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sollte nicht so indiskret sein«, bemerkte Lord Mere.

      »Aber es ist wahr. Und deshalb, liebster Ingram, wirst du mich auch retten. Ich bin viel wichtiger als deine Könige und Königinnen, denen du schon geholfen hast.«

      »Ich bezweifle, daß sie dir zustimmen würden«, entgegnete Lord Mere. »Aber ich werde mein Bestes tun, Jennie. Und während ich nach Florenz reise, wirst du für meinen Erfolg beten.«

      »Ich werde inständig beten!« versprach Jennie. »Und wenn du mir das Halsband tatsächlich zurückbringst, werde ich dem heiligen Antonius, oder wer immer auch der Heilige für gestohlene Güter ist, ein riesiges Dankopfer darbringen.«

      Lord Mere lachte.

      »Wir brauchen wahrlich den Schutz aller Heiligen. Denn wenn der Prinz dein Halsband gestohlen hat, muß er einen triftigen Grund dafür gehabt haben. Ich bin sicher, er wird mir diesen nur unter äußerstem Druck verraten.«

      Nachdem seine Schwester ihm überschwenglich gedankt und beteuert hatte, ihr ganzes künftiges Glück hänge von ihm ab, verabschiedete sie sich, und Lord Mere ließ seinen Sekretär kommen.

      Er befahl Mr. Barrington, die Reisevorbereitungen zu treffen und alle Termine abzusagen, die er für die nächsten Tage vereinbart hatte. Dann ging er in sein Schlafzimmer hinauf, um mit seinem Kammerdiener zu sprechen.

      Als er die Schublade seiner Kommode aufzog, mußte er unwillkürlich an die Worte denken, die er zu seiner Schwester gesagt hatte. ,Nur unter äußerstem Druck!'

      Er nahm den kleinen Revolver, den er eigens hatte anfertigen lassen, aus einem Etui. Die Waffe war kleiner als das übliche Modell und so neu, daß nur wenige Menschen eine solche besaßen.

      Lord Mere legte den Revolver bereit, damit er zusammen mit einem Vorrat dazu passender Patronen in seinen Koffer gepackt wurde.

      Dann suchte er weiter in der Schublade und fand einen scharfen Dolch, nicht unähnlich einem Stilett, dessen glänzende Klinge in einer Scheide steckte. Er konnte ihn an seiner Taille oder notfalls sogar in einem Strumpf verstecken.

      Lord Mere dachte daran, wie nützlich und was für ein wertvoller Schutz dieser Dolch bei anderen Gelegenheiten gewesen war. Er hoffte jedoch, die Waffen nicht benützen zu müssen, obwohl er das Gefühl hatte, daß er sich wieder einmal auf ein gewagtes Abenteuer einließ. Der Himmel wußte, was ihn in Florenz erwartete.

      Sein Sekretär traf alle Vorbereitungen für ihn, damit er rechtzeitig den Zug erreichte, der London um die Mittagszeit verließ und Anschluß zum Dampfer nach Calais hatte. Bis dahin blieb nur kurze Zeit, aber Mr. Barrington war es gewöhnt, rasch zu handeln, wenn es um seinen Herrn ging.

      Lord Mere wußte, daß wie durch Zauberhand ein Abteil im Zug nach Dover für ihn reserviert war. Auf dem Schiff würde ihm die beste Kabine zur Verfügung stehen, und ein Reisebegleiter würde für ihn jeweils ein Coupé in den Expreßzügen nach Florenz besorgen.

      Lord Mere verließ sein Haus jedoch früher, als es notwendig gewesen wäre, um seinen Zug im Viktoria-Bahnhof zu erreichen.

      Seine Londoner Kutsche, die von zwei herrlichen Pferden gezogen wurde, brachte ihn rasch zum Auswärtigen Amt, wo er darum bat, den Außenminister sprechen zu dürfen.

      Er wurde sofort in das Büro des Earl of Rosebery geführt, der sich freute, ihn zu sehen.

      »Mein lieber Mere, das ist eine Überraschung!« rief er. »Sie lassen sich gewöhnlich nicht herab, mich zu besuchen. Normalerweise bin ich es, der flehentliche Nachrichten an Sie schickt und um Ihr Erscheinen bittet.«

      »Sie sind sarkastisch, Mylord. Ich brauche Ihre Hilfe.«

      »Meine Hilfe?« rief der Außenminister. »Das ist wirklich einmal etwas anderes, da ich sonst um die Ihre bitte.«

      »Sie haben recht, und ich hoffe, Sie lassen mich nicht im Stich.«

      »Was kann ich für Sie tun?«

      »Erzählen Sie mir, was Sie über den Fürsten di Sogino wissen.«

      Der Außenminister sah ihn überrascht an.

      »Ist das alles?«

      »Für den Augenblick, ja.«

      »Es würde mich interessieren, weshalb Sie das wissen wollen.«

      »Verzeihen Sie mir, wenn ich es verschweige, aber ich brauche Ihre Information.«

      Der Außenminister läutete eine Glocke, und als ein Sekretär erschien, befahl er: »Bringen Sie mir die florentinische Akte.«

      Es dauerte nur wenige Minuten, bis ein großer Aktenordner vor den Außenminister auf den Tisch gelegt wurde. Er blätterte einige Seiten um, bis er fand, was er suchte.

      »Die Soginos sind, wie Sie sicher wissen, eines der bedeutendsten Geschlechter von Florenz. Der Fürst, das Oberhaupt der Familie, kann seine Ahnen bis ins elfte Jahrhundert zurückverfolgen. Er legt großen Wert darauf, daß man dies nicht vergißt.«

      Lord Mere lächelte, und der Earl fuhr fort: »Ich habe hier einen Bericht, der Sie aber höchstwahrscheinlich nicht interessieren wird. Er betrifft eine Fehde, die seit Jahren, man könnte fast sagen, seit Jahrhunderten, zwischen den Soginos und ihren erbittertsten Feinden, den Gorizias, herrscht.« Er blätterte ein paar Seiten weiter. Dann sagte er: »In letzter Zeit gerieten die Soginos in große finanzielle Bedrängnis und mußten einen Teil ihrer Ländereien außerhalb von Florenz verkaufen. Dies hat den Fürsten sehr verbittert, und aus irgendeinem Grund, den ich nicht kenne, hat es die Fehde zwischen seiner Familie und den Gorizias geschürt.«

      Es war eine für große italienische Geschlechter so typische Geschichte, daß Lord Mere dachte, sie stamme aus einem Roman. Sie schien ihm aber nicht bedeutsam zu sein, abgesehen davon, daß sich die Soginos in finanziellen Schwierigkeiten befanden. Aber auch das war nicht außergewöhnlich, deshalb fragte er: »Kennen Sie den ältesten Sohn, Prinz Antonio?«

      »Ja, ich habe ihn mehrmals auf Empfängen getroffen. Und ich weiß, daß er immer, wenn er in London, Paris oder einer anderen Hauptstadt ist, eine ganze Reihe gebrochener Herzen zurückläßt.«

      »Ist er verheiratet?«

      »Er hat sehr jung geheiratet. Es war eine arrangierte Ehe, aber ich weiß nicht, ob seine Frau noch lebt. Es gibt in meinen Unterlagen keine Aufzeichnungen über ihren Tod, aber das besagt nichts.« Der Earl of Rosebery lehnte sich in seinem Sessel zurück und fragte: »Sagen Sie mir, Mere, warum interessieren Sie sich dafür?«

      Lord Mere lächelte, und der Außenminister rief: »Zum Teufel mit Ihrer Geheimniskrämerei! Aber wenn Sie auf eigene Faust Nachforschungen über die Soginos anstellen, können Sie auch etwas für mich tun.«

      Fragend sah Lord Mere den Earl an, und dieser erklärte: »Ich habe das Gefühl, daß Fürst di Sogino und seine Familie irgendwie in subversive Tätigkeiten gegen die italienische Monarchie verwickelt sind. Ich kann mich täuschen, aber ich habe ein paar Dinge gehört, die nicht zusammenpassen, mir aber im Gedächtnis geblieben sind wie eine unvollendete Symphonie.«

      »Vielen Dank für Ihre Auskunft.« Lord Mere stand auf. »Sie wissen, wenn ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein kann, werde ich mein Bestes tun.«

      »Um nichts anderes bitte ich Sie. Ihr Bestes ist wesentlich mehr als die Höchstleistungen irgendwelcher anderer Leute.«

      Lord Mere lachte.

      »Sie schmeicheln mir.«

      »Ich bereite Sie nur auf die italienische Art der Schmeichelei vor, die ebenso überzeugend sein kann wie die irische und viel gefährlicher als das, was wir Engländer ,frei heraus reden' nennen.« Der Außenminister schüttelte Lord Mere die Hand. »Geben Sie auf sich acht! Sie wissen, wie wertvoll Sie für uns sind, und wir können es uns nicht erlauben, Sie zu verlieren.«

      Beide lachten, als sie zusammen zur Tür gingen. Der Earl legte eine Hand auf Lord Meres Schulter. »Ich glaube, ich sollte Ihnen die Warnung mitgeben, die ich jedem erteile, den ich nach Italien schicke. Hüten

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