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Vom Wind geküsst. Lin Rina
Читать онлайн.Название Vom Wind geküsst
Год выпуска 0
isbn 9783959913683
Автор произведения Lin Rina
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Es ist Liebe! Wir lieben uns! Ich will nicht weg! Er liebt mich!« Elenas Kreischen erreichte eine neue Tonhöhe.
Marcs Gesicht glühte vor Scham und er sah nicht hin, als man das Mädchen auf das freie Pferd setzte.
Kai trat vor. »Meine aufrichtige Entschuldigung«, sagte er und rieb sich die Stirn. Es war offensichtlich, dass auch er sich für seinen Sohn schämte.
Der Truppenführer zuckte jedoch mit den Schultern. »Ja, wir entschuldigen uns ebenfalls«, erwiderte er bescheiden und wahrte damit Kais Stolz, was ich für eine sehr großzügige Geste hielt.
Kai runzelte die Stirn. Wir hatten alle eine andere Reaktion erwartet.
Der Mann schwang sich in den Sattel. »Macht euch keine Sorgen«, rief er Kai zu. »Das war nicht das erste Mal. Danke für die Kooperation.« Er nickte ihm zum Abschied zu und setzte sein Pferd in Bewegung.
»Marc! Marc!«, schluchzte Lady Elena, und dann ritten sie auch schon über den Feldweg davon.
»Du Vollidiot!«, brüllte Kai und schlug Marc mit der flachen Hand ins Gesicht.
Dieser zuckte nicht zurück. Er war sich bewusst, dass er es verdiente.
Doch mein schlechtes Gewissen nagte weiter an mir. Ich hatte das Mädchen zwar nicht in den Wagen geführt, aber auch nichts dafür getan, die Situation sanfter zu lösen.
»Hat dir ein Kappa in den Kopf geschissen?!«, fuhr Kai ihn weiter an. »Wie kannst du uns nur so beschämen und in so eine Gefahr bringen? Was, wenn sie uns angegriffen hätten? Oder uns vorgeworfen hätten, sie entführt zu haben?«
Marc antwortete nicht und ließ Kais Schimpftiraden über sich ergehen, bis diesem die Puste ausging.
Erschöpft sah er seinen jüngsten Sohn an und schüttelte den Kopf. »Wenn ich sehe, dass du wieder ein Mädchen abschleppst, werde ich dir Feuer unterm Hintern machen!«, drohte er ihm, bedachte ihn noch einmal mit einem stechenden Blick und ging zu seiner Frau, die ihm beruhigend die Hand auf die Schulter legte.
Der Vorfall fand ein Ende, die Spannung wich langsam und kurz darauf saßen alle beisammen und aßen.
Nur Marc war offensichtlich der Appetit vergangen. Er verkroch sich im Wagen und ließ sich nicht mehr blicken.
Und auch an mir ging es nicht spurlos vorbei.
Geheimnisse waren ein wichtiges Gut. Gerade die Feuerleute wussten das und Justus sagte mir auch ständig, ich solle besser darauf achten. Ihnen fiel das offensichtlich nicht so schwer wie mir. Doch das Feuervolk existierte aus diesem Grund ja auch noch, meins jedoch nicht.
Das verpasste mir den Dämpfer, den ich gebraucht hatte und der mein schlechtes Gewissen mit Angst überlagerte. Es war besser, dass ich nichts gesagt hatte.
Oder?
Ich machte es mir bei Juju und Sally bequem, die mir beim Würfelspiel das Versprechen abgenommen hatten, mit ihnen zu essen. Mir war das nur recht, es lenkte mich ab. Sowohl von dem, was gerade passiert war, als auch von der Sache heute Morgen.
Justus sah immer wieder zu mir herüber und ich versuchte das geflissentlich zu übersehen.
Mein Herz zog sich jedes Mal zusammen, wenn ich seinen Blick auf mir spürte, und ich konnte nur mit Mühe verhindern, rot anzulaufen.
Juju nahm mich glücklicherweise voll in Beschlag. Wie ein kleines Wolfsjunges schlug sie ihre Zähnchen in einen Rebhuhnschenkel und verschmierte dabei Öl und Gewürze in ihrem ganzen Gesicht. Ihr zuzusehen brachte mich mehr als einmal zum Lachen, doch sie weigerte sich hartnäckig, sich beim Essen helfen zu lassen.
»Ich kann das allein«, sagte sie bockig und ihre ältere Schwester Sally kicherte vergnügt.
Ich löffelte ohne Appetit ein paar Linsen. In letzter Zeit bekam ich kaum etwas runter, ohne mich zu zwingen, und ich fürchtete, dass es an meiner verzwickten Verliebtheit lag.
Als Kai zum Aufbruch rief, hatte ich das großzügige Stück Rebhuhn, das auf meinem Teller lag, nicht mal angerührt.
6
Die Zeit verging im immer gleichen Trott.
Marc hatte nach dem misslichen Zwischenfall mit der Tochter des Bürgermeisters nicht gerade einen Stein im Brett. Doch die Lage normalisierte sich schnell wieder und kaum fünf Tage danach lachte und witzelte er mit Dante und Mei wie zuvor.
Nur Kai behielt an den Abenden ein wachsames Auge auf ihn. Marc war sich dessen nur zu gut bewusst und verhielt sich allen hübschen Dorfjungfern gegenüber nett, aber reserviert.
Ich für meinen Teil legte mich frühzeitig schlafen. Auf keinen Fall wollte ich wissen, was Justus tat. Auch dem Wind schärfte ich ein, nichts zu erzählen. Selbst wenn es mir unter den Nägeln brannte, es zu erfahren.
Noch immer ging ich Justus aus dem Weg und wir hatten seit unserer Auseinandersetzung im Wald auch kein Wort mehr gewechselt. Ich wusste, dass das nicht ewig so weitergehen konnte, aber irgendwie schaffte ich es nicht, mich dazu zu überwinden, ihn einfach anzusprechen.
Wir hatten uns als Kinder nie viel gestritten und wenn doch, dann war damals alles so viel einfacher gewesen, weil unser größtes Problem darin bestand, dass ich mich weigerte, Schuhe zu tragen.
Schuhe trug ich immer noch nicht gern, aber alles andere hatte sich verändert. Wann hatten wir aufgehört, so zu sein wie früher?
Ich wusste nicht, was ich zu ihm sagen sollte. Wahrscheinlich würde er erfahren wollen, was denn nun vorgefallen war. Aber es war mir unmöglich, ihm den wahren Grund zu nennen. Er durfte nicht wissen, wie sehr ich ihn mochte.
Da es nicht in seiner Natur lag, gegen meinen Willen auf mich zuzukommen, sagten wir weiterhin nichts.
Obwohl mir unser Schweigen sonst immer gefallen hatte, war diese Stille eine Qual. Es war eine andere Art von Schweigsamkeit. Eine, die uns nicht das Gefühl unserer eigenen kleinen Welt gab, sondern Distanz zwischen uns schaffte.
Und es tat weh.
Ich wusste nicht, wie er sich fühlte, aber mir ging es miserabel. Schließlich war ich nicht nur in ihn verliebt, er war auch mein bester Freund.
Sogar das Windspiel, sein Geschenk, musste ich in das weiche Tuch einwickeln und in meinem Fach verstauen, weil ich den Anblick nicht ertrug.
Auch den anderen fiel schnell auf, dass bei uns etwas nicht stimmte, da Justus und ich sonst so gut wie unzertrennlich gewesen waren. Fast wie Bruder und Schwester.
Mei sprach mich mehrere Male darauf an, doch ich wechselte immer das Thema, um nicht darüber reden zu müssen.
Es war der sechste Tag unserer Schweigsamkeit, als Justus auf die Idee kam, sich von Mei die Haare schneiden zu lassen. Es war ein ruhiger und sonniger Vormittag, an dem Hanna Perlenarbeiten knüpfte, Garan seiner fragwürdigen Leidenschaft fürs Kochen nachging und Fin auf der Suche nach Heilkräutern durch den Wald zog.
Mei hatte viele Talente, doch eine Schere zu handhaben war keines davon.
Justus hockte so unbeweglich wie möglich auf einem Baumstumpf, während Mei einige Strähnen kürzte.
Ich saß auf der Holztreppe vor meinem Wagen und sah heimlich zu, wobei ich vorgab, am Saum meines Kleides weiterzunähen.
Mei legte den Kopf schräg und fuhr ihrem Bruder mit der Hand durch das dichte Haar. Dann zog sie an mehreren Haarbüscheln und zupfte sie zurecht. Ab und zu schnitt sie etwas ab.
Ich stöhnte. Was das nur geben sollte?
Der Wind kicherte, zog ein paar Runden um mich herum und tanzte wieder davon.
Mei schnitt eine Stelle an der Seite etwas zu kurz und ich vergrub die Finger im Stoff meines Kleides, da ich am liebsten