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Kinderjahre Kaiser Karls. Gabriele Praschl-Bichler
Читать онлайн.Название Kinderjahre Kaiser Karls
Год выпуска 0
isbn 9783902862990
Автор произведения Gabriele Praschl-Bichler
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Als Ottos Bruder Franz Ferdinand in seiner Rolle als Thronfolger von Kaiser Franz Joseph bedrängt wurde, eine passende Frau zu suchen, reisten die zwei Brüder an den sächsischen Hof, wo es heiratsfähige Cousinen gab. Hauptsächlich hoffte man, dass Franz Ferdinand eine der beiden Töchter des späteren Königs Georg zur Frau nehmen würde. Doch sie gefielen Franz Ferdinand nicht, und er benahm sich bei den sächsischen Verwandten abweisend und unhöflich. In dieser unangenehmen Situation reagierte Otto rasch und diplomatisch: Er bat um die Hand der jüngeren Tochter, Prinzessin Marie Josepha. Für diese Gentleman-Tat wurde er allerdings vom Schicksal nicht belohnt. Die Ehe dieser zwei völlig verschiedenen Charaktere wurde recht unglücklich. Marie Josepha sah zwar sehr gut aus, sie verfügte aber über keinerlei Interessen und begeisterte sich nur für das Gesellschaftsleben. Sie mochte Pferde nicht, hatte keinen Spaß am Reiten und hielt sich im Unterschied zu ihrem Ehemann nicht gerne in der Natur auf. Da Otto als Offizier monatelang in fern von Wien liegenden Garnisonstädten lebte, langweilte sie sich, weshalb sie häufig verreiste. So kümmerte sich ihr Ehemann um die Erziehung des gemeinsamen Sohnes und um die Organisation des Haushalts. Da er gerne gut aß, engagierte er die besten Köche. Besonders leidenschaftlich richtete er Häuser ein, was häufig vorkam, da er oft versetzt wurde. Sein Vater Erzherzog Carl Ludwig, der Tagebuchschreiber, rühmte Ottos guten Geschmack, die hervorragenden Mahlzeiten, die bei ihm serviert wurden, und das gut ausgewählte Dienstpersonal.
Alles, was Otto machte, tat er aus Leidenschaft. Als Maler verbrachte er besonders in der kälteren Jahreszeit viele Stunden in seinen Ateliers, die er an allen Wohnsitzen eingerichtet hatte. Besonders gerne malte er Tiere und Landschaften, seltener Porträts – darunter eines von seinem ein Jahr alten Sohn Carl, das er für die Familie mehrfach kopierte. Eine andere Leidenschaft galt dem Halten von Rassepferden. Erzherzog Otto kaufte, züchtete und trainierte Reitpferde und ließ sie bei den berühmtesten Rennen laufen. Er und seine Brüder zählten zu den besten und wagemutigsten Reitern ihrer Zeit. Otto hatte auch ein besonderes Geschick im Kutschieren – er konnte einen Sechserzug auf kleinstem Platz wenden – und gewann zahlreiche diesbezügliche Bewerbe.
Wer so viele Hobbys besaß, sportlich, gebildet, stets gut gelaunt war, charmant plauderte und gut aussah, war bei allen beliebt. Wenn Otto von der Garnison in die Sommervilla der Familie nach Reichenau an der Rax kam, schwirrten Geschwister, Stiefmutter, Vater und Verwandte um ihn herum. Alle waren in seinem Bann, alle wollten in seiner Nähe sein. Die Sommerfrischler der Umgebung luden ihn zum damals modernen lawn-tennis, zum Tee oder zum Essen. Sie liebten es, von ihm unterhalten zu werden. Aber nicht nur sie genossen seine Gesellschaft, sondern auch die nächsten Verwandten, allen voran Ottos berühmtester Cousin Kronprinz Rudolf. Die innige Freundschaft scheint im halbwüchsigen Alter begonnen zu haben und hielt bis zum Tod Rudolfs. Da sich auch ihre Frauen Stephanie und Marie Josepha gut verstanden, gab es häufig Zusammenkünfte in Rudolfs Sommersitz in Laxenburg. Am häufigsten fand man die zwei Männer aber alleine, irgendwo auf der Jagd in den Weiten der österreichisch-ungarischen Monarchie. Da der innige Kontakt bis zum Tod des Kronprinzen währte, darf man annehmen, dass Erzherzog Otto viel von den Problemen seines Cousins wusste. Dem Ehrenkodex der Zeit entsprechend hat er sie nie preisgegeben.
Noch eine interessante Feststellung findet sich in den Tagebüchern: Obwohl Kronprinz Rudolf und seinen Vater Kaiser Franz Joseph allgemein nur wenig verband, hatten beide eine innige Beziehung zu Erzherzog Otto. Denn auch der Kaiser stand unter dem Charme dieses Neffen. Otto verfügte über eine starke Persönlichkeit, aber auch über eine gute Erziehung. Er respektierte den hohen Status des Onkels, er war aber auch der Einzige, der es wagte, frei und ohne Umstände mit ihm zu sprechen. Als Ottos Bruder, der Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand, 1895/96 so schwer erkrankte, dass er sich monatelang im Ausland zur Kur aufhielt und man meinte, er würde sterben, nützte Kaiser Franz Joseph die Zeit, um Otto als Thronfolger aufzubauen. Im Zuge dieser Entscheidung überließ er ihm als Wiener Residenz das Schloss im Augarten. Es ist bekannt, wie sehr der Kaiser unter dem schwierigen Charakter Franz Ferdinands litt, und es besteht kein Zweifel, dass der heitere und wenig ruhmsüchtige Otto sein Vorzugskandidat war. Doch Franz Ferdinand genas, und sein Bruder war zufrieden, sein Leben wieder nach seinen eigenen Ideen gestalten zu können. Er hatte in dieser Zeit in Schönau an der Triesting einen neuen Besitz erworben, den er renovieren ließ, wo er aber auch häufig selbst Tischlerarbeiten verrichtete.
Als Vater war Erzherzog Otto genauso natürlich und zwanglos, wie er es bei seinen Eltern gesehen und gelernt hatte. Er war seinen beiden Söhnen Carl und Maximilian ein verständiger Vater und vor allem ein guter Freund. Wie schon sein eigener Vater erzog auch Otto seine Kinder so frei und ungezwungen wie möglich, versuchte aber natürlich, ihnen die bestmögliche Erziehung zukommen zu lassen. Wobei bestmöglich bedeutete, dass die Kinder ein breit gefächertes Spektrum an Bildung erhielten, sie aber keinem unangenehmen Druck ausgesetzt werden sollten. Kinderfrauen und Erzieher suchte er selbst aus und bevorzugte immer jene, die über ein heiteres Wesen verfügten und kinderfreundlich waren. Er selbst war ein fröhlicher Vater, tollte gerne mit Carl und Maximilian herum und trieb Schabernack mit ihnen. Wenn das Wetter es erlaubte, hielt er die Momente mit ihnen gerne fotografisch fest. Der Dank für die gemeinsamen Stunden waren fröhlich in die Kamera lachende Kindergesichter.
Doch alle Vorzüge Erzherzog Ottos scheinen uninteressant im Vergleich zu einigen Fehltritten, die er im Lauf seines kurzen Lebens beging. Wenn man von ihm spricht, erinnern sich die Menschen besonders gerne seines unmoralischen Lebenswandels, der wegen des Skandalfaktors besser im Gedächtnis haften blieb als alles andere. Die diesbezüglich beliebteste Geschichte: Der Erzherzog wurde einmal nachts nackt durch das Hotel Sacher laufen gesehen. Dieses Erlebnis regt bis heute die Phantasie der Menschen an.
Wie früher angedeutet, gab es in der Ehe mit Marie Josepha wenig Gemeinsames, was nicht alleine auf den abenteuerlustigen Charakter Ottos zurückzuführen war. Seine Frau bevorzugte die »Bewegungslosigkeit«. Sie schlief lange, saß gerne lange beim Essen, im Theater, bei Diners oder anderen Veranstaltungen, worunter bald ihre ursprünglich hübsche Figur litt. Das Haus verließ sie tagsüber nur, um mit ihren Hofdamen zum Schneider zu gehen.
Ideell war sie eine überzeugte, aber freudlose Katholikin und wird – wohl auch deshalb – in der Geschichte häufig als Dulderin und märtyrerhafte Ehefrau dargestellt. Doch die Tagebücher zeichnen von ihr ein neues, unbekanntes Bild, das ihr keinesfalls zum Vorteil gereicht.
Wie auch immer, Otto suchte und fand Ablenkung bei anderen Frauen. Untreue war in dieser Epoche ein Gentleman-Delikt, das sich die meisten Männer gönnten, die Vernunftehen eingegangen oder in der Ehe unglücklich geworden waren. Auch Kaiser Franz Joseph hat da keine Ausnahme gemacht. Die Anzahl seiner Geliebten und seiner natürlichen Nachkommen ist der des Neffen ähnlich. Für Otto war die Folge der außerehelichen Eskapaden katastrophal. Er erkrankte an der damals nicht eindämmbaren und unheilbaren Syphilis und starb im Jahr 1906 an den Folgen dieser Krankheit.
Marie Josepha,
Ehefrau Erzherzog Ottos und Mutter Carls (in den Tagebüchern zunächst Mitzi, später Marie Josepha genannt)
Erzherzogin Marie Josepha entstammte einer der gebildetsten und für ihre eigenwilligen Charaktere berühmten deutschen Dynastien, dem Geschlecht der Wettiner, das in Sachsen regierte. Unter ihnen gab es etliche wissenschaftlich und musisch hochbegabte Persönlichkeiten, einer von ihnen entdeckte und förderte Richard Wagner, lange bevor König Ludwig II. von Bayern sich für diesen Künstler interessierte. So ist es verwunderlich, über wie wenige Interessen Marie Josepha als Mitglied dieser Familie verfügte. Obwohl sie als Prinzessin eines deutschen Königshauses den üblichen Unterricht in Sprachen, Geschichte, Kunst und Literatur