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genügte und sie erkannte, dass Stefanie die Wahrheit gesagt hatte. Herr Wallner lag mit verrenkten Gliedmaßen auf dem Fußboden neben seinem Bett und um seinen Kopf herum hatte sich eine Blutlache gebildet. Entsetzt wandte sie sich ab und musste sich kurz an Gertrud festhalten.

      Gertrud wollte ungeduldig wissen: »Was ist? Ist er tot?«

      Stefanie grinste. »Tot wie ein Sargnagel!«

      »Wir müssen sofort die Polizei verständigen!«, stieß Carla hervor.

      »Na, glaubst du mir jetzt? Hab ich zu viel versprochen?«

      Bei Gertrud nützte selbst ein Sich-auf-die-Zehenspitzen-stellen nichts. »Ich will ihn auch sehen!«, murrte sie und reckte den Hals.

      »Kommen Sie!«, bot Stefanie ihr an. »Ich mach Ihnen die Räuberleiter.«

      »Stefanie …!«, stammelte Carla bestürzt. »Da drinnen liegt ein Toter, das ist doch keine Show!«

      »Ich finde es nur gerecht, wenn er tot ist. Wer weiß, wie viele arme Tiere dieser Bösewicht noch auf dem Gewissen hat, von denen wir gar nichts wissen.«

      Gertrud raffte ihren Kittel hoch und stellte sich vorsichtig auf Stefanies verschränkte Arme. »Denken Sie, Sie können mein Gewicht tragen?«, erkundigte sie sich vorsichtshalber. »Ich bin schließlich nicht gerade eine Gazelle.«

      »Klammern Sie sich einfach am Fenstersims fest, dann wird’s schon gehen. Ich pushe, Sie ziehen. Go

      Mit einem kräftigen Schubs stieß sie Gertruds Hinterteil hoch und Gertrud fing an zu kichern. An dieser Stelle hatte sie schon sehr lange niemand mehr angefasst. Sie warf einen flackernden Blick ins Zimmer und verzog gleich darauf das Gesicht. »Ei, ei, wer liegt denn da? Schöne Grüße an die Hölle, Herr Wallner …«

      Carla Burkhardt traute ihren Augen und Ohren nicht. Ihre neue Hilfskraft mitsamt der eigenen missratenen Tochter schienen am Tod eines Menschen geradezu Gefallen zu finden!

      »Wir verständigen sofort die Polizei!«, rief sie energisch.

      Stefanie ließ Gertrud ziemlich unsanft zu Boden gleiten. Als Gertruds Füße die Erde berührten, hatte ihr Gesicht richtig Farbe bekommen. Sie richtete sich schnell die Kleiderschürze zurecht, die durch diese Gymnastik anstößig weit hinaufgerutscht war und den Blick auf ihren baumwollenen Liebestöter preisgegeben hatte. Unter anderen Umständen wäre ihr das jetzt furchtbar peinlich gewesen, aber im Augenblick war ihr selbst das egal. So viel Schadenfreude hatte sie nämlich schon seit langem nicht mehr empfunden.

      Eine Leiche für Inspektor Paul Junghans

      Inspektor Paul Junghans nahm den Anruf auf seinem Diensthandy entgegen. In seiner eigenen Gemeinde, in Keltenberg, in der Kirchgasse Nummer 32, soll eine männliche Leiche gefunden worden sein! Er selbst war gerade im idyllischen Gießhübl im Wienerwald unterwegs, wo vor kurzem auf der A21 ein Unfall mit Personenschaden und anschließendem Raufhandel stattgefunden hatte. Trotz Magenverstimmung und Restalkohol von letzter Nacht gab er sich Mühe, vor den Kollegen nicht unangenehm aufzufallen. Nach den unumgänglichen Amtshandlungen und der Festnahme der beiden Übeltäter, wollte er sich sofort auf den Weg machen. Er telefonierte sicherheitshalber schon nach einem Sanitätswagen und der Spurensicherung, bevor der Tatort verunreinigt wurde. Denn die Anruferin, eine gewisse Gertrud Klampfl, war ziemlich sicher, dass es sich um Mord handelte. Unfall war ausgeschlossen! Es musste unbedingt Mord sein. Manche Leute schienen sich das direkt herbeizuwünschen.

      Eine Leiche aber, ob Mord oder Selbstmord, mitten in seinem Zuständigkeitsbereich, wäre dennoch sensationell! Die erste Leiche in seinen achtundzwanzig Lebensjahren und den sechs Jahren bei der Polizei – mit Ausnahme der zahlreichen Schnapsleichen! Zwar war er erst vorgestern zu einer echten Leiche gerufen worden, dann hatte sich aber herausgestellt, dass es sich um eine tote Katze gehandelt hatte! Manche Leute machten da echt keinen Unterschied.

      Bis jetzt hatte er es bloß mit quakenden Fröschen in Bioteichen zu tun gehabt, die die Nachbarn nervten, einem Einbruch oder den üblichen Wirtshausschlägereien. Raub war bereits die Ausnahme. Er sah das alles ziemlich entspannt, bis auf ein einziges Mal. Da hatte es im Ort eine Vergewaltigung gegeben. Ein junges Mädchen war unter Drogen gesetzt und von einer Gang missbraucht worden. Vergewaltigung war das einzige Delikt, das Paul Junghans richtig ausrasten ließ. Sexualstraftätern gegenüber konnte er knallhart sein. Die Bande hatte folglich auch nicht viel zu lachen gehabt und würde sich an den jungen Inspektor noch sehr lange erinnern.

      Aber Mord war eine ganz neue Kategorie!

      Paul Junghans stieg in seinen noch fast neuen Passat Touran, schlug den hochgestellten Kragen seiner schwarzen Lederjacke zurück und kontrollierte im Rückspiegel noch schnell seine Erscheinung. Dunkelblonder Kurzhaarschnitt, lachende bernsteinfarbene Augen – heute ein wenig rot unterlaufen von der Party letzte Nacht – ein schlankes markantes Gesicht mit einer natürlichen Bräune, einen Viertagebart und schön geschwungene volle Lippen. Seine Wirkung auf Frauen war verheerend – meist für die Frauen, die sich schon nach wenigen Minuten Hals über Kopf in ihn verknallten. Aber Paul Junghans war wählerisch.

      Er fuhr sich einmal kurz und selbstverliebt über die modische Frisur. Bislang war es noch keiner Frau gelungen, ihn dauerhaft an sich zu binden, denn seine Ambitionen bezüglich Frauen und Beruf blieben nicht auf seinen Bezirk Mödling beschränkt – sein erklärtes Ziel war, in Wien Karriere zu machen!

      Halbwegs zufrieden mit seinem Erscheinungsbild stieg er auf das Gaspedal. Bis zur Karriere in Wien würde er sich allerdings noch ein wenig mehr anstrengen müssen, daher käme eine echte Leiche gerade sehr gelegen.

      Mit dem Gas geben wurde es vorerst nichts, denn er geriet mitten in einen Stau. Aus dem Handschuhfach nahm er das Blaulicht mit der Magnethalterung und knallte es auf das Wagendach. Dann raste er, sofern man bei den Wagenkolonnen von Rasen sprechen konnte, nach Keltenberg zurück. Punkt sechzehn Uhr dreißig stellte er den Wagen vor dem Haus in der Kirchgasse Nummer 32 ab.

      Ein paar Anwohner standen bereits in einigem Respektabstand um die Polizeiwagen herum und die Männer der Spurensicherung durchsuchten drinnen schon das Haus. Im Haus selbst roch es nach Altmännerschweiß und Tristesse. Über all dem schwebte der Geruch von ungewaschener Bettwäsche, Speiseresten und etwas Faulig-Süßlichem, das besonders hervorstach, das er aber nicht richtig zuzuordnen vermochte. Das Haus war das reinste Biotop.

      Der Gerichtsmediziner, Rudolf Wehrschütz, war bereits vor ihm eingetroffen. Er stand gebückt im Vorzimmer und kramte gerade in seinem Koffer herum.

      Da Paul wusste, dass Wehrschütz aus dem gut vierzig Kilometer entfernten Wien anreisen musste, und das mitten im Berufsverkehr, fragte er grinsend: »Sind Sie geflogen?«

      Rudolf Wehrschütz hob kurz den Kopf und antwortete mit einem knappen: »Ja.«

      »Haben Sie vorher ein Red Bull getrunken und es sind Ihnen auf einmal Flügel gewachsen? Hehe.«

      Wehrschütz richtete sich auf und hielt sich dabei den Rücken. »Nein, aber ein Heli stand bereit. Die A21 war voll wegen des Staus.«

      »Weiß ich, stand schließlich mittendrin. Das muss aber etwas sehr Wichtiges gewesen sein, von wegen Heli.«

      »Ein Mord in Perchtoldsdorf.«

      »Echt?«

      »Der dritte in acht Wochen.«

      Paul wurde richtiggehend neidisch. Überall war was los, nur in seinem Revier herrschte die reinste Harmonie. Bis auf heute. Immerhin.

      »Wollen Sie die Leiche nun sehen?«, kam Rudolf Wehrschütz zur Sache.

      »Klar! Deswegen bin ich doch hier!«

      Als Paul dann vor dem Toten in seinem Blut stand und den zertrümmerten Schädel sah, spürte er plötzlich, wie die Magensäure seine Speiseröhre hochstieg, und schaffte es gerade noch bis vor die Tür. Peinlicherweise stand ausgerechnet dort die versammelte Burkhardt-Familie mitsamt der Frau Klampfl und wartete auf ein Ergebnis der Untersuchung.

      »Ihre

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