden hatte, zog sie es schnell an und betrachtete sich im Spiegel. Beide Kleidungsstücke waren ihr etwas zu groß, aber man konnte es mit einem Gürtel etwas hochbinden. Sie war so begeistert, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass ihre Mutter in der Tür stand.

      Deshalb erschreckte sie sich, als ihre Mutter lachend sagte: „Na du kannst es ja wohl kaum erwarten.“

      „Hilfst du mir beim Textlernen, Mama?“ Alina sah ihre Mutter fragend an.

      „Natürlich. Ich will ja auch ein schönes Krippenspiel sehen am Heiligabend. Aber erst einmal wird das ganze Chaos hier beseitigt.“

      Alina sah sich um. Erst jetzt bemerkte sie die ganzen Kleider und Jacken, die

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