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klarer zu sehen.

      Ich konnte ihn unmöglich küssen! Was dachte ich da eigentlich?

      In meinen Wangen brannte die Röte und ich legte die Finger­spitzen daran, um sie zu kühlen.

       Als hätte ich nicht schon genug Probleme.

      Lautlos erhob ich mich aus der Hängematte und schwebte den Baumwipfeln entgegen.

      Am Horizont ging die Sonne auf.

      Obwohl mein Kopf und mein Körper sich immer noch matt und müde anfühlten, hielt ich mich bisher eigentlich ganz gut. Nur Mei sprach mich auf meine dunklen Augenringe an. Falls Justus sie bemerkte, sagte er zumindest nichts dazu. Nur hin und wieder warf er mir besorgte Blicke zu.

      Es war gerade Mittag und wir hielten zum Essen an einem Waldrand.

      Ich vergrub meine nackten Zehen im weichen Boden, hing meinen Gedanken nach, starrte in meine Suppe und knabberte an einem Brotfladen, den Garan mir aufgezwungen hatte. Gestern war er noch ein Kind gewesen und heute backte er Brot wie ein Meister.

      »Was ist los, Bree? Ist dir nicht gut?«, erkundigte sich Ayo vorsichtig bei ihrer Freundin. Die beiden saßen hinter mir im Gras, eine Schale mit Eintopf und Brot in der Hand. Neugierig drehte ich mich zu ihnen.

      Bree starrte mit weit geöffneten Augen in ihre Suppe, dann wandte sie den Kopf ruckartig gen Süden. Achtlos glitt ihr das Essen aus der Hand, als sie sich erhob.

      Ayo versuchte die Suppenschale noch aufzufangen, war aber zu langsam. Die Flüssigkeit ergoss sich über ihre Finger und lief ins Gras, die Schale blieb überraschenderweise heil. Zum Glück war Ayo unempfindlich gegen Hitze.

      Inzwischen beobachteten alle Bree, die ein paar Schritte ging, den Blick wie in eine andere Welt gerichtet. Sie sah etwas, was uns anderen verborgen blieb, und wir warteten gespannt darauf, dass sie etwas sagte.

      Dante war ebenfalls aufgestanden und hatte sich schützend hinter sie gestellt. Es kam nicht selten vor, dass sie sich überanstrengte und dann einfach ohnmächtig umfiel, wenn sie versuchte, zu weit zu sehen.

      Ich dachte kurz daran, den Wind zu fragen, der bis eben noch mit dem Dampf meiner Suppe gespielt hatte und nun aufgeregt um meinen Kopf flog.

      Er wartete nur darauf, mir mitzuteilen, was er wusste.

      Doch da machte Bree endlich den Mund auf. »Da ist eine Kutsche. Keine Meile von hier.«

      »Kommt sie auf uns zu?«, fragte Marc ein wenig übereifrig. Offensichtlich hatte er das Gefühl, etwas wiedergutmachen zu müssen, nachdem der letzte Besuch von Fremden für ihn nicht so gut verlaufen war.

      Bree blinzelte verstört und sah ihn an. Erst jetzt schien sie wieder völlig da zu sein. »Nein, aber sie wird angegriffen von einem halben Dutzend. Sie war ziemlich stark bewacht. Acht Mann! Vier sind bereits tot. Im Innern der Kutsche sitzt eine Frau.« Sie sah von einem zum anderen, als wäre sie nicht sicher, was sie mit ihrer eigenen Information anfangen sollte.

      Was war zu tun?

      Auch die Wagenleute blickten sich gegenseitig fragend an.

      Normalerweise hielt sich das Feuervolk aus sämtlichen Auseinander­setzungen der gewöhnlichen Menschen raus, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

      Mir fiel es jedoch schwer, einfach hier zu sitzen und es geschehen zu lassen. Sollte dort im Wald tatsächlich jemand angegriffen werden, konnte ich persönlich es verantworten, durch meine Untätigkeit seinen Tod mit zu verschulden?

      Auch in Brees Gesicht spiegelten sich diese Bedenken, selbst wenn ich das von einer so kaltschnäuzigen Person wie ihr nicht gedacht hätte. Ihr Blick schnellte wieder in die Richtung, in der sich offensichtlich die Kutsche befand. »Jetzt sind es fünf«, flüsterte sie, doch wir hatten sie alle gehört.

      Es rührte sich noch immer niemand. Bree ballte sie Hände zu Fäusten und mir brach der Schweiß aus.

      Der Wind wurde energischer und ich schenkte ihm widerwillig meine Aufmerksamkeit.

      Sie ist die Tochter des Fürsten von Mari!, wisperte er aufgeregt und zog fest an meinen Haaren.

      Aua. Wer?, fragte ich ihn.

      Die Frau in der Kutsche. Sie wird von albahrischen Soldaten überfallen.

      Ich wusste kaum, wie mir geschah, doch ich erschrak so sehr, dass ich plötzlich kerzengerade dastand.

      »Was ist los, Cate?«, wollte Mei wissen und sah erstaunt zu mir auf.

      Jetzt oder nie, Cate, sagte ich zu mir selbst und wusste, dass ich es bereuen könnte, jetzt den Mund aufzumachen. Doch das letzte Mal hatte mich das schlechte Gewissen schon umgetrieben. Und diesmal standen sogar akut Menschenleben auf dem Spiel.

      »Die Frau in der Kutsche ist die Tochter des Fürsten von Mari«, stieß ich aus und nun starrten alle mich an.

      Mit zusammengepressten Lippen wartete ich auf die erste unangenehme Frage, doch sie kam nicht. Glücklicherweise war der Angriff an sich wichtiger als mein plötzliches Wissen über die Herkunft des Opfers.

      Ihre Blicke wanderten geschlossen zu Kai, von dem sie eine Entscheidung erwarteten. Der große Mann stemmte die Hände in die Hüften und wandte sich an seine Frau. »Was sagst du?«

      Die Spannung war kaum noch auszuhalten, machte mich so hibbelig, dass ich kurz davor war, den Wind auszuschicken, um Tanja zu schupsen, damit sie endlich etwas sagte.

      »Ihr solltet handeln«, entschied sie und Kai nickte.

      »Ich denke auch«, erwiderte er und ich atmete erleichtert auf.

      Marc und die anderen Männer stellten sofort ihre Essensschalen zur Seite. Justus eilte zu seinem Wagen, holte seinen Jagdbogen und die Pfeile und reichte Marc seine Wurfdolche.

      Auch die anderen bewaffneten sich mit dem, was sie hatten, Bree wies ihnen die Richtung und schon waren sie im Dickicht des Waldes verschwunden.

      Mir und den Zurückgebliebenen blieb nichts als zu warten. Quälend langsam verging die Zeit. Bree stand noch immer abwesend da, ihre Sinne wohl auf das Geschehen eine Meile entfernt konzentriert.

      Ich schickte den Wind los, um ihnen zu helfen. Er trieb sie voran, wehte die Äste der Bäume aus dem Weg und ich ließ ihn Justus sogar einmal schubsen, damit er nicht vom Weg abkam.

      »Sie sind angekommen«, teilte Bree uns mit. Dann blinzelte sie überrascht und lächelte. Das war ein gutes Zeichen.

      Als die Männer zurückkehrten, sahen sie sehr erschöpft aus. Es war eben nicht ohne, zuerst eine Meile zu rennen und anschließend ein halbes Dutzend Soldaten in die Flucht zu schlagen, wie mir der Wind erzählte.

      Marc führte ein Pferd an den Zügeln, auf dem eine wunderschöne Frau kauerte. Sogar mit verstrubbelten Haaren und erschöpfter Miene wirkte sie immer noch so anmutig wie eine Prinzessin.

      Ich beäugte sie aus der Ferne und fragte mich, wieso Frauen, die sowieso schon reich waren, zudem derart bezaubernd aussehen mussten. Das war doch unfair!

      Doch in ihrer Lage wäre ich wiederum auch nicht gern. Denn die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fürstentümern machte selbst vor unschuldigen Mädchen nicht halt, wenn ihre Entführung jemandem zum Nutzen sein konnte.

      Von ihren Wachen hatte keiner den Angriff überlebt. Wie sie sich wohl fühlte?

      Marc reichte die Zügel an Mei weiter und half der Frau vom bloßen Rücken des Tieres herunter. Er lächelte sie aufmunternd an und erntete dafür einen warnenden Blick von seinem Vater, der mehr sagte als tausend Worte.

      Niemand wusste so recht, was zu tun war, bis Tanja zu der Fürstentochter trat, um ihr einen Sitzplatz und eine Schale Wasser anzubieten.

      Da kam wieder Leben in die Gruppe. Alle umringten das schöne Mädchen und stellten Fragen: Wer sie war? Woher sie kam? Warum sie angegriffen wurde? Und so weiter.

      Sie hieß Elyssabed

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