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dann über die Google-Bildersuche laufen lassen. Seltsamerweise steht da aber fast nichts. Nicht einmal bei Facebook oder Instagram ist er zu finden. Ich hatte mir schon überlegt, ob ich seine Eltern kont…«

      »Nein!«, brüllte Julie. »Mum, halte dich da bitte raus.«

      »Walther, deine Tochter ist wieder schwierig.«

      »Sie ist unsere Tochter, Liebling.«

      »Von mir hat sie das nicht.«

      »Wieso kennst du dich plötzlich mit Gimp und Screenshots aus, Mum?« Der Wirbelsturm wurde gefährlicher.

      »Das war dein Bruder«, erwiderte ihre Mum.

      »Max?«

      »Nein, Josh. Ist das nicht lieb von ihm. Zuerst wollte er nicht, aber ich habe ihm klar gemacht, dass seine arme Mutter, die ihn einundzwanzig Jahre lang großgezogen, gehegt und gepflegt hat, auch mal seine Hilfe benötigt.«

      Armer Josh. Ihre Mum war einfach zu gut darin, ein schlechtes Gewissen hervorzurufen. »Ja, das ist total nett von ihm. Er bekommt einen Orden von mir.«

      »Sie ist wieder sarkastisch, Walther.«

      »Ich habe nie so ganz den Unterschied zwischen Ironie und Sarkasmus verstanden«, erklang die Stimme ihres Dads.

      »Wisst ihr, ich sollte mich jetzt entspannen. Kopfschmerzen und so.«

      »Kopfschmerzen«, echote ihre Mum. »Kind, dann leg dich besser hin. Und geh morgen noch mal zum Arzt. Ich könnte dich begleiten.«

      »Danke, Mum, aber das ist gar nicht nötig.«

      »Für meine Tochter würde ich diese beschwerliche Reise selbstverständlich auf mich nehmen.«

      Weitere Pfeile in ihrem Köcher der Schuldgefühle.

      Glücklicherweise klingelte es in diesem Augenblick an der Wohnungstür. Vermutlich der Postbote, aber das spielte keine Rolle. Es war ein Ausweg. Und in ihrer Verzweiflung hätte Julie nach jedem Strohhalm gegriffen.

      »Mum, Dad, ich hab euch lieb. Haltet euch einfach raus. Mir geht es gut.«

      Länger konnte sie ihren Fluchtreflex wirklich nicht mehr unterdrücken und legte kurzerhand auf. Zehn Sekunden später und ihre Mum hätte über die Konferenzschaltung damit begonnen, die anderen dazu zu holen. Es brachte massive Nachteile mit sich, aus einer Großfamilie mit vier Geschwistern zu stammen.

      »Julie!«, brüllte Melissa.

      »Was?!« Sie riss die Tür auf und machte einen Schritt in die Küche.

      Vor ihr standen Melissa, Cullen und …

      Noch während Julie starrte, stolperte sie über die Schwelle und fiel keuchend zu Boden.

      Wieso war er hier?

      Dich kann man keine Sekunde allein lassen!«, rief Cullen besorgt.

      Schon war er neben Julie und half ihr vorsichtig auf. Sein Mund war voller Muffinkrümmel. Er hatte noch mehr davon verputzt. Schlimmer sah es nur aus, wenn er Samstagmorgens Nougatcreme in sich hineinstopfte, die fand man dann auch überall in seinem Gesicht.

      Trotz der Schmerzen musste sie grinsen.

      »Das ist nicht lustig, Jules.«

      Sowohl Cullen als auch Melissa nannten sie immer dann so, wenn sie ihrer Aussage Gewicht verleihen wollten.

      »Du siehst ja furchtbar aus.« Simons Augen wurden groß.

      Er starrte sie mit dieser typischen Mischung aus Entsetzen und Traurigkeit im Blick an, wie es nur junge Welpen konnten. Und er. Sein schwarzes Haar besaß einen Einschlag Naturlocken, die er täglich aufs Neue zu bändigen versuchte – erfolglos. Das Ergebnis war eine gewellte Fläche, aus der Kringel hervorragten.

      »Danke, Simon.«

      »Oh, so meinte ich das nicht«, wiegelte er schnell ab. »Du siehst natürlich super aus, das tust du immer. Richtig hübsch.« Seine Wangen färbten sich knallrot.

      Cullen presste die Lippen so fest zusammen, dass sie zu einem dünnen Strich wurden. Immerhin verkniff er sich jeden seiner üblichen Witze.

      Melissa kannte da keinen Schmerz. Sie verpasste ihrem Gast einen Schlag auf die Schulter, der ihn aufstöhnen ließ. »Dank deines neuen Celebrity-Status auf YouTube haben auch Simon und Becky den Unfall hautnah miterlebt.«

      »Sage ihr bitte, dass ich ab morgen wieder da bin«, erklärte Julie nachdrücklich.

      Simon schüttelte den Kopf. »Ich soll dir wortwörtlich ausrichten: Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Solltest du dir in den Kopf gesetzt haben, in der nächsten Woche hier aufzutauchen, um zu arbeiten, werde ich dich höchstpersönlich vor die Tür setzen. Verstehen wir uns? Falls du allerdings Aufmunterung benötigst, warten hier Muffins und Kaffee.« Simon räusperte sich. »Ja, also das soll ich dir von Becky ausrichten.«

      Im ersten Moment war Julie wütend. Da standen sie, alle drei. Sie solle nicht zur Vorlesung gehen, sagten Cullen und Melissa. Ihren Job im Café solle sie erst einmal ruhen lassen, verlangten Becky und Simon. Verdammt noch mal, sie benötigte sowohl das Geld als auch gute Noten!

      »Jetzt ist sie wütend«, stellte Simon entsetzt fest.

      »Relax.« Melissa drückte ihm einen Muffin in die Hand. »Das passiert öfter, als du denkst.«

      Wie eine Sprungfeder löste sich eine von Simons Locken und flippte in die Höhe. Es fehlte nur noch eine dicke Hornbrille, dann hätte er das Bild des liebenswerten geekigen Nerd in Perfektion vollendet.

      Sie kannte ihn nur als fleißigen Arbeiter und schüchternen Freund, der Comics liebte und Computerspiele. Darüber hinaus wusste sie eigentlich nichts von ihm. Sah man davon ab, dass Cullen und Melissa überzeugt waren, dass er total in sie verknallt war.

      »Also … ich übernehme deine Schicht«, sagte er zaghaft.

      Hinter Simon reckte Cullen die geballte Faust in die Luft. Yes!

      Er und Melissa führten eine Liste. Alles, was für die Theorie sprach, dass Simon in sie verliebt war, landete als Plus auf dem Papier. Alles andere als Minus. Dazu hatten sie Wetten darüber abgeschlossen, wann er seine unsterbliche Liebe enthüllte und ob er ein Lied dazu komponierte oder klassisch auf Blumen und Pralinen setzte.

      »Das musst du nicht, ich kann wirklich arbeiten«, stellte Julie klar.

      »Wenn du mit dem Tablett so über die Schwelle fällst, wie eben … also … vielleicht besser nicht.« Wieder räusperte er sich. »Also, das ist nicht böse gemeint. Aber du verletzt dich. Du musst erst gesund werden.«

      »Und dich bedanken«, warf Cullen ein. »Bei Luca, ihrem Retter. Der übrigens ziemlich heiß aussieht.«

      Echt jetzt? Julie schickte einen Dolch-Blick zu ihrem Mitbewohner. »Er war nett. Und hilfsbereit.«

      »Ach, er war heiß.« In Simons Blick nahm der Anteil getretener Hund deutlich zu.

      Vermutlich ein Plus auf der Liste.

      Julie tapste zum Tisch und sank auf einen der Stühle. »Willst du noch einen Muffin? Cullen hat ganze zwei übriggelassen. Dafür sollten wir dankbar sein.«

      Simon setzte sich neben sie, nahm den Nachschub entgegen und begann damit, Krümel herauszuzupfen. »Ich übernehme deine Schicht und du bekommst das Geld.«

      »Kommt überhaupt nicht …«

      »Doch!«, beharrte er. »Du brauchst es. Wenn ich das nächste Mal krank bin, kannst du ja für mich einspringen. Das wäre doch fair, oder?«

      Julie hätte gerne dagegen argumentiert, aber wie? Ohne das Geld konnte sie die Miete nicht bezahlen und sich so ziemlich gar nichts leisten. Sie würde ihre Eltern anpumpen müssen, was zu einem Gespräch mit ihrer Mum führte, im schlimmsten

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