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      Der Wagen ruckelte heftig, als wir vom weichen Waldboden auf den festen Weg ratterten.

      Das Kappa, das vorgespannt war, muhte empört, da die Halterung an seinem Rücken zog.

      Ich mochte diese riesenhaften, gutmütigen Tiere. Sie hatten so freundliche Augen und waren doch auch beeindruckend mit ihren breiten Hufen und den zwei in Spiralen gedrehten Hörnern.

      Zwar reiste man mit ihnen nicht besonders schnell, aber dafür hatten sie Ausdauer und waren stark. Jedes von ihnen zog allein einen Wagen.

      Da ich nicht zuständig war für die Kappa, beschäftigte ich mich wenig mit ihnen. Vor allem, weil der Wind sie besonders gern ärgerte und ich ihn dazu nicht auch noch anstiften wollte.

      Heute früh saß ich bei Hanna auf dem Kutschbock und sah dabei zu, wie der Wind dem massigen Tier Wirbel in das bastartige Fell drehte.

      Hanna hielt die Zügel, wobei es nicht viel zu tun gab, da das Kappa in gleichmäßigem Trott dem Gefährt vor uns folgte.

      Sie sah müde aus, jedoch nicht so sehr wie Mei und Ayo, die sich hinter uns an die Wagenwand lehnten. Bei jedem Schlagloch hielten sie sich mit schmerzerfüllter Miene den Kopf, tranken abwechselnd aus einem Wasserschlauch und blinzelten in die strahlende Morgensonne.

      »Wie wäre es mit ein paar Wolken, Cate?«, stöhnte Ayo und zog sich ihr dunkles, krauses Haar vor die Augen.

      Mei äußerte sich nicht. Sie wusste, was ich davon hielt, wenn sie Wein trank. Würde sie jammern, bekäme sie eine Standpauke und darauf hatte sie wohl keine Lust.

      Ich im Übrigen auch nicht. Gedankenverloren starrte ich in die Luft und war froh, mit niemandem reden zu müssen.

      Hanna war glücklicherweise feinfühlig genug, um mich in Ruhe zu lassen.

      Der Wind kitzelte das Kappa, streifte darüber hinweg, raschelte durch Blätter und tanzte mir durchs Haar. Die Zeit verging still. Der Wald zog an uns vorbei, wurde lichter und schlussendlich ließen wir ihn hinter uns.

      Zu beiden Seiten der Straße erstreckten sich bald goldene Felder. Mais, der schon hoch stand, Weizen und Hafer, so weit das Auge reichte.

      Zwischendurch hielten wir an einem Bauernhof, damit Tanja Eier kaufen konnte.

      Bree kam von einem der hinteren Wagen zu uns und setzte sich zu Ayo und Mei, die ihr müßig Platz machten.

      Auch Bree hatte schon mal besser ausgesehen. Da ihre Haut von Natur aus blass war, wirkte sie noch kränklicher als ihre Freundinnen.

      »Meine Brüder nerven mich zu Tode«, jammerte sie und ich verdrehte die Augen. Ihre zwei jüngeren Brüder waren nicht immer einfach zu handhaben. Aber das lag wohl in der Familie.

      Elia war zwölf und Cookie im letzten Monat acht geworden. Bei beiden würde es noch dauern, bis sich ihre Feuerkräfte entwickelten. Bree, die schon seit etwas mehr als zwei Jahren im Vollbesitz ihrer Kunst war, rieb ihnen diese Tatsache nur zu gern unter die Nase.

      Zumal Jungen da sowieso später dran waren. So wie ich das bisher beobachtet hatte, erwachten die Feuerkräfte bei ihnen etwa im sechzehnten Lebensjahr. Das musste etwas mit der körperlichen Entwicklung zu tun haben. Mädchen waren da, wie bei so vielem, zwei Jahre früher dran.

      Ayo legte wortlos die Arme um Bree, die ihr Gesicht in Ayos strubbligem Haar vergrub, als die Wagenkolonne sich wieder in Bewegung setzte.

      »Mei«, murmelte Bree und schob ihren dicken roten Zopf zurück. »Was ist denn mit deinem Bruder los?« Sie streckte die Hand nach dem Wasserschlauch aus.

      »Mit welchem?«, fragte Mei und reichte ihn ihr.

      »Justus«, antwortete Bree und in mir machte sich sofort zittrige Aufregung breit, die mich hellhörig werden ließ, ob ich nun wollte oder nicht.

      Vorhin war ich Justus aus dem Weg gegangen, nachdem ich das Lager wieder erreicht hatte. Die Kappa waren schon eingespannt gewesen und jeder hatte noch einmal nachgesehen, dass nichts vergessen wurde. Justus war beschäftigt und ich hatte mich eilig im grünen Wagen versteckt, bis wir losfuhren.

      »Keine Ahnung, was ist denn mit ihm?«, stellte Mei die Gegenfrage und lehnte sich nach hinten. Bis das nächste Schlagloch kam. »Kappadreck!«, fluchte sie leise, als ihr Kopf gegen die Holzwand schlug, und legte anschließend die Stirn auf ihren angezogenen Knien ab.

      »Er hat sich beim Frühstück Haferbrei geholt, aber keinen Löffel davon gegessen. Und dann hat er sein Kappa falsch herum eingespannt. Klar, die Dinger sind vorn so zottelig wie hinten. Aber die Hörner hätten ein Hinweis sein können«, sagte Bree in dem spottenden Ton, der so typisch für sie war, schraubte den Verschluss des Wasserschlauches auf und setzte zum Trinken an.

      »Vielleicht hat er gestern ja zu viel Wein getrunken«, bemerkte Hanna spitz und es war das Erste, was ich heute von ihr zu hören bekam.

      Sie war eine starke Verfechterin von Disziplin und Tugendhaftigkeit. Und sie wünschte sich, dass ihre Schwester Ayo und deren Freundinnen das ähnlich sehen würden.

      Die Mädchen verstummten schlagartig. Die Kopfschmerzen und das schlechte Gewissen nagten sicher an ihnen.

      Ich schwieg ebenfalls, war noch in Gedanken bei dem, was Bree gerade erzählt hatte.

      Heute Morgen war ich Justus als Erste begegnet, direkt nach dem Aufwachen, und er hatte nicht gewirkt, als ob ihm der Wein von gestern zu Kopf gestiegen wäre.

      Also blieben noch ich und mein verrücktes Verhalten, für das ich mich mittlerweile in Grund und Boden schämte. War es möglich, dass ich ihn so aus dem Konzept gebracht hatte, dass er bei einem Kappa hinten und vorn verwechselte? Oder war danach noch etwas vorgefallen?

      Gedankenverloren drehte ich die Finger ineinander und starrte in den Himmel.

      Ich könnte den Wind fragen, doch traute ich mich das? Missmutig seufzte ich in mich hinein, biss mir auf die Unterlippe und gab schlussendlich doch meiner Neugierde nach.

      Wind!, rief ich und sofort war er bei mir, um fröhliche Kreise um mich zu drehen. Er mochte es, wenn wir unterwegs waren. Dann waren wir der Freiheit zum Greifen nah.

      Was ist mit Justus? Was hat er heute gemacht?, erkundigte ich mich zögerlich.

      Für gewöhnlich fragte ich den Wind solche Dinge nicht. Die Geheimnisse anderer sollten auch die anderer bleiben. Aber ich musste einfach sichergehen, dass nicht ich der Grund für Justus’ sonderbares Verhalten war.

      Aufgeregt schwang der Wind hin und her.

      Wie genau willst du es denn wissen?, gab er zurück und ich gebot ihm mit einer ungeduldigen Handbewegung, endlich anzufangen.

      Er ist zu deinen Sachen gegangen und hat sie zusammengerollt, begann er und meine ungeteilte Aufmerksamkeit regte ihn dazu an, stärkere Böen durch die Felder zu schicken.

      Dann ist er zum Lager zurück und hat sie in deinen Wagen gelegt. Er hat geseufzt und sich die Haare gerauft. Und er hat mit der Faust gegen den Türrahmen geschlagen. Bree hat ihm Haferbrei mit Honig gegeben, er hat ihn nicht gegessen und zu Marc gesagt, er habe keinen Hunger. Er hat den Brei an ein Kappa verfüttert.

      Ich stoppte ihn und kaute wieder auf meiner Unterlippe herum. Ist irgendwas Besonderes vorgefallen?, versuchte ich die Sache zu präzisieren.

      Irgendwas Besonderes vorgefallen, wiederholte er meine Worte als Zeichen seiner Verwirrung. Frustration schwang in den Kreisen, die er zog, da er mir nicht das geben konnte, was ich offensichtlich hören wollte.

      Schon gut. Vergiss es, seufzte ich stumm und fuhr mit den Fingern durch ihn hindurch, um ihm zu zeigen, dass ich nicht unzufrieden mit ihm war. Der Wind war eben nur der Wind und sein Bewusstsein war anders als das von Menschen.

      Nicht mehr so ausgelassen wie zuvor, kehrte er zu den Wiesen zurück, an denen wir gemächlich vorbeifuhren.

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