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beweist nicht, daß er es dir gestohlen hat.«

      »Er nahm es mir ab. Dabei küßte er meinen Hals und flüsterte: ,Du bist zu lieblich. Du brauchst keinen Schmuck, auch nichts so Vollkommenes wie dieses Halsband aus meinem Land.'« Jennie seufzte leise. »Ich achtete kaum auf seine Worte, sondern nahm ihm das Halsband aus der Hand und legte es in das Etui. Ich wollte, daß er nur an mich denkt.«

      »Bist du ganz sicher, daß du es in das Etui gelegt hast?«

      »Absolut sicher. Wie ich schon sagte, legte ich es vorsichtig hinein, weil es so kostbar und wertvoll ist und ich immer fürchte, es könnte zerbrechen. Dann würde Arthur sehr zornig.« Bei diesem Gedanken schrie sie leise auf. »Was soll ich nur tun? Arthur wird außer sich sein! Wie soll ich ihm erklären, daß Antonio es aus meinem Schlafzimmer entwendet hat?« Sie schluchzte. »Ingram, Ingram, bitte hilf mir! Wenn Arthur das erfährt, bringt er mich um.«

      »Dann darf er es eben nicht erfahren«, erwiderte Lord Mere. »Als Erstes muß man den Prinzen um eine Erklärung dafür bitten, was heute nacht geschehen ist.«

      »Glaubst du, ich hatte nicht selbst schon daran gedacht? Ich war vor einer halben Stunde in der italienischen Botschaft, wo er wohnte. Das schickte sich nicht, ich weiß, aber ich war so verzweifelt, daß ich sofort mit ihm sprechen wollte.«

      »Und was ist geschehen?«

      Lord Mere glaubte die Antwort bereits zu kennen.

      »Ein Diener teilte mir mit, Prinz Antonio di Sogino sei um acht Uhr früh nach Italien abgereist.«

      Jennie schlug beide Hände vors Gesicht, um ihre Tränen zu verbergen.

      Lord Mere saß reglos da.

      Nach einer kurzen Pause bat er: »Weine nicht, Jennie. Ich werde einen Ausweg aus diesem Schlamassel finden, sofern du mir auf die Bibel schwörst, daß wirklich niemand außer ihm das Halsband an sich genommen haben kann. Glaubst du nicht, daß zum Beispiel ein Einbrecher in dein Schlafzimmer gelangt sein könnte, nachdem der Prinz dich verlassen hat?«

      »Er müßte Flügel besessen haben. Ich begleitete Antonio zur Gartentür, aber ehe wir die Seitentreppe hinabgingen, schloß ich meine Schlafzimmertür ab und nahm den Schlüssel mit.«

      »Warum?«

      »Ich weiß nicht. Vielleicht fürchtete ich, mein Mädchen konnte in meine Zimmer gehen, ehe ich Zeit hatte, die Kleidungsstücke aufzuräumen, die zerstreut herumlagen, natürlich auch auf dem Bett.« Jennie errötete wieder und senkte den Blick. »Du siehst, es kann niemand das Zimmer betreten haben, weil ich den Schlüssel bei mir trug. Nachdem ich Antonio in den Garten begleitet hatte, ging ich sofort wieder in mein Zimmer, räumte die Kleider auf und vergewisserte mich, daß alles an seinem Platz war, ehe ich mich schlafen legte.«

      »Aber wann kann der Prinz das Halsband an sich genommen haben, ohne daß du es bemerkt hast?«

      »Ehe er mich verließ, weckte er mich. Er war schon angekleidet und erklärte, er müsse nun gehen.«

      »Aha. Vorher könnte er das Halsband unbemerkt in die Tasche gesteckt haben.«

      »Natürlich. Ich dachte nicht an das Halsband, bis Rose das Etui öffnete, ehe sie es in den Tresor bringen wollte.« Wieder schrie Jennie leise auf. »Oh Ingram, stell dir vor, ich hätte geglaubt, das Halsband sei noch da, wenn Arthur mich vielleicht in zwei Wochen gebeten hätte, es zu tragen.«

      »Ich nehme an, genau das hat der Prinz gehofft. Und deshalb ist es nun sein Pech, daß du den Verlust so rasch entdeckt hast.«

      »Du weißt, wie stolz Arthur war, weil er mir etwas so Kostbares schenken konnte. Das Halsband war sehr, sehr teuer.«

      »Da bin ich sicher.«

      »Wie kann ich Arthur erklären, es seien Einbrecher gewesen, wenn nichts anderes fehlt?«

      Lord Mere fragte eindringlich: »Ist das wahr? Hast du dich vergewissert, daß sonst nichts fehlt?«

      »Nein, nichts! Das Diamantarmband, der Ring, die Ohrringe alles lag auf dem Toilettentisch.«

      »Nur die Halskette war verschwunden«, sagte Lord Mere nachdenklich.

      »Nur das Halsband fehlt«, bestätigte Jennie. »Das Halsband, das Arthur niemals vergessen wird. Oh Ingram, stell dir den Skandal vor, wenn er sich von mir scheiden läßt! Und selbst wenn er das nicht täte, würde er sicher nie wieder mit mir sprechen, so verletzt wäre er.«

      Nun liefen die Tränen an ihren Wangen herab, und sie konnte sie nicht zurückhalten.

      Lord Mere stand auf.

      »Jetzt kann ich nur eines tun.«

      »Was?« fragte Jennie unglücklich.

      »Nach Florenz fahren und herausfinden, was geschehen ist. Wenn dieser verdammte Italiener dein Halsband tatsächlich gestohlen hat, werde ich es ihm abnehmen, oder ihn auf irgendeine Weise dazu bringen, es zurückzugeben.«

      »Willst du das wirklich tun?« Jennie sprang auf und schlang die Arme um den Hals ihres Bruders. »Nur du kannst mich retten, Ingram! Wenn irgendjemand auf der Welt mein Halsband wiederbeschaffen kann, dann bist du es!«

      Lord Mere küßte ihre Wange.

      »Hör zu, Jennie. Ich nehme an, du kannst Rose vertrauen?«

      »Rose verehrt mich, das hat sie immer getan. Sie ist seit zehn Jahren bei mir.«

      »Gut, dann mußt du sie zum Schweigen verpflichten.«

      »Das habe ich bereits getan. Sie weiß, wie zornig Arthur würde, wenn er den Verlust entdeckte. Sie wird alles tun, um mir zu helfen.«

      »Also gut, das ist ein Pluspunkt für uns«, meinte Lord Mere. »Wenn Arthur nach Hause kommt, darfst du keinen Augenblick lang den Verdacht erwecken, du wärst aus irgendeinem Grund besorgt oder würdest dich vor etwas fürchten.« Er runzelte die Stirn und konzentrierte sich auf seine Überlegungen. Dann fuhr er fort: »Ehegatten haben einen sechsten Sinn füreinander. Beinahe kann der eine die Gedanken des anderen lesen. Was du auch tust, du darfst dir nichts anmerken lassen.«

      Erschrocken hielt Jennie den Atem an.

      »Nein, natürlich nicht.«

      »Also gut. Benimm dich einfach so, wie es jede liebende Frau tun würde - erfreut, weil der Gatte wohlbehalten und gesund wieder aus Paris zurückgekehrt ist. Zeig ihm, wie einsam und verlassen du dich ohne ihn gefühlt hast.« Lord Mere hielt inne. Dann fügte er hinzu: »Alle Frauen können schauspielern, wenn sie wollen. Und wenn dir dein guter Ruf etwas wert ist, Jennie, dann wirst du schauspielern müssen, wie noch nie zuvor in deinem Leben.«

      »Ich will es versuchen. Wirklich! Aber es wird schwierig sein, weil ich mich so sehr fürchte.«

      »Vergiß deine Ängste! Und wenn es zum Schlimmsten kommt, müssen wir vielleicht selbst den Tresor aufbrechen und erklären, jemand sei unbemerkt ins Haus gekommen und habe deine Juwelen auf so geschickte Art gestohlen, daß die Polizei keine Ahnung hat, wer der Täter sein könnte.«

      »Die Polizei...«, stammelte Jennie.

      Sie wurde blaß, und ihr Bruder sagte rasch: »Wir werden sie nur im äußersten Notfall rufen. Denn du würdest doch nicht gern gestehen, daß du das Halsband zum letzten Mal gesehen hast, als du mit dem Prinzen zusammen warst. Du müßtest dann behaupten, du hättest es bei einer späteren Gelegenheit auf einer großen Gesellschaft getragen.«

      »Oh Ingram, würde uns das überhaupt jemand glauben? Du weißt, dieses Halsband ist so außergewöhnlich, daß überall, wo ich auch hingehe, die Leute sagen, es sei das Schönste, was sie je gesehen haben.«

      »Ich weiß«, erwiderte Lord Mere gereizt. »Aber wir müssen eine Ausrede bereit haben, falls ich das Halsband nicht zurückbekomme.«

      »Aber es muß dir gelingen, und du schaffst es auch!« rief Jennie. »Ich weiß, wie klug und geschickt du bist, obwohl du niemals über deine Arbeit sprichst. Meine Freundin Eileen, deren

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