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seelisch nicht gut gehen kann, ergeht es natürlich auch Ihrem Pferd.

      Das Pferd hat bekannterweise ein sehr großes Bedürfnis nach Bewegung. Nicht nur die Ställe, Paddocks oder Weiden sind hinsichtlich dessen zu überprüfen, ebenso ist es die Aufgabe des Menschen, für die Bewegung des Pferdes zu sorgen. Zu selten werden wir diesem Bedürfnis nämlich wirklich gerecht. Wer unternimmt schon täglich bis zu zwanzig Kilometer lange Ausritte? Das ist in etwa die Strecke, die ein wild lebendes Pferd täglich zurücklegt …

      Das Pferd will und sollte jeden Tag galoppieren können. Das ist nicht nur für sein Wohlbefinden wichtig, sondern auch für Lunge, Herz und Kreislauf des Tieres. Es ist nicht verwunderlich, wenn sich das Pferd bei einem gemütlichen Ausritt im Gelände nicht entspannen kann, wenn es sich eigentlich erst mal austoben möchte. So manche Dressureinheit scheitert daran, dass das Pferd sich zunächst einmal körperlich »freipusten« muss, bevor es konzentriert und gelöst mitarbeiten kann. Also lassen Sie es vor dem Reiten ein wenig toben, buckeln und überschüssige Energie loswerden, bevor Sie ausreiten oder Gymnastikübungen mit Ihrem Pferd praktizieren.

      Gerade hoch im Blut stehende Pferde haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Bewegung, dem man täglich gerecht werden muss. Einige Pferde erscheinen uns auf den ersten Blick ein wenig träge und faul zu sein, haben aber vielleicht nur eine lange »Warmwerdphase« und werden erst nach einigen Kilometern richtig wach und fit. Bei vielen kann man regelrecht spüren, wie der Stoffwechsel fröhlich zu arbeiten beginnt. Ich selbst habe diese beiden Extrembeispiele zu Hause. Und bei beiden treten Probleme meistens dann auf, wenn ich einige Tage nicht für ihre Bewegung sorgen konnte, obwohl sie täglichen Weidegang haben.

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      Überlegen Sie also genau, was für einen Typ Pferd Sie haben und ob Sie seinem Bewegungsbedürfnis wirklich gerecht werden. Besitzen Sie zum Beispiel einen Haflinger, der ursprünglich als reines Arbeitstier gezüchtet wurde, können Sie davon ausgehen, dass der Wunsch nach körperlich fordernden Aufgaben in ihm ungebrochen wirkt. Wenn Sie nur ein paarmal in der Woche gemütlich ausreiten, wird ihm das viel zu wenig sein. Und haben Sie einen für den Hochleistungssport gezüchteten Warmblüter, dann müssen Sie sich ebenfalls fragen, ob Sie seinem Bewegungsdrang gewachsen sind. Die mangelnde Anforderung kann schnell zu Krankheiten, Übergewicht und Aufmüpfigkeit führen.

      Wir neigen manchmal aus Zeitgründen dazu, unsere Pferde geistig und körperlich über einen gewissen Zeitraum nicht ausreichend zu beanspruchen und sie dann plötzlich mit Aufgaben zu konfrontieren, die sie möglicherweise restlos überfordern – zum Beispiel, weil uns die Idee kommt, wir könnten einen Wanderritt unternehmen, an einem Turnier teilnehmen oder auch nur eine ungewohnt ausgedehnte Dressur- oder Springstunde einbauen. Unsere Pferde werden damit unter Umständen völlig überfallen. Bereiten Sie also Ihre Pferde genauso gut auf anstehende Aufgaben vor wie sich selbst, wenn Sie plötzlich über Ihre körperlichen Grenzen hinausgehen wollen.

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      Stellen Sie sich vor, Sie sind in den Körper Ihres Pferdes geschlüpft. Nehmen Sie den Raum wahr, der Ihnen zur Verfügung steht. Schauen Sie sich Ihre Box, das Stallgebäude, das Umfeld, die Nachbarn und die Menschen, die mit Ihnen zu tun haben, genau an. Achten Sie auf Geräusche, eventuell auftretenden Lärm oder andere nervende Reize. Schauen Sie, wo Ihr Futter liegt, in welcher Ecke Sie schlafen dürfen und wo Sie Ihre Notdurft erledigen müssen. Nehmen Sie wahr, wie viel Platz Sie zum Strecken, Wälzen und für Bewegung in der Box haben. Achten Sie auf die Gerüche! Pferde sind extrem auf ihren Geruchssinn fixiert. Können Sie frische Luft atmen, oder gibt es kein Fenster nach draußen, sondern nur ein Gitter zur Stallgasse?

      Nun sehen Sie sich die Bewegungsmöglichkeit außerhalb der Box an. Gehen Sie dieselben Wege, die Ihr Pferd täglich geht. Wie viel Raum hat Ihr Pferd zur Verfügung, und wie ist er gestaltet? Entspricht er den Bedürfnissen Ihres Pferdes? Seien Sie ehrlich zu sich selbst, im Interesse Ihres Pferdes und in Ihrem eigenen.

      Kann es sein, dass es Probleme gibt, die damit zusammenhängen, dass Ihr Pferd sich nicht so bewegen kann, wie es sich bewegen müsste?

      Vergleichen Sie mal Ihren eigenen Radius mit dem Ihres Pferdes. Sehen Sie Ihre Wohnung, Ihren Garten, denken Sie daran, wie Sie morgens aus dem Haus gehen und mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Oder vielleicht auch mit dem Auto. Wie Sie tagtäglich die Stadtgrenze überqueren und weite Wege zurücklegen.

      Wie Sie spazieren gehen, einkaufen, Sport treiben.

       Ich denke, wir sind uns einig, dass Ihr Radius größer und auch reizvoller als der Ihres Pferdes ist. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Pferd seinen Radius erweitern kann.

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      Das Pferd als Resonanzverstärker

      Pferde sind eine emotionale Herausforderung! Stimmen Sie mir da zu? Pferde können uns jeden Tag völlig unerwartet aufs Neue in eine Gefühlswelt stupsen, von der wir zuvor nicht einmal den Hauch einer Ahnung hatten. Gestern noch waren wir überglücklich und von einem wunderbaren Ausritt durch die Natur beseelt, und schon am nächsten Tag versetzt uns dasselbe geliebte Pferd in Angst und Schrecken, weil es plötzlich wie wild vor etwas scheut, was ihm doch sonst nie etwas ausgemacht hat.

      Kennen Sie das? Mal ist man verliebt in sein Pferd, dann restlos besorgt, weil es herumkränkelt, und dann wieder könnte man sich selbst geißeln, weil man einfach alles falsch zu machen scheint. Man glaubt zum Beispiel, so schlecht geritten zu sein, dass man es für immer sein lassen will, um das arme Tier nicht länger zu quälen. Man ist niedergeschlagen, euphorisiert vor Glück, wütend, traurig, zufrieden …

       Wir Pferdemenschen leben ein intensives Leben – dank der Pferde.

      Pferde wissen sehr genau um das, was in uns vorgeht. Man kann ihnen nichts vorgaukeln. Sie lesen uns, unsere Energie, überprüfen diese auf Authentizität und spüren blitzschnell nach, was unsere Energie in ihnen selbst auslöst, zum Schwingen bringt. Entsprechend reagieren sie.

      Natürlich gibt es Pferde, die sich mehr vom Menschen abgrenzen und wiederum andere, die sehr sensibel auf uns reagieren. Genau wie bei uns Menschen auch. Das Pferd spiegelt, aber es verstärkt auch massiv Themen in uns. Vielleicht holt es Angstanteile in uns hervor, von denen wir glaubten, sie gar nicht mehr in uns zu tragen wie Wut, Aggressivität und übertriebener Ehrgeiz. Aber auch das Lichtvolle: Liebe, Dankbarkeit, Stille, Sensibilität, Authentizität …

       Ich nenne es mal unsere Licht- und Schattenseiten.

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      Sind Sie ein ehrgeiziger, erfolgsorientierter Mensch? Dann wird Ihnen das Pferd mit Sicherheit dabei helfen, diese Eigenschaft auszuleben. Das kann so weit gehen, dass das Pferd – in der negativsten Form – irgendwann zum viel zitierten Sportgerät verblasst und dem ständig hungernden Selbstwertgefühl des Menschen zu Turnierruhm und Ehrenpreisen verhelfen muss. Doch diese Eigenschaft kann,

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