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vorzuenthalten, und berührte mit spitzen Fingern alles, was sich in ihrer Reichweite im kleinen Innenraum des Wagens befand.

      Als sie die Hand nach meinem Windspiel ausstreckte, das über meinem Bett hing, ging ich dazwischen und holte einen braunen Leinen­streifen aus einem Beutel am Fußende meines Bettes. Die Fürstentochter nahm es pikiert hin, obwohl sie sichtlich verärgert darüber war.

      Doch nachdem sie mich eingehend gemustert hatte und feststellte, dass ich ebenfalls keine Bänder trug, ließ sie sich beruhigen.

      Mit einem einfach geflochtenen Zopf, der ihr bis an die Taille reichte, setzte sie sich wie selbstverständlich auf den Kutschbock neben Hanna und strich sich viel zu elegant die Falten aus dem Rock ihres Kleides.

      Und obwohl sie uns allen den letzten Nerv raubte, sah sie noch immer hinreißend aus.

      Da Bree unbedingt mit Ayo und Mei bei der Fürstentochter sitzen wollte, räumte ich den Platz. Gerade als ich mich daranmachte, mir einen anderen zu suchen, zeigte Elyssabed auf mich. »Warum trägt sie keine Bänder in den Haaren?«, fragte sie ganz unverblümt und legte den Kopf zur Seite wie eine Katze.

      Mir ging ein Stich durchs Herz und ich wandte das Gesicht zu Boden, damit sie nicht sah, wie ich vor Scham errötete.

      »Weil sie nicht zu uns gehört«, antwortet Bree kühl, setzte sich aufrechter hin und schob ihren roten Zopf nach hinten, der wie immer mit grünen Bändern verziert war.

      »Sagt, wie viele seidene Kleider habt Ihr in Eurem Besitz?«, erkundigte sie sich und zeigte mir damit einmal mehr, für wie unwichtig sie mich hielt.

      Mir standen die Tränen in den Augen, als ich mich vom Wagen entfernte. Ich schob es auf meine Übermüdung, da ich sonst eigentlich nicht so schnell weinte. Zumindest bildete ich mir das gern ein.

      Geknickt schlich ich zu Justus’ Wagen, der sich für gewöhnlich hinter unserem einreihte, und kletterte auf den Kutschbock.

      Dante saß dahinter an der Wand und seufzte. Er sah zu Kai, Tanja, Justus und den anderen Entscheidungsträgern, die sich an Kais Wagen versammelt hatten und lebhaft diskutierten.

      Ich wusste, dass Dante bei ihnen sein und mitreden wollte. Doch als fünfter Sohn wurde er selten gefragt.

      Er wandte den Kopf und zuckte zusammen, als er mich auf dem Kutschbock entdeckte. »Seit wann sitzt du da?«, fragte er überrascht und fuhr sich mit den Händen durchs hellbraune Haar, um es zu glätten. Er ließ es sich gerade wachsen, weil Bree anscheinend einmal gesagt hatte, ihr gefiele es besser, wenn er es lang trug.

      Ich verstand nicht, wie er eine Schwäche für jemanden wie Bree haben konnte, die ihn entweder behandelte wie Kappadreck oder als wäre er nicht existent.

      »Noch nicht so lang«, beruhigte ich ihn und versuchte mich an einem Lächeln.

      Die Versammlung löste sich auf und alle strebten zu ihren Wagen. Justus’ Gesicht war immer noch finster. Das Ergebnis der Unter­redung missfiel ihm also. Und das hieß, dass wir Elyssabed wohl den ganzen Weg in die Hauptstadt von Mari mitnehmen würden.

      Ohne ein Wort schwang er sich zu mir auf den Kutschbock und nahm die Zügel auf.

      Marc ließ sich neben Dante nieder und warf uns einen bedeutungsvollen Blick zu. Bloß nicht drauf ansprechen!, hieß das und wir hielten uns dran.

      Schweigend setzte sich der Zug in Bewegung und die schlechte Stimmung lag deutlich spürbar über uns allen.

      Justus neben mir war warm und das gleichmäßige Ruckeln des Wagens machte meine Augenlider träge, auch wenn ich mich darum bemühte, wach zu bleiben. Denn Justus war so still, dass es schon unheimlich war, und starrte so verbissen auf das Kappa vor sich, als wollte er es mit seinem Blick in Brand setzen. Als die Zügel zwischen seinen Fingern zu qualmen begannen, legte ich ihm schnell die Hand auf den Arm, damit er sich beruhigte.

      »Wir schaffen das schon«, flüsterte ich und rutschte noch ein Stück näher an ihn heran, sodass unsere Knie bei jeder Bodenwelle aneinanderstießen. »Wir haben doch dich, der auf uns aufpasst.« Ich lächelte und Justus atmete tief durch, ein verstecktes Schmunzeln im Mundwinkel.

      Seine Nähe tat mir gut und ihm die meine wohl ebenfalls, denn seine Schultern entspannten sich nach einer Weile wieder.

      Das Land zog an uns vorbei. Wald löste Felder ab und dann kamen wir durch eine sanfte Hügellandschaft. Auf den weiten Wiesen grasten Kappa, Schafe und ein paar Esel. Die Schäferhunde hoben verschlafen die Köpfe, wenn wir auf den festen Straßen vorbeiratterten.

      Ich sah in den Himmel, beobachtete die Vögel beim Segeln und spürte mein schlechtes Gewissen, weil ich heute Morgen ein wenig in den Baumkronen gesessen hatte, obwohl ich wusste, was Justus davon hielt.

      Der Wind flüsterte, erzählte von weißen Städten, fröhlichen Farben und vom Meer, das nicht mehr weit war. Bald würden wir es erreichen.

      Doch dann kam mir in den Sinn, dass Berill, die Hauptstadt von Mari, tiefer im Landesinneren lag und nicht gerade am Ozean. Außerdem war sie fernab der Route, die wir sonst nahmen.

      Wenn Kai die Fürstentochter tatsächlich zurückbringen wollte, kürzte er dann die Strecke ab und fuhr dafür nicht ans Meer?

      Ich seufzte und hoffte, dass es nicht so war.

      8

      Ich erwachte, als der Wagen holpernd vom Weg auf eine kleine Waldlichtung fuhr. Der Schreck fuhr mir in die Glieder und ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo ich war und wieso ich mich nicht bewegen konnte.

      Mein Kopf ruhte auf Justus’ Schoß und er hielt mich mit einem Arm fest an sich gedrückt. Mit der anderen Hand zog er an den Zügeln, um das widerwillig muhende Kappa zu verlangsamen.

       Bei allen Winden, ich war auf Justus eingeschlafen!

      Schnell wollte ich mich aufrichten, der unangenehmen Situation entfliehen, doch Justus verstärkte seinen Griff um mich, verhinderte, dass ich durch den Ruck vom Kutschbock geschleudert wurde, der den Wagen zum Stehen brachte.

      Unüberhörbar klopfte mir das Herz in der Brust und ich richtete mich eilig auf, als Justus mich losließ. Mein Gesicht war heißer als je zuvor.

      »Was sollte das denn?«, wollte ich ihn anfahren und gab vor, entrüstet zu sein. Doch mein Ton verunglückte in einer viel zu hohen Stimmlage.

      »Entschuldigung«, erwiderte Justus außer Atem und hängte die Zügel an den Knauf des Kutschbocks. »Es kam alles auf einmal. Das Kappa wollte ausbrechen, und du hast dich plötzlich bewegt, und …« Er blickte in mein feuerrotes Gesicht und es war mir, als verfärbten auch seine Ohren sich langsam. War ihm die Situation etwa genauso peinlich wie mir? Das hatte es ja noch nie gegeben.

      »Ach, vergiss es«, murmelte er schnell, wandte sich hastig ab und stieg nach unten, um das Tier zu beruhigen, das immer noch aufgeregt muhte.

      Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, wusste nicht mal, was ich denken sollte. Nur Tausende kleine Schmetterlinge kribbelten in meinem Bauch, als ich Justus hinterherblickte.

      Der Wind kam zu mir, blies mir beschwingt eine Böe ins Gesicht und pustete dabei meine Röcke durcheinander.

      Das nächste Dorf hat einen wunderschönen Brunnen und der Dorf­älteste Ranu hat eine so große Nase, dass alle ihn heimlich Ranu Rübennase nennen, flüsterte er vergnügt. Über seinen Übermut konnte ich nur den Kopf schütteln, aber wenigstens lenkte es mich von Justus ab.

      Hinter mir erwachte Marc mit einem Schnarcher und setzte sich auf. Verschlafen rieb er sich die Augen und streckte seine Arme über den Kopf, sodass sein Hemd die Muskeln an seinem Bauch freigab.

      Dante schlief an ihn gelehnt und sabberte auf seinen Hemdkragen.

      Was für ein fürchterlich träger Abend, dachte ich und wünschte

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