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Herr Dr. Laurin. Ich habe versucht, mit meiner Schwiegermutter zu sprechen, doch sie hat böse reagiert. Sie hat auch dafür gesorgt, dass Bettina nicht mehr zu Ihnen kam, sie hat sie gleich zu Gellinger in die Schweiz gebracht. Und dort blieb sie auch bis zum sechsten Monat. Dann ging es ihr tatsächlich besser. Ich schöpfte Hoffnung. Sie hielt mir dann vor, dass Jonas sie halt viel besser verstünde als ich und dies zu ihrem seelischen Wohlbefinden beitrüge. Gestern hat sie mir auch klipp und klar erklärt, dass sie sich von mir scheiden lassen und Jonas heiraten würde.«

      »Und er ist damit einverstanden?«

      »Nein, allerdings forciert meine Schwiegermutter dieses Vorhaben. Ich bin gespannt, was bei der heutigen Unterredung zwischen Jonas, seinem Vater und Charlotte herauskommen wird. Ich bin jetzt jedenfalls so weit, dass ich es nervlich nicht mehr verkrafte, meinem Beruf gerecht zu werden. Ich wurde kaltgestellt.«

      »Entlassen?«, fragte Dr. Laurin erschrocken.

      »Nein, das nicht, an den Schreibtisch versetzt. Aber ansonsten ist mir alles gleichgültig. So schrecklich es klingen mag, aber ich sehne diese Trennung herbei.«

      »Und das Kind?«

      »Es tut mir leid, von Herzen leid. Ich begreife nur nicht, dass man nun auch Jonas ins Unglück stürzen will.«

      »Er ist ein Mann, und er ist Arzt. Er wird verstehen, sich zu wehren«, sagte Dr. Laurin.

      »Ich kann es nur hoffen. Ich mag ihn. Jedenfalls hatten Sie recht, wenn es auch sonst niemand zugeben will – Dr. Dietsch ausgenommen.«

      Dr. Laurin überlegte. »Und wenn es nun doch nicht zu einer Scheidung kommt?«, fragte er.

      »Ich weiß nicht, was ich dann tue. Jetzt habe ich nicht mal mehr die Chance, mit einer Maschine abzustürzen.«

      »Solchen Gedanken dürfen Sie keinen Raum geben«, erklärte Leon Laurin eindringlich.

      »Was würden Sie in meinem Fall tun? Leider, ohne zu klagen? Mein Gott, ich werde nie mehr eine Frau anrühren nach diesen Erfahrungen. Bettina hat mich mit dem Kind geködert. Hätte ich sie nur früher durchschaut. Aber schließlich muss man wohl für jede Dummheit bezahlen«, sagte er bitter. »Verstehen Sie mich bitte, sie tut mir leid, aber es ist schrecklich, dass ich zum Prügelknaben gemacht werde, der an allem schuld sein soll. Durch mich ist sie doch nicht krank geworden. Ich habe auch ganz vorsichtig versucht, meiner Schwiegermutter klarzumachen, warum Bettina das Kind besser nicht bekommen sollte, aber was habe ich zu hören bekommen? Ich wäre ein Schuft, ich hätte Bettina seelisch ruiniert. Ich hätte sie krank gemacht. Man wüsste ja nicht, mit was für Frauen ich mich abgegeben und welche Krankheiten ich aufgefangen hätte, mit denen sie dann angesteckt worden wäre. Deshalb möchte ich, dass ich jetzt nochmals gründlich untersucht werde, Herr Dr. Laurin. Ich lasse den Verdacht nicht auf mir sitzen, dass ich Bettinas Zustand verschuldet habe.«

      »Aber Sie standen doch ständig unter ärztlicher Kontrolle«, warf Dr. Laurin ein.

      »Natürlich, aber dieses bornierte Weib – damit meine ich meine Schwiegermutter – denkt darüber nicht nach. Ich hege den Verdacht, dass sie auch einen Defekt hat, um es drastisch zu sagen. Ein klar denkender Mensch kann doch Tatsachen nicht einfach wegzaubern wollen. Vielleicht bin ich ungerecht geworden. Aber wenn es so weitergeht, drehe ich durch.«

      »Wenn Sie es wollen, spreche ich mit Dr. Sternberg, damit er Sie klinisch untersucht«, bot Dr. Laurin an.

      »Ich bin einverstanden. Ich lasse mich nicht als Abfall behandeln. Danke, dass Sie mich angehört haben, Herr Doktor.«

      *

      Indessen hatte sich Dr. Jonas Bernulf mit Katrin Dietsch getroffen. Sie waren sich am Abend zuvor bei dem gemeinsamen Konzertbesuch schon sehr nahe gekommen, und Jonas war sich gewiss, dass er mit Katrin, so jung sie auch noch war, über seine Probleme sprechen konnte.

      Es war Mittwoch. Er hatte nachmittags keine Sprechstunde. Allerdings hatte er Bettina besuch und stand noch unter diesem deprimierenden Eindruck. Und er hatte die Unterredung mit seinem Vater und Bettinas Mutter vor Augen, die am Abend stattfinden sollte.

      Er hatte Katrin angerufen und sie um ein Gespräch gebeten. Sie war sofort dazu bereit gewesen.

      Katrin war ein Mädchen, so klar wie eine Quelle und auch so springlebendig, so herzerfrischend in ihrer Natürlichkeit, dass ein Vergleich mit Bettina überhaupt nicht möglich war.

      Sie war genau vom gleichen Typ wie Maria Dorn, und man hätte sie leicht für deren Tochter halten können, nur war ihr Gesicht nicht rund, sondern herzförmig, aber ihre violetten Augen, das feine Näschen, das aschblonde Haar machten sie Maria ähnlich, und vielleicht war das auch der Grund, warum ihr Vater Maria so sehr mochte.

      Dr. Jonas Bernulf kannte Maria nicht, und er hätte Katrin auch mit keinem anderen Menschen vergleichen wollen. Für ihn war sie eine Offenbarung in ihrer unkomplizierten Frische, da er sich selbst in einem Stadium innerer Zerrissenheit befand und mit niemandem sonst offen sprechen konnte. Mit Katrin konnte er das.

      Sie kam lächelnd auf ihn zu. Er nahm ihre Hände und presste sie an seine Brust.

      »Ich liebe dich, Katrin«, sagte er leise, »das muss ich sagen, bevor ich das andere loswerde.«

      »Ich liebe dich auch, Jonas«, erwiderte sie offen und küsste ihn zart. Das war in diesem Augenblick das größte Glück für ihn, und er wollte dieses Glück festhalten.

      »Nun sag mir, was dich bedrückt«, flüsterte sie, als er sie so festhielt, als wolle er sie nie mehr loslassen.

      »Das ist nicht so einfach.«

      »Probleme sind nie einfach, sonst wären es keine Probleme«, erwiderte Katrin. »Sprich nur frei von der Leber weg. Ich höre zu und sage dir, was ich davon halte. So habe ich es mit Vati damals immer gemacht, als Mama alles kaputt machte. Du hast doch mit Vati keinen Ärger?«

      »Nein, aber mit ihm kann ich nicht so sprechen wie mit dir«, erwiderte Jonas.

      »Darauf bilde ich mir jetzt aber etwas ein«, sagte sie schelmisch.

      »Es ist keine hübsche Geschichte, Katrin. Es geht darum, dass Bettina sich scheiden lassen und mich heiraten will. Und ihre Mutter will das auch.«

      »Und du?«, fragte Katrin beklommen. »Willst du es auch?«

      »Dann würde ich dich doch nicht um Rat fragen.«

      »Ich soll dir raten? Aber du bist doch viel klüger als ich.«

      »Eben nicht«, erwiderte er. »Ich will dich heiraten.«

      »Und das findest du nicht klug?«

      »Ich möchte wissen, was du dazu sagst. Davon hängt alles ab. Du bist noch so jung.«

      »Ich verstehe das nicht ganz«, sagte Katrin ruhig. »Wenn ich nein sagte – würdest du dann Bettina heiraten?«

      »Nein, das würde ich nicht, aber wenn du ja sagen würdest, könnte ich es mir einfacher machen und erklären, dass ich bereits einem Mädchen die Heirat versprochen habe.«

      »Was Männer doch so manchmal denken«, lachte Katrin. »Du bist kein Feigling.«

      »Vielleicht doch. Ich muss die Wahrheit­ sagen, und die ist hart, Katrin. Sie ist hart für Bettinas Mutter und auch hart für meinen Vater. Ich werde es dir erklären. Bettina ist krank. Sie leidet an einer Störung des Zentralnervensystems. Weißt du, was das bedeutet?«

      Katrin blieb stehen. »Ich bin die Tochter eines Arztes«, sagte sie leise, »und ich will Medizin studieren. Ist es MS?«

      »Ich weiß es nicht. Ich habe nicht die Möglichkeit, sie daraufhin zu untersuchen. Das müsste ein Neurologe tun. Ich dürfte mit dir eigentlich auch gar nicht darüber sprechen, Katrin.«

      »Ich rede nicht darüber, Jonas.«

      »Charlotte will nicht wahrhaben, dass ihre Tochter krank ist. Sie würde es niemals wahrhaben wollen. Und mein Vater hängt an ihr. Heute Abend haben wir eine Aussprache. Sie wird nicht so

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